Mittwoch, 31. Mai 2023

Gespaltene Demokratien

Das ist schon ein merkwürdiger Trend, der Feinden der Demokratie immer neuen Stoff zum Zündeln gibt: Eine ganze Reihe jüngster, aber leider nicht immer gänzlich freier Wahlen, endete damit, dass diese eine gespaltene Nation mit scheinbar nicht zu kittenden Rissen hinterließen.

Wenn Macht-Eliten das Wahlvolk spalten
Quelle: Rosa Luxemburg Stiftung

Wer diverse Interpretationen des Daoismus auf das Ausgleichen von Yin und Yang für Demokratien anwendete, näherte sich heute schnell einem absoluten Ohnmachtsgefühl. Ausgerechnet das  Volk seiner philosophischen Ursprünge tritt ja das Prinzip des ausgleichenden Miteinanders mit Füßen. Weil es - ohne sich wirklich zu wehren - seinem Führer Xi quasi göttliche Allmacht verliehen hat. Chinas politisches Denk-Monopol degradiert das Taijitu als Symbol des Ausgleichs quasi zum Ansteck-Button. Auch dessen Basis-Interpretation ist ja längst nicht mehr "politisch korrekt":
Das weiße Yang (hell, hoch, hart, heiß, positiv, aktiv, bewegt, männlich) und das schwarze Yin (dunkel, weich, feucht, kalt, negativ, passiv, ruhig, weiblich) - sind weder gendergerecht noch antirassistisch.

Aber was soll schon noch zusammen kommen oder sich wieder vereinen? Wenn ein Trump als Präsident zum Sturm aufs Capitol aufhetzt, Wahlergebnisse mit seiner Medienmacht nicht anerkennt, besticht, einschüchtert und auch sonst denkt, er stünde derart über dem Gesetz als könne er es nach seinem Willen beugen,
Was, wenn ein Netanjahu quasi gegen den Willen des Volkes krasse Ultraorthodoxe in sein Kabinett holt, um wie ein Nazi seine faschistischen Machtgelüste in einem explosiven Umfeld radikal auszuleben?
Wie? Wenn ein Erdogan in Jahrzehnten die Pluralisierung seines Volkes einengt, dessen Möglichkeiten auf  freie Entfaltung der Meinung sukzessive unterbindet, um dann mit seiner Staatsmacht den Terrorismus auszuüben, den er quasi jedem seiner Gegner gerne vorwirft.
Und was, wenn ein Orban der EU Furunkel bildend auf der Nase herumtanzt aber auch noch deren Fördergeldern gezielt zum Machterhalt und zur Prosperität allein an seine Vasallen verteilt?

Bei den zunehmend gespaltenen Demokratien taugte das Taijitu allenfalls noch als "Schwarzweißmalerei". Ein Denken, um Risse zu kitten, symbolisiert es schon längst nicht mehr.

Alle Philosophen schweigen still, wenn ein Mann der Macht das will.

Quelle: politikforum
Dass das Wort konfus als Wertung der Lehren des guten, alten Konfuzius entstand, adelt seine einstigen Kritiker aus dem Klerus jedoch nicht. Die Religionen haben über Jahrtausende mit ihrem staatsfördernden Opportunismus bis hinein in unsere Gegenwart einen wesentlichen Beitrag zu herrschenden Machtverhältnissen geleistet. Bestes Beispiel: Kyrill I, der allgegenwärtige Beichtvater Putins.



Montag, 29. Mai 2023

Interpunktion

Noch in diesem Monat passiert es: Die Gesamtzahl der Zugriffe auf meine Blogs wird die 200.000 überschreiten. Die Zuwachsraten der gelesenen Seiten im ersten Halbjahr liegen bereits bei über 10 Prozent. Dafür herzlichen Dank liebe Leserinnen und Leser! Das ermutigt mich, weiter zu machen, so lange meine Texte noch halbwegs Sinn machen

Wenn ich in den Blog-Statistiken sehe, dass Leserinnen und Leser aktuell uralte Posts anklicken, bin ich immer neugierig, was die dazu antreibt und was ich da so geschrieben habe. Aber der Neugier weicht oft beschämte Betroffenheit, wenn ich die ganzen Tipp- und Interpunktionsfehler sehe, die mir vor dem Veröffentlichen durch die Lappen gegangen sind. Ich war im Redigieren anderer Texte oft der Retter, aber als Schlussredakteur wäre ich der totale Versager gewesen...

Die zukünftigen Eltern auf Bergtour 1937.
Meine Mutter, Jahrgang 1918 war vielleicht nicht gut
in Interpunktion, aber sie war absolut furchtlos
und jonglierte derart souverän mit den
Familien-Finanzen, dass es nie zu Engpässen kam...
Je älter ich werde, desto öfter verhaspele ich mich jetzt, aber als einstiger Journalistik-Lehrer sollte ich doch zumindest die deutsche Interpunktion halbwegs beherrschen. Aber Pustekuchen! Vermutlich ist es das Anti-Interpunktions-Gen, das ich von meiner Mutter habe. Als sie gerade18 und mit geschafftem Abi den zehn Jahre älteren Rechts-Referendar kennen und lieben lernte, war das fürs Leben.
Für ihn,, der im dritten Anlauf mein Vater werden sollte, war sie in ihren Briefen so voller Leidenschaft entbrannt, dass sie auf Interpunktion wohl keine Rücksicht nahm. Jedenfalls fühlte sich mein in mancher Hinsicht recht pedantische, spätere Erzeuger bemüßigt, ihr in seiner Antwort alle ihre Interpunktions-Fehler vorzuhalten. Jeder heutige Teenager hätte vermutlich den "alten Sack" in die Wüste geschickt. Meine Mutter reagierte so, dass jedem bald klar wurde, wer in dieser Beziehung die Hosen anhaben würde.  Nach säuselig, ironischem Anhimmeln in der Anrede lieferte sie im nächsten Brief nichts als Zeilen voller Punkte, Kommata, Ausrufe- und Fragezeichen mit dem abschließenden Hinweis: "Zur freien Verfügung in meinen nächsten Briefen". 

Die Story wurde immer wieder gerne am sonntäglichen Frühstückstisch ausgegraben, vor allem, wenn ich in Deutsch wegen mangelhafter Interpunktion mal wieder nur ein Ausreichend oder gar Ungenügend nach Hause gebracht hatte.

Bei meiner Lehre zum Verlagsbuchhändler wurde ich in der "Herstellung" beim Umbrechen der oft körperlangen Druckfahnen mit Typometer und hartem Bleistift eigentlich derart in die Mangel genommen, dass die geforderte Sorgfalt und Vorgehensweise für den Rest meines Berufslebens hätte ausreichen müssen: Einfache Krimis und Unterhaltungs-Literatur waren leicht zu umbrechen. 

Als Schusterjungen bezeichnet man
die alleinstehende erste Zeile eines neuen Absatzes,
der auf die nächste Seile umgebrochen wird.
 Im Bild gelb hervorgehoben.

Damit ich "Hurenkinder" und "Schusterjungen" am Seitenkopf beziehungsweise -Fuß vermied, strich ich Wörter oder fügte welche hinzu, um die Absätze aus- oder einzutreiben. Aber bei Klassikern und Autoren, die die Unversehrtheit und Manuskript-Treue verlangten, ging das natürlich nicht. Ausgerechnet wegen einer Taschenbuch-Neuauflage meines geliebten Friedrich Nitzsche und seinem "Also sprach Zarathustra" wäre meine Lehre fast beendet gewesen: Weil ich kühn in einem seiner Aphorismen einen eindeutigen Bezugsfehler korrigiert hatte, um einen Absatz zu vermeiden...

Rutscht dagegen die letzte Zeile
eines Absatzes auf die neue Seite,
so spricht man von einem Hurenkind.
Solche Hurenkinder gelten im Buchdruck
unter Fachleuten als schwere typografische Fehler,
da dadurch der Satzspiegel besonders
 stark gestört wird. Das Hurenkind
 ist gelb hervorgehoben.

Quelle: Word Tipp 5

In solchen Umbrüchen waren Korrekturzeichen eben verräterisch, und der Herstellungsleiter zog mir die Ohren lang, als er mich fragte, was ich unter werksgetreu verstünde...

Alfred Andersch 1914 - 1980:
Im Schweizer "Exil" Nachbar von Golo Mann
und Max Frisch
Wenn Redakteure sich später über die nachlässige Interpunktion in meinen Reportagen und Erzählungen beschwerten, verwies ich in meinen Ausreden auf meine in Englisch publizierten Texte mit entsprechend anderer Satzzeichen-Setzung. Und wenn das nicht reichte, holte ich in typisch buchhändlerischer Klugscheißerei die international gefeierten, literarischen Spracherneuerer Alfred Andersch und Arno Schmidt hervor. Die beiden befreundeten Autoren verwendeten nämlich die Interpunktion nach ihrem Gusto, um vor allen Dingen dem Leser die besondere Melodie oder Betonung ihrer Sätze zu vermitteln. Das machte ich mir beim Schreiben tatsächlich gern zu eigen.

Aber die "Seelenverwandtschaft" zu Arno Schmidt beanspruche ich gerade erst heute im Alter, Nämlich aus einer wie für mich geschaffenen Erläuterung zu seiner Etym-Theorie.

Arno Schmidt 1914 - 1979:
Auf dem Cover seiner Erzählung
"Kühe in Halbtrauer"

Er behauptete, Schriftsteller in höherem Alter könnten zu dieser Sprache des Unbewussten Zugang erlangen und sie gestalten, weil das Über-Ich geschwächt sei – das Es könne wegen der einsetzenden Impotenz seine Triebansprüche ja ohnehin nicht mehr umsetzen. Aus dieser Konstellation ergebe sich eine zusätzliche vierte Instanz seelischen Geschehens: den genialen Schriftsteller, der über die Etyms* die Sprache des Unbewussten beherrsche und der Reflexion des Ichs zugänglich mache.[5(Zitat aus Wikipedia)

https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Arno_Schmidt&oldformat=true#Etym-Theorie

*Etym: Englisch für Abbreviation
Abbreviation: Oder - warum nicht auf Deutsch? - Verkürzung



Freitag, 26. Mai 2023

Wir in unseren Kreisen

Zur Erinnerung: Durch eine annähernd demokratische Wahl kürte sich Adolf Hitler mit Hindenburgs Unterstützung vor 90 Jahren zum Reichskanzler und "ermächtigte sich dann qua Gesetz" zum Führer, wie er es in "Mein Kampf" im Prinzip längst angekündigt hatte.
Erst gewählt, dann mehr als ein Jahrzehnt verängstigt zugeschaut. - So lässt sich die Schuld der Deutschen auch dann nicht leugnen, wenn heute gerne von "Nazi-Deutschland" gesprochen wird, um damit den Rest des damaligen Volkes zu entlasten.

Quelle: www.br.de


Und noch mal zur Erinnerung: Bei seinem Machtstreben erhielt der GRÖFAZ auch 
zustimmenden Applaus von britischen, amerikanischen und österreichischen Eliten. - Von Hitlers Vorbild Mussolini ganz zu schweigen...  

Und nun in der Jetztzeit? In der wir offenbar wieder nichts vergegenwärtigen? Trauen wir uns schon wieder kein "wehret den Anfängen" zu? Vernebeln uns all die Medien-Maschen von heute, einen klaren Blick auf das, was vor unser aller Augen gerade in diesem Land an Demokratie-Klitterung geschieht?

Die überwältigende Mehrheit der wahlberechtigten Türken in Deutschland
stimmen für Erdogan. Wen werden sie mit Deutschen Pässen wählen?

Quelle: Correctiv

Generell halte ich Straßen-Interviews mit Alltags-Menschen, die sich in einem Nachrichten-Format zu einem politischen Thema äußern für Feuilleton. Denn es hängt ja immer vom Proporz ab, in dem diese Zwischenschnitte eingebracht werden. Normal bliebe so eine Meinung ja immer individuell - es sei denn sie wäre inszeniert.
 Die, die ich exemplarisch in Erinnerung habe, war es bestimmt. In einer Vorschau auf die Stichwahlen in der Türkei trat in einem der Nachrichten-Kanäle ein smarter Türke vom Typ der Generation Özdemir mit einer brav mit Kopftuch eingehüllten Schönheit an seiner Seite, fließend Deutsch sprechend vor die Kamera. Im Verlauf seines kurzen Statements sprach er den Satz, der mich zum heutigen Post antrieb. Was für ein entlarvender Habitus:
"Wir in unseren Kreisen wählen Erdogan. Schauen Sie, was er alles hat bauen lassen, und  was uns immer an seine Größe erinnern wird."

Von zurückhaltender Dimension:
Erdogans Präsidial-Palast
Quelle: Postillon

Dass er als TTEBU - Türk Tarihinin En Büyük Ustası (größter Baumeister der Türkischen Geschichte) viel Aufsehenerregendes hat bauen lassen, ist unbestreitbar. Aber dabei wird in diesen Tagen übersehen, dass er zumindest durch seine exzessive und wenig kontrollierte Bau-Politik für viele einstürzenden Neubauten bei der jüngsten Erdbeben-Katastrophe  eine Teilverantwortung trägt. Aber dass Narrative über großartig realisierte Bauvorhaben (wie beispielsweise anderswo Autobahnen...) bis heute die Legenden von Potentaten bei einfachen Bürgern schmücken, ist ja auch nichts Neues.

Neu ist, dass ein "Jungtürke" von heute, sich einer Redewendung im Deutschen bedient, die früher auch in anderen Weltsprachen  eindeutig aus einem Eliten-Denken entsprang. Kann es sein, dass sich in Deutschland  während der Ägide Erdogans unter den annähernd drei Millionen Türken gezielt eine Elite in seinem Sinne als "Sicherheits-Reserve" gebildet hat,? Eine Elite, die demnächst auch noch zusätzlich die Deutsche Staatbürgerschaft erwerben darf?

Das wäre nach Erdogans Dezimierung der Kurden und der Unterdrückung nahezu jeglicher inländischer Opposition ein weiteres staatsmännisches Husarenstück. Viel erfolgreicher wäre er damit als zum Beispiel Putin mit seiner permanenten medialen Unterwanderung. Kein Wunder, dass so einer mit dem "Zaren" auf Augenhöhe und nicht (wie die anderen Staatsmänner) am überlang distanzierenden Verhandlungstisch saß.

Die Perfidie: Erdogan verfügt ja als Faustpfand auch noch - nach den USA  - mit 450 000 Mann unter Waffen über das größte stehende Heer innerhalb der NATO...

Für die Nähe dieser Zwei steht zwischendrin allenfalls ein Tischlein
Quelle: cantara.de

Mittwoch, 24. Mai 2023

Handy-Unfälle durch "Smombies"

Noch ein Nachspiel zur Vatertags-Runde: Handy und Tablet hatten sich in der vergangenen Sommer-Hitze aufgebläht, funktionierten aber noch. Meine Tochter war schon als Kind eher ängstlich, was sie aber nie daran hinderte Waghalsiges zu unternehmen. Seit sie selbst Mutter ist, lauern aus ihrer Sicht überall mehr Gefahren, als wir uns die mit unseren greisen Hirnen wohl vorstellen können.
"Wisst ihr denn nicht, dass solche aufgeblähten Akkus wahre Zeitbomben sind? Die hätten jederzeit in euer Gesicht explodieren können."



Ich ersparte mir die Gegenrede, was ich an potenzieller Gefahr durch Handys  schon bei anderen Usern an Unfall-Fallen beobachtet hatte. Die Welt ist ja mittlerweile - ob Alt, ob Jung - derart auf das Display fixiert, dass ich schon erstaunt bin, in der U-Bahn zwischen all den starr Glotzenden jemanden zu entdecken, der ein Buch liest oder allein den ihn umgebenden Menschen-Zoo beobachtet. Manche stehen während der Fahrt, ohne sich festzuhalten, weil sie ja unbedingt gerade jetzt etwas texten müssen. Bei einer Notbremsung würden sie wie ein Torpedo reihenweise Mitreisende mitreißen...
Quelle: Monopol Magazin

Aber häufiger sind noch die Zwischenfälle, die beim Gebrauch allein und isoliert den User in Gefahr bringen, wenn sie ihre Umwelt vergessen. Da ist mein Sessel an der Fenster-Front über unserer belebten Kreuzung schon eine exemplarische Beobachtungs-Station;
Einer war mal so konzentriert mit seinem Smartphone unterwegs, dass er an einer nur Millimeter überstehenden Platte hängen blieb.  Er stolperte, aber anstatt das teure Handy loszulassen, krachte er lieber voller Wucht auf beide Kniescheiben.  In voller Länge lag er so tot da, dass ich schon den Notarzt rufen wollte. Aber er rappelte sich auf, humpelte von dannen und ließ mich mit den Vorstellungen von alsbald lähmenden Blutergüssen in den Knien zurück.
Sehr beliebt ist auch die unfallträchtige Situation, bei der FußgängerInnen, die selbst offenbar keine Radel-Rambos sind, sich auf die StVO verlassen. Die Fahrtrichtung ist auf beiden flankierenden Radwegen unserer extrem befahrenen Hauptstraße im Sinne des Verkehrs vorgeschrieben. Also schauen sie beim Überqueren des Radwegs zur Fußgänger-Ampel nur kurz in die richtige Richtung, und bums werden sie von einem desorientierten Rad-Renegaten, derart aus der falschen Richtung um gemäht, dass das kostbare Handy in hohem Bogen vor die zermalmenden Räder eines LKWs fliegt.
Richtig bizarr wird die Situation in der Einbahnstraße, die hier kreuzt. Die ist nämlich in beiden (!) Richtungen auch als Radstraße ausgewiesen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ein in einen Mobilchat Vertiefter bei Rot für Fußgänger zwischen einen gleichzeitig rechts abbiegenden Radfahrer und einen bei der kurzen Phase nach links mit durchdrehenden Reifen startenden Automobilisten gerät


. Da hilft dann nur noch "der Gott des Gemetzels". ( Köstlich entlarvender Film übrigens mit den Oscar-Preisträgern Jody Forster und Christoph Waltz.)

Was aber auch abseits des Straßenverkehrs gefährlich ist: Einer kommt laut mit Verbalinjurien auf dich zu, du fühlst dich beleidigt und packst den am Kragen, während er mit beinahe schon gebrochener Nase verdattert auf das Gerät in seinem Ohr zeigt. Und da hat meine Tochter echt Sorgen um geblähte Akkus?

Es müsste demnach bei dieser einer Pandemie ähnlichen Volksseuche längst eine Statistik von Unfällen durch und mit Handys aufgestellt werden.

Ach die gibt es schon? Teufel eins! 

Statista Austria meldet als repräsentativ geltend, dass jeder fünfte Fußgänger-Unfall auf Unachtsamkeit durch Handy-Gebrauch zurückzuführen ist. Solche Verursacher werden bei unseren stets kreativen Nachbarn als "Smombies" bezeichnet. Gut wäre auch "Geistergeher"

Auch die Sicherheitskampagne der Polizei in NRW unter dem Motto "Lenk dich nicht App" konnte das weitere Ansteigen dieser speziellen Unfallursache nicht bremsen.

