Was soll ich tun. Ich kann mich einfach nicht mehr entscheiden. Mein ganzes Berufsleben war ich für Entscheidungsfreude und schnelle Entschlüsse gut. Heute scheitere ich an solchen Bagatellen des Alltags, die eventuell Entscheidungen verlangen könnten und schiebe sie gerne ergebnislos auf die lange Bank.
Mit dem Blog hier geht es mir aktuell genauso. eigentlich wollte ich über Putin schreiben, der nach offenbar für sich allein inszenierten Olympischen Spielen - einst wie Hitler - die Welt nun Macht berauscht in einen verheerenden Krieg stürzen könnte. Hoffentlich entscheidet er sich noch anders. Aber er ist ja ein noch junger Mann, der sich gerne bei seinen einsamen Entscheidungen vor der Entourage vom Staatsfernsehen filmen lässt.
Ich hätte auch noch über die vergangenen Winterspiele geschrieben, wenn ich noch die alte Affinität für Sport hätte. Aber als das Doping-Gerücht über eine DSV-Sportlerin aufkam, habe ich der "Zweitbesten" schon den Namen der Athletin genannt, bevor die B-Probe ausgewertet war. Ein australischer Wissenschaftler von der WADA hatte sich mir gegenüber schon nach den Winterspielen in Salt Lake City darüber gewundert, wieso die angeblich genetisch bedingten, erhöhten Hämoglobin-Werte der Athletin in der Folge immer ganz knapp unter den ständig tiefer gelegten Grenzwerten gewesen wären... Ich entschied mich, den Mund zu halten, was ich ja auch getan hatte, als ich gegen mein besseres Gewissen Ghostwriting für einen dieser berüchtigten Freiburger Professoren betrieb.
Da ich ja meinem Leben nun auch keine entscheidende Wende mehr geben kann, fällt mir durch das immer noch funktionierende Langzeit-Gedächtnis der Roman "Der Würfler" von Luke Rhinehart ein. Ein frustrierter Psychiater beschließt in dieser Satire von George Cockcroft - so heißt der Autor in echt - alle Entscheidungen durch Würfeln herbei zu führen. Das funktioniert derart großartig, dass der Kult, sein Leben auszuwürfeln, rasch um sich greift und an den Grundfesten der Gesellschaft rüttelt: Ein "must to read" gerade für die aktuell junge Entscheider-Generation.
Als ich gestern wieder einmal rat- und orientierungslos im Raum stand, um um die lächerliche Entscheidung zu ringen, die Happy Hour mit einem Whisky "Highball" oder einem "Cuba Libre" (natürlich mit Diät-Cola!) zu beginnen, riet mir die "Zweitbeste": "Wirf doch eine Münze. Wappen ist Whisky, Zahl ist Cuba Libre."
Ich warf die Münze. Das Wappen war oben. "Also Whisky", sagte ich.
Da meinte die unvergleichliche "Zweitbeste": " Ich würde mich ja nicht von einem Münzwurf in meiner Entscheidung beeinflussen lassen. Ich würde gerade deshalb den Cuba Libre mixen."
Ich nahm dann doch den Whisky. Wer lässt sich schon gerne von seiner Frau vom Gegenteil überzeugen? Und außerdem würde sich der fiktive Dr. Rhinehart ja angesichts meiner Entscheidungsschwäche im Grabe herumdrehen...
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