Sonntag, 4. Januar 2015

Serien-Sucht

Manchmal fragt sich der brave Gebühren-Zahler schon, ob das was ihm erzwungener Maßen öffentlich rechtlich geboten wird, die Zwangserhebung überhaupt wert ist. Wenn während der Feiertage Andi Borg gegen Helen Fischer zur besten Sendezeit  im Ersten und Zweiten gleichzeitig gegeneinander antreten und die Dritten olle Kamellen bringen, ist der Zweifel an dem Argument der Qualitätssicherung, für die angeblich bezahlt wird, mehr als begründet.

Nachrichten sind auf den Privaten nicht unbedingt schlechter und genauso manipulativ, wie die jeweilige Richtung aus der sie "gesendet" werden. Ohne Internet gäbe es keine wirklich Nachrichten-Vielfalt mehr. Und seien wir mal ehrlich, die meisten machen sich gar keine Mühe mehr, selbst den kritischsten Sende-Inhalt mit eigenen Ansichten zu hinterfragen. Viel zu spät sind alle Medien in der Breite systematisch dagegen vorgegangen, den PEGIDA-Schwachsinn zu entlarven. Die kostbare Sendezeit wurde eher damit belastet, bloß zu sagen, dass es immer mehr verwirrte Anhänger gibt, die man dann auch noch zu Wort kommen ließ.

Die breite Masse bringt Einschaltquote. Die breite Masse geht nicht mehr wählen. Die breite Masse konsumiert.

Das verändert Seh- und Hör-Gewohnheiten. Allein dadurch erklärt sich aber der Erfolg sogenannter Portale nicht. Wieder einmal sind uns die Amis da mittlerweile um einige Jahre voraus und entwickeln grandiose Strategien. Manche hochwertige Filmproduktion kommt gar nicht erst in die Kinos. Serien werden en Suite ohne Werbung abgerufen, Musik eigens für den individuellen Bedarf gemixt.

Zeit meines Lebens habe ich in meinem Gehirn ein großes Stoppschild an der Überschreitung von Grenzen zur Sucht stehen gehabt; gleichgültig, ob das Alkohol, Zigaretten oder sonstige Drogen waren. Aber seit meine Kinder mir den Zugriff zu so einem Portal ermöglicht haben, verkomme ich zum Serien-Junkie. Bei dem Mistwetter kam mir das zunächst wie  eine Rettung vor, Deshalb merkte ich auch nicht, wie ich über die Grenze geriet.

Serien, die auf den Privaten laufen und bei denen ich bislang weiter gezappt habe, ließen sich auf einmal unaufhörlich am Stück konsumieren und schlichen sich dadurch sogar in die nächtliche Gedanken-Welt. Ob ich wollte oder nicht, Ich begann mit den Protagonisten auch bei abgeschaltetem Computer weiter zu leben. Solange meine Gedanken noch funktionieren, wollte ich diesem Phänomen auf die Spur kommen und lernte - wieder aus dem Internet -, dass ich nicht der Einzige bin, der diese unterbewusste Erfahrung macht. Die Fachleute haben auch schon einen Namen dafür. sie nennen das binge watching, was im Deutschen natürlich gleich spektakulär als Koma-Gucken übersetzt wird.

Wer seinen Verstand aber nicht ans Koma verliert, sondern über Auswirkungen nachdenkt - was die breite Masse eben vermutlich nicht tut - erkennt ein Potenzial für gesellschaftliche Gefahren.

Nacheinander habe ich mir folgende, großartig gemachten und glänzend gespielte Serien angeschaut:

House Of Cards: Wie ein politischer Manipulant und Mörder Präsident der Vereinigten Staaten wird.

Breaking Bad: Ein braver Chemie-Lehrer steigt wegen einer Krebs-Erkrankung zum rücksichtslosen Christal-Meth-Kocher auf.

Orange Is The New Black: Ein Upperclass-Girly gerät wegen eines Klein-Deliktes in die Brutalität des Strafvollzugs und passt ihr Verhalten den Kriminellen an.

Sons of Anarchy: Ein Biker-Club mutiert in einer kalifornischen Kleinstadt zur Killer- und Dealer-Bande.

Alle Serien weisen bei analytischer Betrachtung ein ziemlich perfides Muster auf:
Die Helden agieren zunächst so grenzwertig, dass man für ihre Situation Verständnis hat und sie sogar so sympathisch findet, dass man um sie bangt, wenn sie "gezwungener Maßen" exzessive körperliche Gewalt ausüben, Schusswaffen tödlich einsetzen und unter heftigen Umarmungen, Liebesbeteuerungen und Schwüren vorgeben, nur ihre jeweiligen Familien beschützen zu wollen. Unterstützt werden sie dabei von dem generellen Eindruck, dass das wahrhaft Böse auf der Seite korrupter Polizei und Strafermittlung lauert.

Kopfschüsse werden zum Tagesgeschäft, zerschlagenen Gesichter ziehen sich über mehrere Folgen hin. Längst ist "der Rubicon der Duldsamkeit" überschritten, aber am Stück kann er nicht aufhören, möchte der Zuseher doch wissen, wie sich das alles auflöst...

Mich wundert da der rücksichtslose Schusswaffen-Gebrauch auf beiden Seiten der US-Gesellschaft nicht mehr. Wir könnten uns trösten damit, dass ja alles Fiktion ist, und weil so etwas bei uns ja  gar nicht ginge.

Und auch nie so weit kommen könnte?

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