Diese Gefahren-Quelle darf aber statistisch auch nicht übersehen werden:
Ein GAU, wenn die Drei mit ihren Handys zum Puschen ihrer Fahrt
mit Stöpseln im Ohr laut Musik hörten...

Quelle: t-online


Montag, 22. Mai 2023

Flügge


Schon so groß, aber immer noch aufs Füttern durch die Eltern warten?
Foto: Claus Deutelmoser




Ist ja nicht leicht, in diesen schweren Zeiten als Eltern vier Schnäbel zu füttern. Und dann noch bei Starkregen und Gewitterstürmen in bisweilen eisiger Kälte. Tatsächlich war da noch ein Viertes vor unseren Beobachtungen in der Tiefe des hervorragend konstruierten Nestes geschützt. Das ist auch deutlich zu kurz gekommen und muss noch weiter gefüttert werden, während drei, die hier auf dem Bild ja fast schon die Größe ihrer Eltern erreicht haben, sich gestern im warmen Morgengrauen flatternd noch von Ast zu Ast auf den Weg in die Freiheit gemacht haben. Tagelang setzten sie die von ihren Eltern vorgemachten Flatterdemonstrationen und Flugkurven mutig aber noch schüchtern in die Tat um.

Wo die jetzt noch - vermutlich in den Hecken rund ums Haus - eine Weile elterlich betreut werden, ist kaum zu erkennen. Wussten die gefiederten Schlaumeier womöglich, dass der Sonntag nach dem Brückentag unten auf der Kreuzung besonders ruhig sein würde?
Alles Gute Euch Vier! Möget Ihr in dieser unfriedlichen Welt einen schönen, ersten Sommer überleben.
Und Ihr "Absolut-Nicht-Rabeneltern"! Auf hoffentlich ein Wiedersehen im nächsten Frühjahr

Freitag, 19. Mai 2023

Krasse Ideen, kriminelle Interessen, konspiratives Insider-Wissen was wird KI mit uns machen?

CHIP Tipps für KI
Am Vatertag kamen die drei aktuellen oder noch werdenden Väter mit Familie an unserem runden Tisch zum Brunch. Weil wir, die doofen Alten zum Nachtisch auch mal wieder jede Menge digitale Probleme zum Lösen parat hatten, waren wir alsbald in eine "loriotsche" Stand-up-Comedy verstrickt, in der alle auf einmal redeten und wir erst recht nichts mehr verstanden. Dass wir die vielen Funktionen unserer Smartphones nicht annähernd ausreizen, war uns natürlich schon länger klar. Was waren das noch Zeiten als man mit Handys bloß telefonieren oder mal einen Schnappschuss machen wollte.

Wer heute nicht alles nutzt, was Android und Co so an Gimmicks anbieten, gehört zu dem Abgehängten der Gesellschaft. Irgendwann in dem Kreuzfeuer der Stimmen meinte ich eigentlich als Gag: "Da überlassen wir unser Verständnis in Zukunft ja sowieso einfach der KI, der Künstlichen Intelligenz."

Na, da bin ich vielleicht in ein Wespennest getreten: Mein Sohn - gerade von den Münchner Medientagen zurück - und meine Tochter wegen KI um ihren Job fürchtend, nahmen mich in ein Kreuzfeuer, bei dem sie aus gutem Grunde - wie ich jetzt etwa besser weiß - die journalistische Multimedia-Ausbildung, die sie noch in meiner Firma erhalten hatten, getrost über Bord werfen konnten.

Der Haken mit den Datenkraken sind deren Saugnäpfe.
Diese Illu hätte ich natürlich auch "persönlich "
von der KI  Midjourney gestalten lassen können

Quelle: NW.de


Mein Sohn, der für diese Dinge einen guten Dozenten abgeben würde, musste mir erst einmal die Augen öffnen, was da weltweit für eine Gefahr auf uns zukommt. Vor allem, wenn das Vorpreschen der KI weiterhin nicht straff reguliert wird und es einen Wildwuchs gibt wie damals in den Anfangsjahren im Internet.
Italien wollte nicht auf die zögerliche EU warten und verbot die von Microsoft geförderte KI-Software ChatGPT Ende März  generell und stellte den Zugriff auf Italienische Daten mit Summen von bis zu 20 Millionen unter Strafe. Seit 1. Mai ist das Verbot aber schon wieder aufgehoben, weil der Software-Betreiber angeblich auf die vom Staat geforderten Veränderungen zu dessen Zufriedenheit eingegangen ist. Beruhigend für die Menschheit kann dieses Hin- und Her aber genauso wenig sein, wie das hilflose Zögern der EU.. 

Mein Sohn beschreibt die Funktion von KI auch nicht wirklich beruhigend. Anhand der Wirkungsweise der Algorithmen beschrieb mein Sohn mir KI als alles verschlingenden Daten-Kraken der alles, was ihm brauch- und verwertbar erscheint, mit seinen Saugnäpfen aussaugt. Das bereichernd Verarbeitete scheidet er aber alsbald wieder aus. Sein Speichervolumen an verschlungenem Wissen konzentriert sich ausschließlich auf das, was die KI zum Erweitern ihrer Allwissenheit braucht.

Bei Golem.de und SZ
unter deftiger Kritik:
Die KI-Pasta
Dieses Lernen aus sich selbst macht die KI aber auch so gefährlich. Schon jetzt fürchten beispielsweise Professoren, dass sie bald nicht mehr erkennen können, ob einer ihrer Studenten für seine Examensarbeiten die künstliche Intelligenz nur mit seinen Anforderungen gefüttert hat, als sich selbst zuvor das nötige Wissen anzueignen.

Die Masse an Quellen macht das Aufspüren von Plagiaten und den Ursprung jedes "Geschwurbels" unkenntlich. Das nutzen schon einige in fragwürdiger Absicht. Ein Großverlag wagte es, ein zu beinahe 100prozentig von KI zusammengestellten Rezept-Heft für Pasta-Gerichte an den Kiosk zu bringen. Autoren und Fotografen mit ihren Honoraransprüchen brauchte das also schon nicht mehr, und auch für das Layout hatte die Software eine "anschauliche" Lösung. Apropos Konvolutieren - den inzwischen wegen seines großen Erfolgs aufgekauften Startup-Hersteller von kostbaren Gewürzen, ANKERKRAUT, wird nachgesagt, dass seine teuren Mischungen weder von Nase, Gaumen oder Zunge, sondern allein von KI abgeschmeckte wurden...

