Auf meinen Pförtner habe ich mich mein Leben lang verlassen können. Ich schreibe natürlich von meinem Pylorus, dem Regulator meines Magens, den ich allzu oft in der Vergangenheit durch Völlerei überlastet hatte. Jetzt da ich fast ein Viertel meines alten Gewichts verloren habe, erinnert er mich an alte Zeiten, da er weniger die Magen-Darm-Passage reguliert hat, als durch seine Krämpfe meine Wachsamkeit zu steigern. Es gab Weggefährten, die mich deshalb für überängstlich hielten, aber ich denke im Rückblick, dass mein Muskelring am Magenausgang mir ein ums andere Mal in kniffligen Situationen eine Ahnung signalisiert hat, die ans "Seherische" heranreichte. Dadurch hat er mich oft vor Schaden bewahrt. Bei meinem Treppensturz im vergangenen Sommer allerdings hatte er versagt...
Quelle: medizinfo |
Umso mehr meldet er sich jetzt, da mein Körper noch längst nicht wieder hergestellt ist. Rund um den Jahrestag des nun zwei Jahre andauernden russischen Terrors, habe ich Dokumentationen, Meinungen und Forderungen über mich ergehen lassen, die mir aus verschiedenen Gründe sauer aufstoßen. Nicht etwa weil die nicht berechtigt wären. Mich stört vielmehr die Rolle, die wir Deutschen dabei spielen sollen oder wollen. Wieso wird ausgerechnet ein Volk gedrängt Wort-Führerschaft zu übernehmen, das die Welt selbst mit zwei verheerenden Kriegen ähnlicher Ruchlosigkeit global erschüttert hat?
Quelle: Deutschlandfunk Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hält den "Taurus" für einen "Game-Changer". Wenn daraus bloß mal kein Bumerang wird... |
Mit dem Brustton der Überzeugung wird da von Befugten und sogenannten Experten, die nie in einen verwickelt waren, behauptet, dass die Ukraine den ungleichen Krieg gewinnen kann. Die gleichen Stimmen fordern noch mehr Ausgaben für zu liefernde Rüstungsgüter, obwohl sie andererseits jeden Vorschlag ablehnen den maroden Haushalt zu konsolidieren. Ganz schlimm aber sind jene, die von rechts außen mit Putin liebäugeln oder ihm zumindest konstatieren, dass der Westen oder besser Europa eine Teilschuld an den derzeitigen Verhältnissen trüge. Die Bedrohung durch diesen unfairen und völkerrechtswidrigen Krieg überhaupt für innenpolitische Vorteilsnahme zu benützen ist allein schon schäbig. Die Regierung aber durch perfide Meinungsmache in Waffenlieferungen zu zwingen, die die Verteidigung der Ukraine in einen sanktionierten Angriff auf Russland verwandeln könnte, ist existenzbedrohend für Europa. Ein möglicherweise wieder gewählter US-Präsident Trump hat ja schon angekündigt, in der aus seiner Sicht obsoleten NATO, die USA nicht länger als Schutzmacht für alle Mitglieder zu sehen. Kein Wunder, dass da dem Baltikum schon jetzt die Spucke wegbleibt.
Was ist, wenn die Ukraine Russland zum Opfer fällt? Wie kann sich Europa an seinen Rändern dagegen wehren, dass sich das Putin-Regime unter fadenscheinigen Hinweisen auf geschichtliche Gegebenheiten der untergegangenen SU einen Staat nach dem anderen wieder einverleibt. Aus Putins narrativer, historischer Perspektive gesehen, standen doch die einstige DDR und Ost-Berlin ach unter deren Hegemonie...
Die Schwäche des Westens ist seine Phantasie von einer friedlicheren Welt mit gleichen moralischen Grundsätzen. Der Pazifismus im Denken hat die Verteidigungsbereitschaft seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" auf eine nun bedrohliche Unterversorgung reduziert. Auch ich muss gestehen, dass mein aktiver Pazifismus lediglich das Privileg eines während sieben Jahrzehnten friedlich nassauerndem Wohlstandsbürgers war.
Quelle: wikipedia Sein geschichtliches Narrativ von der einstigen Supermacht UdSSR - das ist, was Putin vermutlich nicht aufhören lässt https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetunion |
Um auf meinen Pylorus zurückzukommen: Die westliche Welt könnte sich seine Funktion im menschlichen Organismus zu eigen machen. Bei Ruhe bleibt er geschlossen, mit der Überlastung des Versorgungsorgans rumort es im Darm und führt zu Schädigungen des gesamten Systems. Es bleibt nichts anderes übrig, als sich alle Zeit der Welt zu nehmen, um die organische Funktion wieder herzustellen. Wie unser Kanzler sagt, stehen wir der Ukraine bei, so lange wie es nötig ist und versorgen sie mit allem, was sie zur Verteidigung braucht. Wenn die USA nicht mehr mitmachen - auch gut! Das ist die schmerzhafte aber womöglich andauernde Stärkung Europas. Ein Spiel auf Zeit also, denn die haben eben weder die Russen noch ihr selbstherrlicher "Zar der Neuzeit" unbegrenzt.
Putins Spiel mit der Angst muss von jedem Bürger Europas auch mental in ein Spiel auf Zeit umgewandelt werden. Nur so wäre eine atomare Eskalation zu vermeiden. Nicht Falken und Tauben sind da gefragt, sondern Strategen und Denker!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen