Die letzten 48 Stunden habe ich mit den üblichen kleinen Unterbrechungen schlafend verbracht. Es war kein erholsamer Schlaf. das kann ich versichern. Irgendein Morbus ist von meiner Frau nächtens zu mir rüber gehüpft, Während die Fürsorglichste allein schon wegen ihrer Fürsorglichkeit die Symptome relativ schnell kompensieren konnte. Steigerten sie sich bei mir bis an den Rand des Nirvanas.
Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen ok, aber was sich an der Oberfläche des Tiefschlafs breit machte, war eine Höllen-Tortur wie aus Dantes Inferno. Traumsequenzen in Sekundenbruchteile zerhackt ließen mir gar keine Chance, sie tiefer ins Bewusstsein eindringen zu lassen. Am schlimmsten waren die Kartenreihen einer Patience, die sich immer aufs neue aufbauten. Als am Morgen die Karten in meinem Kopf endlich verschwunden waren, forderten die Traumsequenzen, Ordnung in merkwürdigen Büros und Zimmern zu schaffen Auch hier konnte ich so oft beginnen, ohne ein Ergebnis zu erzielen.
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Heinrich Heine litt an Rheuma. Die moderne Medizin unterscheidet mittlerweile mehr al 200 Varianten und kann sie daher mit gezielter Schmerztherapie behandeln Quelle: wikipedia |
Dann fiel mir mal wieder einer meiner Lieblingsdichter ein: Heinrich Heine. Schier endlose neunen Jahre war er so bettlägerig, dass er ausgerechnet in Paris von 1848 bis 1856. Also das könnte mir nicht passieren. Ich wollte gerade mit einer Zeit und Raum übergreifen Standpauke beginnen, als mir die erste Stufe meiner Kompensation
* bewusst wurde. Ich hatte ja auch schon solche Bettphasen hinter mir, aus denen ich gestärkt hervorgegangen bin. Ohne meine sechs Wochen Klinik-Aufenthalt wegen einer infektiösen Hepatitis im zivilen Ersatzdienst, hätte ich als Autor keinen so leichten Start gehabt. Da war das Lazarett-Bett meine Matratzengruft
Und außerdem - lieber Heine - wie weit war denn zu deiner Zeit schon die therapeutische Medizin? Ich hab ja leicht Reden. Hätte ja schon mehrmals längst tot sein müssen.
Geht mir gerade schon wieder etwas besser. Was du in deinem 59jäahrigen Leben literarisch hinterlassen hast, daran komme ich bei aller Kompensation sowieso nicht mehr heran - also ab, zurück ins Bett!
Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhstätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd` ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh` ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?
Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.
Heinrich Heine 1797-1856
*Unter Kompensation wird in der Psychologie nach Alfred Adler eine Strategie bezeichnet, mit der bewusst oder unbewusst versucht wird, eine echte oder eingebildete Minderwertigkeit auszugleichen