Quelle: ANKERKRAUT
Man sollte sich jedoch hüten, KI generell zu verteufeln. Sind Grenzen zum Schutz von Patenten, Ethik, Recht und vor allem Urheberrecht erst einmal einigermaßen umfassend festgelegt, dann kann Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen, in denen sie jetzt schon zum Guten angewendet wird, auch eine Problem-Löserin sein.
Beim Fachkräftemangel in Handwerk, mittelständischer Produktion und vor allem im medizinischen Pflege- und Apparate-Bereich, kann KI Lücken schließen, anstatt allein nur Ängste um Arbeitsplätze zu schüren.


Jeder jetzt sein eigener Dali?
Dieses Bild erschuf das Programm mit dem Prompt „Midjourney“.

Selbstdarstellung von Midjourney:





Mittwoch, 17. Mai 2023

Ein Onkel ist stolz auf seine Nichte

Erst vor kurzem haben wir uns nach einer langen Zeit beim 80. Geburtstag meine Schwester wieder in den Armen gelegen. Zu Beginn ihres Lebens war das noch einseitig meine Aufgabe, das kleine Bündel in den Armen zu halten, wenn sie traurig war oder Hunger hatte. Gewissermaßen war ich ihre zweite männliche Bezugsperson. Mein Schwager war viel unterwegs, und meine Schwester und ich wohnten noch zusammen im Haus meiner Eltern. Als Erwachsene wurde auch Julia Hruska vom Journalismus-Gen unserer Familie gesteuert.

Julia Hruska
Quelle: servusTV

Aber in diesen Tagen war sie weder als Autorin noch als Moderatorin präsent, sondern als eine von drei Überlebenden des Haut-Route-Hochgebirgsdramas vom 20. April 2018. Die Doku "Todesfalle Haute Route" die Peter Senn für SFR3 ebenso behutsam wie erschütternd in Szene setze, lief auf vielen dritten Programmen und kann jederzeit bei YouTube aufgerufen werden:

https://www.youtube.com/watch?v=zBbtfX16UFE

Als ehemaliger Schnee- und Bergsportler kann ich mir dennoch nicht annähernd vorstellen, was sie durchlebt und wie sie das tatsächlich überlebt hat. Vermutlich hätte ich in dieser Situation keine Chance gehabt, und deshalb bin ich sehr stolz auf meine Nichte.

Trauma-Aufarbeitung bei schönem Wetter am Unglücksort:
Julia Hruska und der Bergretter an den "Steinmännchen"
Quelle: servusTV

Montag, 15. Mai 2023

Von der Daseinsberechtigung

Komisch, dass das Alter beinahe ausschließlich lustig dargestellt wird:
 Juhuu! Endlich alt! Jetzt verprassen wir unsere Renten!

Quelle: provita-deutschland.de

 Die Annäherung an das Lebensende erzeugt höchst unterschiedliche Sichtweisen. Nachdem mein Vater mit fast 80 starb, lebte meine Mutter noch 16 Jahre. Im ersten Jahrzehnt jammerte sie, zu nichts mehr nütze zu sein und zweifelte an ihrer Daseinsberechtigung, weil sie keinen aktiven Beitrag mehr leistete. Kurz bevor sie 80 wurde, hatte sie Angst allein in ihrem großen Haus. Nachdem sie auf eigenem Wunsch in ein betreutes Wohnen umzog, änderte sich ihre Passivität in Aktivität. Sie war stolz, wenn sie bei gemeinschaftlichen Tätigkeiten besser abschnitt als Altersgenossen und bezog daraus auch Lust, sich noch mehr einzusetzen. Sie wurde mitten in einer Spenden-Aktion, die sie selbst noch initiiert hatte, vom Sekunden-Tod aus ihrem Leben gerissen, . 

Laut der letzten Statistik werden in Deutschland Frauen durchschnittlich 83, 4, Männer nur 78,5 Jahre alt. Die Deutschen sterben damit von den als reich geltenden EU-Länder am frühesten und rangieren mit ihrer Lebenserwartung im letzten Viertel der europäischen Statistik.

Zukunftsforscher meinen, dass sich die Deutschen bei aller Strebsamkeit, in der sie sie nicht beachteten, schon immer mit ihrer "Work-Life-Balance" schwer getan hätten. Kaum ein Land der Welt aber kann bei dem Beitrag zum Bruttosozialprodukt, den deutsche Plusfünfziger und Plussechziger leisten, mithalten. Das bedeutet im Umkehrschluss: Je länger diese älteren Menschen im Job mehr schuften, anstatt zumindest gleichwertig ihr Leben zu genießen, zahlen sie zwar länger in den Rententopf ein, blockieren aber gleichzeitig Arbeitsplätze für die nachrückenden Generationen. Fachkräfte-Mangel - schon jetzt ein Problem, dass durch Zuwanderung aus Ländern mit niedrigeren Löhnen möglicherweise gerade noch verringert werden kann - wird trotz KI und Automation ab 2030 desaströs für die Deutsche Wirtschaft und ihre Triebfeder - den Mittelstand .

Das statistischen Bundesamt macht auf seiner Website folgende Berechnung auf:
Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung sowie einer moderaten Nettozuwanderung von durchschnittlich 290 000 Personen pro Jahr würde die Bevölkerung bis 2031 auf 85 Millionen Menschen anwachsen und dann bis 2070 auf 83 Millionen zurückgehen. 
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_511_124.html

Der dicke Bauch (rechte Grafik) verteilt sich zwar über mehr Länge,
 lastet aber dadurch auch auf immer dünneren Beinen



Sollen sich die Generationen, die dieses Land nach dem Krieg nicht nur aufgebaut, sondern auch mit Nachhaltigkeit wieder vereint haben, denn in Luft auflösen, wie es Stadt- und Radweg-Planer gerne hätten? Oder verbannt man sie unproduktiv und konsumschwach in ein Abseits aufs Land?
Die Straßen werden immer schmaler, die Radwege immer breiter, aber die Radler auch immer schneller  und rücksichtsloser. Wer möchte sich angesichts des wachsenden Heeres der Radel-Rambos jenseits der 70 trotz E-Bike noch in den Sattel schwingen? Für Autos aber gibt es
 ja in den wirtschaftlich bald zu Tode verkehrsberuhigten Städten immer weniger bezahlbare Parkplätze. Das 29-Euro-Ticket im ÖPNV lohnt sich aber nur für solche, die es noch mehr als die Hälfte der Tage nutzen können. Bezeichnender Weise soll es ab Herbst in Bayern (Wahlkampf!) ein reduziertes Jugend-ticket geben. Eines für Alte ist jedoch nicht angekündigt

Nur ein Beispiel: Wenn meine Frau und ich zu den Kindern in die Münchner Innenstadt wollen, kostet uns das für Bus, Tram oder U-Bahn acht Streifen a 1,63 Euro hin und zurück. 13,04 Euro also, die sogar mit Parkgarage und Benzin immer noch lässig unterboten werden...

Unsere Hausbank - einst in Geh-Nähe - hat so viele Filialen dicht gemacht, dass wir ohne Auto nicht mehr zu einer hinkommen würden. Computerbanking, das dankenswerter Weise für uns die Tochter erledigt, trauen wir uns wegen zunehmender Schusseligkeit und Angst vor Fehler, die dabb durch Hacking bestraft werden, nicht mehr zu. Bargeld holen wir uns jetzt beim Einkauf in den Lebensmittel-Filialen on top. Schöne, neue Welt, in der wir uns dann aber fragen, wieso wir eigentlich noch nach sechs Jahrzehnten als Kunden für ein computergeführtes Nichts an Service Kontogebühren berappen?

Auch da noch Löhnen?
Quelle: Karrierebibel
Grob geschätzt kann in Deutschland ein Viertel der Rentnerinnen und Rentner nicht mehr von der Rente leben, weil ihr monatliches Nettoeinkommen unter 1000 Euro liegt. Zwölf Prozent der 65- bis 75jährigen bleiben daher erwerbstätig und sind geradezu gezwungen, den jungen Menschen durch ihre noch gebrauchte Sach- und Fachkenntnis die Aussicht auf einen Job zu verringern.

Ist der Staat schuld, wenn es darum geht, uns Alten die Daseinsberechtigung abzusprechen? Jahrzehnte lang hat sich die freie Demoskopie mehr darum gekümmert, Regierungen gut aussehen zu lassen, um schwere Rechenfehler zu vertuschen,
Die Wiedervereinigung war viel zu schnell und hat eben im Schatten doch mehr gekostet, als man sich eingestanden hat. Und dann noch die Einführung des Gleichmachers EURO, die derart Schnell eine Preisverdopplung erzeugt hat, dass die Renten eben in punkto des daraus resultierenden Kaufkraft-Verlustes mitgerissen  wurden. Kein Wunder, dass im Osten diese kuriose DDR-Nostalgie nicht verschwindet. Da war für Linientreu das Alter und die Rente auf Gedeih und Verderb gesichert. Mit der BRD ist die ihnen versprochene Renten-Gleichheit nach mehr als drei Jahrzehnten noch immer nicht erreicht....

Ein "schrecklich" guter Film hat vor drei Jahrzehnten schon die Daseinsberechtigung alter Menschen für das Jahr 20223 futuristisch behandelt:

"Soylent Green" hatte am 9. Mai 1973 Premiere. Die Hauptrolle spielte zum Heulen der unvergleichliche Edward G. Robinson in seinem letzten Rolle bevor er noch im selben Jahr starb. Regie führte Richard Fleischer zum Drehbuch aus dem adaptierten Roman "New York 1999" von Harry Harrison. Wenn ihr ihn bis zum Ende durchhaltet, möchtet ihr vielleicht glauben, wir kämen bei der Prophezeiung 50 Jahre später in Wirklichkeit doch noch ganz gut weg...

Richard Fleischer 
1916 - 2006
Quelle: EPD Film

Ei was schwimmt denn da? Es ist lecker Soylent Green - aus den Armen für die Armen...
Quelle; Arizona State University


Edwaard G. Robinson
1893 - 1973



Freitag, 12. Mai 2023

Keine Ahnung von den Ahnen


Gustave Doré
1832 -883
Dieser Tage fiel mir mal wieder eine unserer wenigen bibliophilen Kostbarkeiten in die Hände: Ein Foliant mit tiefblau geprägten Buchdeckeln. Drinnen Deutsche Märchen mit Radierungen des berühmten französischen Malers und Grafikers Gustave Doré. Auf dem Vorsatzpapier war die Widmung für meine Urgroßmutter zu Weihnachten 1873. Im Vorwort rechtfertigt sich der Herausgeber, wieso er für Deutsche Märchen ausgerechnet einen französischen Illustrator ausgewählt hat. Frankophil war man da noch nicht wieder. Das Buch wurde ja bereits ein Jahr nach dem Sieg der Preußischen Truppen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871  aufgelegt (#"Leipzig Einundleipzig"). Aber darum geht es in diesem Post gar nicht.

Quelle: pinteerest
Erst durch die Widmung aus dem Geburtsjahr meines Großvaters väterlicherseits wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, dass die Kenntnis von meiner Familiengeschichte gerade mal zwei Genrationen weit reicht. Das gilt auch für die mütterlicherseits. Dass meine heiß geliebte "Mömi" den selben Vornamen hatte wie ihre Schwiegermutter, nämlich Anna, weiß ich erst, seit ich diese 150 Jahre alte Widmung in Sütterlin-Schrift mit Mühe entschlüsselt habe. Dabei musste ich diese Deutsche Schreibschrift noch im Fach "Schönschreiben" lernen - genauso wie ich noch oft Bücher in Deutscher Fraktur lesen musste...
Quelle: Typografie info


Auf dem Titel hat es für die französische Schreibweise "Gustave"
nicht gereicht, dafür im Vorwort für die Distanz der siegreichen Deutschen...

Im Vergleich zu manschen Völkern in Ostasien aber auch bestimmten Landsmannschaften in den USA, die ich auf meinen Reisen traf, habe ich keine Ahnung von meinen Ahnen. Dabei haben wir einen Stammbaum, den ein Namensvetter aus Berlin in Jahrzehnte langer Recherche bis hin zum Urahn Mattheis aus dem Erdinger Moos bei München fürs Fortschreiben aufgezeichnet hat. Er hat auch dafür gesorgt, dass es in meiner Jugend noch "Familien-Tage" gab, zu denen Deutelmosers aus allen Regionen Deutschlands und Übersee anreisten.

Unsere Kinder hatten zumindest noch das Glück, dass sie meine Eltern einige Jahre begleiten konnten. Von den Eltern meiner Frau war lediglich noch die heiß geliebte, dadurch aber auch bis ins Teenager-Alter stark frequentierte Oma Anneliese präsent. Was für eine Glück, dass alle im Bereich München und Oberbayern ansässig waren.

