Freitag, 11. Oktober 2013

Achtung! Oma und Opa auf der schiefen Bahn

Nein, nein das war offenbar kein Hörfehler, der mich da nächtens vorgestern bei den Spätnachrichten ereilte. Da hieß es nicht etwa: Mehr Achtung für Oma und Opa! Vielmehr war das ein Hinweis auf die dramatische Zunahme der Alterskriminalität.

Leute in meinem Alter seien immer häufiger in massive Straftaten verwickelt – und zwar nicht wie bisher überwiegend als Opfer, sondern als Täter von zunehmender  Skrupellosigkeit. Bei der Motiv-Suche rangierte natürlich an erster Stelle die viel zitierte galoppierende Altersarmut; also die nur von unserer Dauer-Kanzlerin in Frage gestellte Tatsache, dass nach lebenslanger Arbeit, die Rente ohne zusätzliche Aushilfsjobs hinten und vorne nicht mehr reicht…

Andere Motive seien Lebensverdrossenheit durch den Verlust von Perspektiven.
Entweder ich habe es im TV-Schlaf schon verdöst oder sie ist als Auslöser noch nicht erforscht: Die grenzenlos wachsende Wut aufgrund einer Wehrlosigkeit bei perfiden Abzockungsversuchen im Alltag älterer Menschen.

Ich jedenfalls habe eine Woche hinter mir, die mein ansonsten friedfertiges Wesen in seinen Grundfesten erschüttert hat und die mich im allnächtlichen Schlafloch wüste Phantasien von Drive-by-Shootings oder Bombenwerfen durchleben lässt.

Beispiel 1: Noch vor Wochen in der Zweitheimat sitze ich auf einer Klippe am Meer und träume. Da klingelt mein Handy:
„Ja, lieber XY-Kunde, wir haben  gerade festgestellt, dass Sie ja immer noch Ihr altes Modem nützen, obwohl wir ja jetzt diesen fabelhaften Glasfaser-Highspeed-Router bei Ihnen installieren könnten.
„Also, das klingt ja ganz interessant, aber Ihr Angebot trifft mich hier in Italien. Ich bin gerade beim Wellenzählen und muss mich deshalb ganz arg konzentrieren. – Ach, außerdem mache ich keine geschäftlichen Dinge am Telefon. In vierzehn Tagen bin ich wieder in München. Sie können mir das ja dann schreiben…“

Kaum war ich mit dem Koffer durch die Tür ereilt mich in München der nächste Anruf;
„Ja, ich bin’s noch mal“, flötet die nette Dame mit dem heimeligen Hamburger Singsang. „Dieser Glasfaser-Router hat nicht nur ein irrsinniges Tempo, sondern auch eine Telefon-Flatrate inklusive. Dazu bekommen Sie drei Monate kostenlose Nutzung. Aber das Tollste – wenn Sie Besuch haben, können sich bis zu vier Personen zusätzlich einloggen. Das ganze für nur 4,50 Euro mehr pro Monat.“
„Aber… Sie können doch sicher sehen, dass ich schon alt bin und viel mehr Geschwindigkeit im Netz gar nicht mehr verkraften kann...“

Ehrlich gesagt, sie war nett, und ich wollte sie eigentlich nur loswerden, deshalb willigte ich ganz gegen meine sonstigen Gepflogenheiten ein. Ein riesiger Fehler, denn ich löste damit eine Ketten-Reaktion modernster Fehlleistungen aus, die mich bis gerade eben kurz vor dem kompletten Nerven-Zusammenbruch auf Trab gehalten hat.

Vor einer Woche kam das Modem ohne Vertrag. Der erläuternde Begleitbrief  lag erst vier Tage später im Briefkasten. Da hatten meinen Sohn und ich schon versucht, das neue gegen das alte Modem auszutauschen. Die nette Dame von der Marketing-Abteilung für "Gerontos" hatte ja gemeint, das könne man ohne technische Hilfe selber machen. Am Ende gingen beide Modems nicht mehr. Seit Tagen war ich ohne Netz und schrieb meine Blogs daher auf Vorrat, denn zurück rufen kann man das Callcenter natürlich nicht, und die Hotline kostet zwei Euro pro Minute in der zehnminütigen Warteschleife, weil ich einen Handy-Vertrag von einem anderen Provider habe. Der eigene XY-Montagedienst, der ja eigentlich nicht nötig wäre, löhnt 69 Euro - erfuhr ich aus der Packungsbeilage

Eine andere nette Dame in der Kunden-Chatline schickt uns daher dann einen Mann von der Telekom vorbei, weil sie einen Schaltfehler diagnostiziert hätte. Während der unterwegs ist, erreicht mich eine SMS, ich solle das zugesandte Gerät ja nicht anschließen, weil ich ein falsches bekommen hätte. Der Telekom-Mann sagt dann aber, dass das Gerät doch das richtige sei. Aber es mache jetzt  keinen Sinn mehr, noch ein altes Modem vor der Freischaltung für das neue zu installieren. Dann ruft wieder einer von der Technik-Abteilung des Providers an und sagt nach den zwei Dutzend Fehlversuchen meinerseits: “Schön, dass ich Sie endlich erreiche. Also, es ist alles in Ordnung…“

Ich hatte aber immer noch kein Netz – kann also noch nicht einmal Cyber-Mobbing  auf den Provider ausüben.

Was macht einer ohne Netz?

Beispiel 2: Er sagt - die Zeit nutzend - Leuten die Meinung, die es längst schon einmal verdient gehabt hätten – nämlich seinen Bank-Beratern. Die melden sich zwar einerseits  jedes Mal mit Anlage-Tipps, wenn das Konto nur einen Hauch im Plus ist, aber haben andererseits ganz offenbar übersehen, dass ein von ihnen einst in höchsten Tönen gepriesenes Langzeit-Investment dabei ist, den Bach runter zu gehen.

Wieder ein schwerer Fehler.

Hat schon mal einer versucht, einen Banker mit unangenehmen Tatsachen zu konfrontieren? Zu zweit erwarten sie dich und haben auf jedes vorgebrachte Argument ein doppelte so gewichtiges  zur Entkräftung.  Und das wird dann in einem Tempo vorgebracht, dass der Schweiß an dir herunter tropft und du die Bank verlässt, als wärst du mit beiden Klitschkos hintereinander über die volle Runden-Zahl gegangen.

Genau in solchen Phasen bedauere ich seit neuestem sehr, dass meine Tage als Hals-und-Beinbruch-Reporter so weit zurück liegen, dass ich noch nicht mal mehr jemanden kenne, der mir – rein theoretisch natürlich - über Nacht eine Kalaschnikow und ein paar Handgranaten besorgen könnte.


Mehr Achtung vor Oma und Opa! Ich kann Euch nur warnen!

Übrigens kam gerade noch eine zweites, völlig identisches neues Modem...

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