Ich will gar nicht mehr auf den vergangenen Wahlkampf abheben, obwohl der so "amerikanisch" war wie keiner seit Geburt und Wiedervereinigung dieser Republik. Amerikanisch bedeutet in diesem Fall, dass die Verunglimpfung des politischen Gegners Vorrang vor der Auseinandersetzung mit dem Inhalt seiner Programme hat.
Wenn es den "Spindoctors" aus dem Umfeld der Kandidaten gelingt, den Gegner wegen Kleinigkeiten zu disavouieren, erledigt die Journaille schon den Rest und die Meinungsforscher in deren Diensten machen flugs einen Trend daraus: Dann ist einer schnell pädophil, oder ein altersdebiler Sexist, ein respektloser Stinkefinger-Zeiger, ein militanter Vegetarier, weil ja auf schwule Amtsaspiranten nicht mehr eingeprügelt werden darf. Dafür hat allerdings nicht eine alltägliche Toleranz gesorgt, sondern die überproportional in Dayli Soaps als "Kolorit" vorkommenden Schwulen, die uns Demokratie-Dödeln vorgaukeln, Gleichgeschlechtliches sei tatsächlich in der Gesellschaft als normal angekommen. Dabei sind Ressentiments doch auf dem Vormarsch, wie wir jedes Wochenende in diversen Stadien aber auch einigen Nachbarländern der Euro-Zone mit zunehmender Rechtsradikalität erleben.
Jetzt wäre es leicht auf den sich verkettenden Journalismus einzuprügeln, aber die gewaltige Krise in die dieses Berufsbild geraten ist, wird ja nicht durch mangelnde Qualität im Handwerk geprägt. Das ist ja die Perfidie! Es sind die Rahmen bedingenden Abhängigkeiten. In einer Zeit, da so viele Redaktionen dicht gemacht, zerteilt oder eingedampft werden, in der Print durch schrumpfende Werbe-Erträge und digitale Konkurrenz auf die Unrentabilität zusteuert, schreibt jeder einzelne ums Überleben. Da wird kein Tenor mehr geprägt, sondern es gibt nur noch einen Level. Nur wenigen Kolumnisten ist es da noch vergönnt, ihre Häupter aus diesem Brei zu erheben, aber dann sieht man sie auf Ehren-Tribünen oder im Umfeld erlesener Geladener und weiß, dass das bestimmende Netzwerk sie längst korrumpiert hat.
Damit mein Geschreibsel nicht ganz so kryptisch rüberkommt, möchte ich zwei aktuelle Trendbeispiele nennen, über die der geneigte Leser sich vielleicht selbst Gedanken machen möchte:
1. Vor etwas über fünf Jahren hatte der DAX schon mal die magische 9000 im Visier. Die dem kleinen Mann suspekte Aktie erlebte eine beinahe noch nie da gewesene Begehrlichkeit. Jetzt wird die Aktie wieder in den einschlägigen Gazetten und Formaten als ideale Anlagemöglichkeit hoch gejubelt, obwohl die Rahmenbedingungen für dauerhafte Stabilität sehr viel schlechter sind als zu Beginn der letzten Finanzkrise (US-Haushaltssperre, weltweite Staatsverschuldung und Bankrott-Bedrohung des Euro-Raumes). Wer heizt die Kurse an und wer verdient an der nächsten Finanzkrise, die so sicher ist, wie das Amen in der Kirche?
Eine Regulierung der Finanz-Märkte steht ja weiterhin nicht wirklich auf der Agenda.
Eine Regulierung der Finanz-Märkte steht ja weiterhin nicht wirklich auf der Agenda.
2. Der "stern", unter Henri Nannen einst eine Bastion des deutschen Journalismus, wurde vor der Wahl nicht müde, Denkansätze für einen Politikwandel im Keim zu ersticken - nur damit Mutti nicht beschädigt wird. Kaum ist die Wahl vorbei und in puncto Regierbarkeit dieser Nation ein echtes Debakel entstanden, thematisiert diese moralisch so verkommene Illustrierte überhöht auf einmal Themen in der aktuellen Ausgabe, die sie vorher geschickt diskreditiert hat: Ein Titelbild zu der Story die vegetarische Ernährung hochjubelt und unseren zu hohen Fleischkonsum kritisiert (Veggie Day?!). Und dann dürfen noch Promis aus bedrohlich wirkenden, schwarzweißen Porträts Schlagwort-Forderungen an eine kommende Regierung formulieren, die ja allesamt eigentlich Inhalt eines anderen politischen Kurses gewesen wären...
Und schon wird allenthalben in der Vernetzung behauptet, das Deutsche Volk hätte die Große Koalition gewählt. Das stimmt aber so nicht. Das Volk hat Angela Merkel gewählt, nur, dass es der für Weitermoderieren nicht mehr reicht. Alleine etwas anzupacken und die "Raute" ihrer gefalteten Hände aus dem Schoss zu nehmen, wird von ihr verlangt, aber wohl nicht geliefert: Die Ohnmacht der Allmacht - wenigstens das vereint sie mit ihren schreibenden Speichelleckern....
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