Irgendwie bin ich ein häuslicher aber nicht sonderlich pfleglicher Mann. Im Zusammenleben mit meiner Fürsorglichen hat sich daher ein Tagesablauf ergeben, in dem ich ihr nach bestimmten Zeit-Mustern Arbeiten abnehme. In der Pandemie jedoch war sie meist allein für die Außenverhältnisse zuständig. Weil mich das Autofahren in der Stadt wegen der vermeintlichen Einschränkungen meines Reaktionsvermögens zu nervös macht und ich in unserer Tiefgarage klaustrophobische Anfälle beim Rausbugsieren in den Aufzug bekomme überlasse ich es ihr, für unsere Mobilität zu sorgen. Ich bediene den Staubsauger, übernehme gerne das Kochen, das Bettenmachen und gehe auch Einkaufen in den nahen Läden. Unsere Kinder, die Bank und die Ärzte wären aber ohne sie für mich unerreichbar. Öffentliche Verkehrsmittel meide ich bei meinem erhöhten Risiko.
Und jetzt das! In der Nacht zum Samstag stolpert mein Lebens-Mensch im Dunklen über die Teppichkante, prallt mit ihrem Kopf voller Wucht an die Wand und kracht mit der linken Schulter auf den Boden. Sie bleibt regungslos auf dem Rücken liegen, ist aber gleich wieder ansprechbar und stur wie immer. Sie will wegen Corona nicht, dass ich die Unfallhilfe anrufe und quält sich so durch die Nacht, dass ich am nächsten Morgen doch den wegen des Bereitschafts-Wochenendes übel gelaunten Notarzt rufe. Nach zwei Minuten untersuchen ruft er die Sanitäter, die sie dann zum Röntgen fahren: Die linke Schulter ist gebrochen und eine Gehirnerschütterung wird nicht diagnostiziert. Nach einer Stunde kommt sie mit einem merkwürdigen Gewirr an Klettverschluss-Gurten verschnürt zurück.
Jetzt hat sie gerade mein Sohn zum CT ins nahe Krankenhaus gefahren. Ich vergehe vor Angst, was dabei noch herauskommt, Ich stehe seit dem Sturz derart unter Strom, dass ich am ganzen Körper zittere, weil ich endlich erkannt habe, wie sehr mich meine Frau in einen Kokon der Fürsorglichkeit eingesponnen hat. Ich kann ja nicht einmal eine Waschmaschine bedienen - geschweige denn die ganzen bürokratischen Dinge ohne Nerven-Zusammenbruch erledigen. Wegen der Pandemie kann mir auch aus der Familie keiner helfen. Mindesten drei Monate werde ich meiner Liebe bei scheinbar alltäglichen Automatismen zur Hand gehen müssen. Innerhalb von Sekunden wurde ich nicht nur zum hundertprozentigen Hausmann, sondern auch zur ungeschulten Pflegekraft.
Quelle: gratis.malvorlagen.de |
Eine gute Gelegenheit, mal von meiner Seite allen zu danken, die seit Monaten - in der Gefahr, sich selbst anzustecken - Menschen mit ihrer schauderös schlecht bezahlten Fürsorge das Leben erleichtern. Das soll mir Ansporn sein, mich aus der pandemischen Lethargie zu befreien.
Es könnte mitunter jedoch durch die neuen Anforderungen sein, dass ich das publizieren meiner Posts diesem Alltag anpassen muss.
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