Mein Enkel kennt seine Nepalesischen Großeltern, Onkel und Tanten vor allem wegen Corona bislang nur via Internet. Jetzt geht er schon zur Schule. Ob er sie deshalb mal in natura trifft, und sie ihm dann, wie es der hinduistischen Tradition entspricht, von den Ahnen erzählen können, hängt davon ab, ob er die Sprache von seinem Vater noch weiter erlernt oder zumindest dann Englisch beherrscht. Mit seiner Muttersprache käme er im Himalaya nur beim Trecking weiter...

Aber wenn er dereinst vielleicht das digitale Erbe seines Großvaters verwaltet, bekommt er zumindest eine Ahnung, von den vier ihm hier voran gegangenen Generationen:

Opa Erhard war Begründer des staatlichen
Pressewesens. "Mömi" war eine Legende - nicht
nur an der Tischtennis-Platte. sondern vor allem
wenn sie bei Berliner Events mit ihrem
Mercedes SS "Excalibur" vorfuhr


Der Kette rauchende Opa  "Chang" (unten rechts) war ein
 verwegener Herrenfahrer und Grandseigneur, was ihn bei seinem Enkel zum Idol
machte. Oma "Marieschen" hingegen
 galt als Nervensäge,
von der ihre einzige Tochter Ruthchen (im Vordergrund) immer sarkastisch
meinte, es wäre wohl besser gewesen, wenn "Chang" (siehe oben)
nach ihrer Geburt "Mömi" geheiratet hätte...





Mittwoch, 10. Mai 2023

Kuschelkrähen

 

Über München entluden sich vor ein paar Tagen Blitze wie aus einem Stroboskop. Dazu waren alle Regenschleusen derart geöffnet, dass es auf den unter uns liegenden Straßen so aussah, als lebten wir an Kanälen. Und immer wieder schüttelten die Gewitter-Böen die Bäume vor dem Glashaus bis an ihre Belastungsgrenze durch.

Noch nie war ich von der Bau-Intelligenz und der Überlebens-Strategie von Tieren derart angetan, wie sie uns in diesen schweren Stunden von der Krähen-Familie vor unserem Fenster demonstriert wurde. Mittlerweile zu fünft ( Siehe Post vom 28. April) kuschelten sich die drei Küken unter die schützenden Flügel ihrer Eltern, die das Geprassel in die lockereren Bereiche des Nestes ableiteten. Wie großartig sie das konstruiert hatten, zeigte sich auch im Starkwind. Es schüttelte gewissermaßen jeden Ansturm lässig ab.

Seit ein paar Tagen versuche ich schon die Familie mal auf einmal einzufangen. Aber wenn die Eltern auf Nahrungssuche sind, ducken sich die täglich wachsenden Krähenkinder mit ihrem immer  noch braunen Federkleid so geschickt und getarnt am Nestboden weg, dass sie auf meinen Bildern nur zu erahnen sind. Ihr müsst mir also glauben, wenn ihr nur einen fütternden Elternteil seht...

So gut getarnt, dass die Drei nur zu erahnen sind


Montag, 8. Mai 2023

Venezianische Verzweiflung

So wäre es ja auch gegangen:
"Digitally Your's" von Claus Deutelmoser
 Nein, Comissario Brunetti kann auf seiner Terrasse bleiben. Dieser Post wird auch kein Abklatsch der Donna-Leon-Romane, sondern das Drama meines täglichen Erwachens.

Wer sich seines malenden Dilettantismus bewusst ist, dem bleiben zum Aufbewahren seiner "Werke" nur die eigenen vier Wände. Und wenn die in München wie in Italien vollgehängt sind - und erst dann - überlegt man sich, ob nicht jemand eines der halbwegs gelungenen Bilder geschenkt bekommen will. Vor allem, wenn sie es  dann auch selber wirklich, wirklich (!) haben wollen...

Vier Dutzend in etwa fanden so an neue Wände. Hinzu kamen tatsächlich auch ein paar "Auftrags-Arbeiten". Nur eines meiner Bilder entwickelte sich aber tatsächlich zum Fluch, und daran ist die fürsorglichste aller meiner Ehefrauen schuld.

Zur Vorgeschichte: Von 1971 bis zur Geburt unserer Kinder reisten wir mit Schwägerin und Schwager jedes Jahr im November nach Venedig. Es war in der damaligen noch vorherrschenden Ausgestorbenheit jedes mal eine Füllhorn romantischer, kulinarischer und sinnlicher Erlebnisse, die wir nach bestimmten Ritualen einsammelten. Mein Schwager war ein begnadeter Zeichner und Maler, der mir mein Dilettieren erst bewusst machte.
Als Venedig sich Anfang der 1980er anschickte, den historischen Carnevale wieder zu beleben, nahm ich ihn zu meiner ersten "Alleinreportage" (Text und Fotos) mit, und hatte dabei den Hintergedanken, ein paar seiner geschwind mit Zauberhand angefertigten Skizzen im Text mit anzubieten. Der Chefredakteur, den ich einige Wochen später ablösen sollte, fand das nicht gut.

Ach hätte ich doch den Mut gehabt,
es noch einmal reduzierend zuzuschneiden
- so wäre es zumindest ansehnlicher gewesen...
Wieder daheim wollte ich mir den Frust von der Seele malen. Aus dem Gedächtnis. Nicht eines meiner Fotos abmalen. Das Ergebnis war eines meiner meistgehassten Bilder. Zunächst hatte ich nicht die Geduld und verwendete Schnelltrockner. Dann hatte ich mir im Größenwahn ein viel zu üppiges Leinwand-Format ausgesucht. Aber das Schlimmste war, dass mir ein typischer venezianische Palazzo trotz mehrfachen Übermalens einfach nicht gelingen wollte. 

