Nein, nein das war offenbar kein Hörfehler, der mich da
nächtens vorgestern bei den Spätnachrichten ereilte. Da hieß es nicht etwa: Mehr Achtung
für Oma und Opa! Vielmehr war das ein Hinweis auf die dramatische Zunahme der
Alterskriminalität.
Leute in meinem Alter seien immer häufiger in massive
Straftaten verwickelt – und zwar nicht wie bisher überwiegend als Opfer,
sondern als Täter von zunehmender
Skrupellosigkeit. Bei der Motiv-Suche rangierte natürlich an erster
Stelle die viel zitierte galoppierende Altersarmut; also die nur von unserer
Dauer-Kanzlerin in Frage gestellte Tatsache, dass nach lebenslanger Arbeit, die
Rente ohne zusätzliche Aushilfsjobs hinten und vorne nicht mehr reicht…
Andere Motive seien Lebensverdrossenheit durch den Verlust
von Perspektiven.
Entweder ich habe es im TV-Schlaf schon verdöst oder sie ist
als Auslöser noch nicht erforscht: Die grenzenlos wachsende Wut aufgrund einer
Wehrlosigkeit bei perfiden Abzockungsversuchen im Alltag älterer Menschen.
Ich jedenfalls habe eine Woche hinter mir, die mein
ansonsten friedfertiges Wesen in seinen Grundfesten erschüttert hat und die
mich im allnächtlichen Schlafloch wüste Phantasien von Drive-by-Shootings oder
Bombenwerfen durchleben lässt.
Beispiel 1: Noch vor Wochen in der Zweitheimat sitze ich auf
einer Klippe am Meer und träume. Da klingelt mein Handy:
„Ja, lieber XY-Kunde, wir haben gerade festgestellt, dass Sie ja immer noch
Ihr altes Modem nützen, obwohl wir ja jetzt diesen fabelhaften
Glasfaser-Highspeed-Router bei Ihnen installieren könnten.
„Also, das klingt ja ganz interessant, aber Ihr Angebot
trifft mich hier in Italien. Ich bin gerade beim Wellenzählen und muss mich
deshalb ganz arg konzentrieren. – Ach, außerdem mache ich keine geschäftlichen
Dinge am Telefon. In vierzehn Tagen bin ich wieder in München. Sie können mir
das ja dann schreiben…“
Kaum war ich mit dem Koffer durch die Tür ereilt mich in
München der nächste Anruf;
„Ja, ich bin’s noch mal“, flötet die nette Dame mit dem
heimeligen Hamburger Singsang. „Dieser Glasfaser-Router hat nicht nur ein
irrsinniges Tempo, sondern auch eine Telefon-Flatrate inklusive. Dazu bekommen
Sie drei Monate kostenlose Nutzung. Aber das Tollste – wenn Sie Besuch haben,
können sich bis zu vier Personen zusätzlich einloggen. Das ganze für nur 4,50
Euro mehr pro Monat.“
„Aber… Sie können doch sicher sehen, dass ich schon alt bin
und viel mehr Geschwindigkeit im Netz gar nicht mehr verkraften kann...“
Ehrlich gesagt, sie war nett, und ich wollte sie eigentlich
nur loswerden, deshalb willigte ich ganz gegen meine sonstigen Gepflogenheiten
ein. Ein riesiger Fehler, denn ich löste damit eine Ketten-Reaktion modernster
Fehlleistungen aus, die mich bis gerade eben kurz vor dem kompletten
Nerven-Zusammenbruch auf Trab gehalten hat.
Vor einer Woche kam das Modem ohne Vertrag. Der erläuternde
Begleitbrief lag erst vier Tage später
im Briefkasten. Da hatten meinen Sohn und ich schon versucht, das neue gegen
das alte Modem auszutauschen. Die nette Dame von der Marketing-Abteilung für "Gerontos" hatte ja gemeint, das könne man ohne technische Hilfe selber machen. Am
Ende gingen beide Modems nicht mehr. Seit Tagen war ich ohne Netz und schrieb meine Blogs daher auf Vorrat, denn zurück rufen kann man das Callcenter natürlich nicht, und die
Hotline kostet zwei Euro pro Minute in der zehnminütigen Warteschleife, weil ich einen
Handy-Vertrag von einem anderen Provider habe. Der eigene XY-Montagedienst, der ja
eigentlich nicht nötig wäre, löhnt 69 Euro - erfuhr ich aus der
Packungsbeilage
Eine andere nette Dame in der Kunden-Chatline schickt uns daher dann einen Mann von der Telekom vorbei,
weil sie einen Schaltfehler diagnostiziert hätte. Während der unterwegs ist,
erreicht mich eine SMS, ich solle das zugesandte Gerät ja nicht anschließen,
weil ich ein falsches bekommen hätte. Der Telekom-Mann sagt dann aber, dass das
Gerät doch das richtige sei. Aber es mache jetzt keinen Sinn mehr, noch ein altes Modem vor der
Freischaltung für das neue zu installieren. Dann ruft wieder einer von der
Technik-Abteilung des Providers an und sagt nach den zwei Dutzend Fehlversuchen
meinerseits: “Schön, dass ich Sie endlich erreiche. Also, es ist alles in
Ordnung…“
Ich hatte aber immer noch kein Netz – kann also noch nicht einmal Cyber-Mobbing auf den Provider ausüben.
Was macht einer ohne Netz?
Beispiel 2: Er sagt - die Zeit nutzend - Leuten die Meinung,
die es längst schon einmal verdient gehabt hätten – nämlich seinen Bank-Beratern.
Die melden sich zwar einerseits jedes
Mal mit Anlage-Tipps, wenn das Konto nur einen Hauch im Plus ist, aber haben andererseits
ganz offenbar übersehen, dass ein von ihnen einst in höchsten Tönen gepriesenes
Langzeit-Investment dabei ist, den Bach runter zu gehen.
Wieder ein schwerer Fehler.
Hat schon mal einer versucht, einen Banker mit unangenehmen
Tatsachen zu konfrontieren? Zu zweit erwarten sie dich und haben auf jedes
vorgebrachte Argument ein doppelte so gewichtiges zur Entkräftung. Und das wird dann in einem Tempo vorgebracht, dass der
Schweiß an dir herunter tropft und du die Bank verlässt, als wärst du mit
beiden Klitschkos hintereinander über die volle Runden-Zahl gegangen.
Genau in solchen Phasen bedauere ich seit neuestem sehr, dass meine Tage
als Hals-und-Beinbruch-Reporter so weit zurück liegen, dass ich noch nicht mal
mehr jemanden kenne, der mir – rein theoretisch natürlich - über Nacht eine
Kalaschnikow und ein paar Handgranaten besorgen könnte.
Mehr Achtung vor Oma und Opa! Ich kann Euch nur warnen!
Übrigens kam gerade noch eine zweites, völlig identisches neues Modem...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen