Bei irgendeinem meiner runden Geburtstage bekam ich ein besonderes Geschenk, das ich hüte, um es zu bewahren.
Es war die Ausgabe einer längst erloschenen Zeitung, die das Datum meiner Geburt trug.
Das Papier war Nachkriegs-Qualität, aber immerhin voluminöser als die Süddeutsche es heute verwendet. Sie steckt immer noch in einem dieser Spanner aus Holz. Oben mit einer Öse unten mit einem handlichen Griff - so hingen sie früher in Wirtshäusern, die ihren Kunden Lese-Service bieten wollten. Die Beiträge drehten sich um die langsam greifende Währungsreform zur D-Mark und die neue Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. Eine schwierigere Geburt als wir das heute noch wahrhaben wollen. Und schon damals war der Freistaat Bayern unter Dominanz der CSU der Quer-Treiber und lehnte den von den Siegermächten gebilligten Entwurf zunächst ab.
Ansonsten widmete sich meine "Geburtstags-Zeitung" noch den Nicklichkeiten im Osten. Es überwog aber auf allen Seiten ein erfrischender Optimismus, der sich später durch den Wiederaufbau und das sogenannte Wirtschaftswunder bewahrheiten sollte; eine Momentaufnahme, ein Zeitzeugnis mit dem Tenor "Wir schaffen das!"
Als mein Enkel im November 2015 zur Welt kam, hatte ich daher die Idee ihm auch eine Ausgabe der SZ für die Lebensjahre zu konservieren, in denen er deren Inhalt mit Verständnis lesen könnte.
Doch die Schlagzeilen stimmten mich um. Denn es ging um das Flüchtlings-Thema, den wieder einmal zum Rassismus hochschwappenden Deutsch-Nationalismus, die Kriege in der Ukraine, in Syrien, dem Irak, um die Verunglimpfung von Religion - nur weil ein paar durchgeknallte Muftis mit Minderwertigkeitskomplexen und einem steinzeitlichen Frauenverständnis einen Gottesstaat auf den Blutlachen der "Ungläubigen" errichten wollten.
Als Kind einer agnostischen Deutschen ist mein Enkel aber auch qua Geburt in die höchste Kaste des nepalesischen Hinduismus hinein geboren worden. Jener Kaste, die durch ihre Lehrtätigkeit zur Glaubens-Bewahrung verpflichtet ist.
Wie wird mein Enkel hier noch leben können, wenn unser Volk und das vereinte Europa nicht wieder in der Lage sind, den Optimismus und die wachsende Toleranz der Nachkriegsjahre zu reanimieren?
Muss es denn immer erst Krieg geben, damit wir geläutert neu anfangen können?
In dieser Beziehung hat 2016 keine Hoffnung hinterlassen. Und ich gebe zu, dass mein schwacher Optimismus für 2017 vermutlich in noch größerer Angst um uns versiegen wird.
Deshalb Leute! Lebt den Augenblick. Stellt euch beim mitternächtlichen Feuerwerk mit einem Glas Champagner anstoßend vor, dass Aleppo diesen Krach - nur mörderisch und zerstörerisch in realita - jeden Tag der letzten Jahre - hat erdulden müssen...
Na denn - prost!!!
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