Die Grünen verlangen, dass es ein dauerhaftes Recht auf Home-Office geben soll, und auch Kanzlerkandidat Scholz will vom digitalen Arbeiten vom zuhause nicht ablassen, zumindest solange die Pandemie nicht vollkommen gebannt ist.
Meine Tochter und mein Sohn haben beide ihre Arbeit so angelegt, dass sie Home-Office schon lange praktizieren - wenn auch mit anderen Vorzeichen: Meine Tochter war schon vor der Pandemie als digitale Heimwerkerin angestellt, mein Sohn bedient schon immer selbständig diverse Kunden als Administrator und Redakteur. Möglicher Weise arbeiten sie dabei aber mitunter mehr, als sie bezahlt bekommen...
Sie würden das dennoch nicht ändern wollen, weil sie beide das Mehr an freier Gestaltung der Arbeitszeit schätzen gelernt haben. Sie sind bisher weitgehend unbeschadet durch die Pandemie gekommen. Mein Enkel, der nicht in seine Kita konnte, hatte gerade in der Vorschulphase das Privileg, soviel von seinen Eltern zu haben, wie vermutlich nie mehr beim Heranwachsen. Denn sein Vater war ja durch Corona als Koch kaltgestellt und kümmerte sich, wenn seine Ehefrau im Netz unabkömmlich war.
Kein Zweifel diese Konstellationen sprechen eindeutig für das Home-Office, aber die sind ja auch "organisch" gewachsen und dienen Arbeitgebern in der Zukunft etwa nicht zum Abwälzen von Kosten. Eine Agentur in Düsseldorf, für die ich einmal vor langer Zeit gearbeitet habe, ist durch die Pandemie auf den Trichter gekommen, sich von den teuren, da angemieteten Großraum-Büros zu trennen. Das gesparte Geld wurde in digitale Aufrüstung der Mitarbeiter daheim und deren verbesserte Gehälter investiert. In Gruppen-Chats mit "Silent Sessions" wird der dringend benötigte "Team Spirit" generiert; schöne neue Welt eben.
Weitere, gute Argumente: Das nicht mehr erforderliche Pendeln zum Arbeitsplatz entlastet die Umwelt und den Energie-Bedarf. Das immer raffinierter werdende virtuelle Ausrichten von Konferenzen verringert die berufliche Vielfliegerei, und die Präsenzpflicht - auf ein Minimum herunter geschraubt - mindert die Zahl der Krankschreibungen. Das war schon während der Pandemie so überraschend. Die Angst vor Arbeitsplatz-Verlust daheim wächst aber, denn die Rechtsgrundlage hinkt - wie immer - der rasanten digitalen Entwicklung hinterher.
Quelle:mlp.de |
Womit wir bei möglichen negativen Auswirkungen eines dauerhaften Home-Office wären:
Home-Office isoliert zwar nicht, aber reduziert die Zahl menschlicher Direktkontakte. Da mögen die Dating-Apps zwar jubeln, aber bislang war der Arbeitsplatz ein wichtiger Heiratsmarkt oder eine wichtige Kontaktbörse.
Das Hamburger Meinungsforschungs-Institut Gewis fand heraus, dass jeder Fünfte (18Prozent aller Arbeitnehmer) am Arbeitsplatz schon mal eine Beziehung hatte und davon jeder Vierte das "Gschpusi" dann auch geheiratet hat. Wer nicht mehr zum Arbeitsplatz pendelt, dem entgehen zahlreiche weitere Möglichkeiten des "Anbandelns": an der Ampel, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder draußen in der Mittagspause...
Immer im Verdacht der Übergriffigkeit, aber für die Gesellschaft wichtig: Das Anbandeln am Arbeitsplatz quelle: computerwoche.de |
Wenn die Kids der Home-Officer unter den möglichweise angespannten Verhältnissen der Arbeitswelt zuhause sich auch in einer nachhaltig veränderten, digitalen Schul-Struktur behaupten müssen, ist da bald keine Empathie mehr für nicht Vernetzte. Statt Gesellschafts-Spiele mit alten Tanten, Opas und Omas wird die Welt der Isolation im "Gaming" fortgesetzt.
Ein digitaler Chat mit den Großeltern ersetzt keine liebevolle Umarmung und schon gar nicht den direkten Umgang mit der Generation der Älteren Quelle: typisch.hamburch.de |