Das Drama hatte auf dem Balkon meiner Eltern seinen Anfang genommen und war in deren Keller in Vergessenheit geraten. Als wir mit den Kindern in ein neues Haus zogen, war es plötzlich wieder da. Weil die sieben Meter (!) hohe Wohnzimmerwand ja irgendwie bestückt werden musste, hatte meine Frau das Bild zum Rahmen gebracht. und da hing es jetzt. Und zwar derart, dass ich mein Unvermögen stehend in Augenhöhe hatte.
Beim nächsten Umzug nahm ich das Ungeliebte aus dem Goldrahmen und schnitt einfach das obere Drittel der Leinwand mit dem misslungenen Dach ab, Wieder rechnete ich nicht mit der Hartnäckigkeit meiner Angetrauten. Sie ließ einfach den Rahmen wieder dem neuen "Format" anpassen.
Beim Umzug nach Italien hatte ich noch die Hoffnung, ich könnte das Desaster dort in der Cantina verschwinden lassen, aber die Verbannung hielt nur so lang, bis wir das Appartement im Glashaus reaktivierten.
Da hing es dann so lange prominent über dem Esstisch, bis tatsächlich bessere, spätere Motive" es aus der "Venedig-Ecke" verdrängten. Auf Wunsch und wegen des Haussegens bekam es nun seinen Platz  im Schlafzimmer direkt über dem Kopfende meiner Frau. Wenn sie es so sehr liebt, dann soll es in ihrer Nähe sein! Aber o Ungemach! Weil sie immer früher aufsteht als, bin ich beim Erwachen jetzt jeden Morgen allein mit meinem Versagen konfrontiert, wenn ich auf meiner Schlafseite die Augen öffne...

...aber so grüßt nun nicht täglich das Murmeltier,
 sondern meine hellwache  "venezianische Verzweiflung"

Freitag, 5. Mai 2023

Wenn Angst zu beängstigend wird

 

Ein guter Satiriker kann sich sogar dann noch über die Welt lustig machen, wenn sie droht, unterzugehen. Als ich noch jung und aktiv war, ist das Überwinden von Angst eine gesuchte Herausforderung gewesen. Ich war kein - wie das heute genannt wird - Adrenalin-Junky. Aber ich habe immer genug Botenstoffe ausgeschüttet, um von meinem überwundenen Erwartungsdruck den Kickback zu bekommen. Aber was mache ich heute in dem andauernden Bombardement durch schlechter Nachrichten? Zweieinhalb Jahre Pandemie und bald anderthalb Jahre Krieg in der Ukraine, dazu die ganzen regionalen Katastrophen.  Ich sitze nur noch tatenlos da, wie die Politik durch Lobbyismus immer schmieriger, zynischer und machthungriger wird, um die eigene Ratlosigkeit zu übertünchen, die einen angesichts des "natürlichen" Zustands unseres Erdballs befallen müsste. 

Wir, die Bundesbürger, haben nach Berechnungen von Umweltschützern bereits gestern unsere ökologischen Ressourcen für das gesamte Jahr 2023 aufgebraucht. Dieser symbolische Stichtag wird jährlich vom Global Footprint Network errechnet. Die Deutschen haben also beispielsweise mehr Fisch gegessen, mehr Bäume abgeholzt, mehr Müll produziert und mehr CO2 ausgestoßen als ihnen rechnerisch zur Verfügung steht. Das bedeutet, ab heute leben wir über unsere Verhältnisse. 

Wenn der Welt die Luft ausgeht
Quelle: Filtrieren und Separieren

Die vom Global Footprint sind ja nicht die Einzigen, die ständig neue, beängstigende Berechnungen vorlegen. Alle werden zwar zur Kenntnis genommen, aber im permanenten politischen Diskurs nicht wirklich bekämpft. Weil ja auf die größten Verursacher, die unsere Wirtschaft und damit unser Wohl bestimmen, Rücksicht genommen werden muss.

Wir Alten, die  ignorant oder aus Unwissenheit, diese Erde in diesen Zustand versetzt haben, können perfider Weise genauso wenig dagegen halten, wie die alten Männer, die Weltmächte stur regieren wollen. Hätten die doch endlich meine Ängste!

Denn erst wenn die Angst zu beängstigend wird, kommt jeder Rettungsversuch zu spät...

Entspannen im Grünen. Die Verursacher-Generationen
erleben den Untergang nicht mehr. Was ahnten die schon
von der Welt ihrer Kinder und Kindeskinder?
Quelle: Stadt Oldenburg

Dienstag, 2. Mai 2023

"Deutsche Welle" weltweit

Am 3. Mai 1953 geht der deutsche Auslandsfunk "Deutsche Welle" erstmals auf Kurzwelle rund um die Welt. Der Sender, der in Köln ansässig ist, gilt zwar als "öffentlich rechtlich" wird aber nicht durch Gebühren finanziert, sondern aus Steuergeldern. Das Projekt zur Darstellung Deutschlands in der Welt wurde acht Jahre nach Kriegsende besonders im Osten mit Argwohn verfolgt, behauptet sich aber heute nach 70 Jahren immer noch in einer total veränderten Medienlandschaft.

Das tollste Weihnachtsgeschenk 1955:
Das unkaputtbare Transistorradio
Es war noch in den 1970ern
auf den Weltreisen meiner Eltern im Gebrauch
Die "Deutsche Welle" verstand sich nicht als Konkurrenz zum vielsprachigen  "Radio Free Europe" (RFE) oder das allein in Englisch sendende "American Forces Network" (AFN). Der Sinn war, wie es "Norddeich Radio" für Hörer auf hoher See schon seit den 20er Jahren anbot, Deutschen in aller Welt eine Art akustische Heimat zu bieten.

Im Zeitalter von Internet, Smartphones und alles an TV weltweit empfangenden Satellitenschüsseln, sind meine Kindheitserinnerungen natürlich nur noch romantisch. Bei all den abenteuerlichen Reisen, auf die uns die Eltern mitnahmen, hatten wir seit 1955 ein kleines, blaues Transistorradio dabei. Meine älteren Schwestern, die schon Englisch sprachen, haben vermutlich nicht verstanden, weshalb ich im dunklen Zelt so gerne auf Wellensuche ging, während sie lieber Musik gehört hätten. Aber zwei Jahre bevor der erste Satellit die Erde umrundete, hatte ich schon so ein intergalaktisches Schaudern, wenn der rote Zeiger über die Länder auf der Leuchtskala wanderte und ich mitten im vielsprachigen Rauschen Piepsen die beruhigende Kennung hörte "hier ist die Deutsche Welle". 

https://www.dw.com/de/dw-radio/s-705

Heute hat die "Deutsche Welle" weltweit rund 4000 Mitarbeiter, Radio-Sendungen gibt es zwar immer noch, aber das vielfältige digitale Angebot an Downloads und Podcasts wird natürlich mehr frequentiert. Vor allem zum Deutsch lernen.
Zwar ist das Angebot in mittlerweile 30 Sprachen nicht unpolitisch, aber stets um Objektivität bemüht. Das reicht beim Eingriff in die Medienfreiheit durch undemokratische Staaten aber wohl nicht mehr aus. Im vergangenen Jahr sperrte die Türkei die digitalen Medien der "Deutschen Welle" aus, um eine strenge Lizensierung zu erpressen...