Montag, 1. Juni 2020

Dann erfinde doch eine App!

Nullnullsinn, die Lizenz zum Blödeln, nimmt bei einem alten Paar, wie wir es sind, schon mitunter tragisch komische Züge an. Nicht nur, dass wir oft gleichzeitig mit den selben Worten Unsinn verzapfen, wir sind auch so einfältig, uns darüber schuppig zu lachen. Um das gleich zu beschwichtigen, die Fürsorglichste und ich haben damit schon lange vor Corona angefangen. Es ist also nicht dem aufeinander Hocken geschuldigt, sondern tatsächlich dem "kreativen" Matsch unserer grauen Zellen zuzuschreiben.

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Noch immer
hängt das tote Handy am Ladekabel
Das Blödeln hat vor allem dadurch zugenommen, dass sich die Fürsorglichste nach gefühlt mehr als zwei Jahrzehnten von ihrem mit Strass geschmückten Museums-Handy trennen muss, weil es virtuell durch Anzeigen eines Bömbchens auf dem Display explodiert ist; niente, nada, nix mehr geht.

Die  fehlende, furchtsame Kommunikation - wenn die Holde allein unterwegs ist - kann also nun nur noch mit einem aktuellen Smartphone wiederbelebt werden... Aber das scheitert bei ihr am gleichen Unbehagen, mit dem sie auch ihr moderneres Tablet mit den vielen Apps nur sporadisch benutzt.

Andere werden durch permanente Wiederholungen von Alltags-Situationen gelangweilt, bei uns gehören sie zum Ritual. Ähnlich wie die immer gleichen Werbeblöcke, bei denen wir die Kern-Aussagen jauchzend vorweg nehmen: Ob das die "tüddelige" ältere Dame oder das wiehernde Gelächter einer Gleichaltrigen ist, die die Welt wegen Einnahme des selben, angepriesenen Produktes aus den Angeln heben will. Und da wir ja mittlerweile beide mit der Vergesslichkeit im Grenzbereich angekommen  sind, lieben wir vor allem den Spot, in dem die Ehefrau ihren vom Einkaufen zurück gekommenen Mann für seine Vergesslichkeit in Schutz nimmt: "Natürlich kann man mal etwas vergessen", meint dann meine Frau mit Therapeuten-Stimme. Und ich dann mit männlicher Überheblichkeit beruhigend: "Natürlich habe ich es nicht vergessen..."

Ganz besonders bizarr wird es, wenn ich beim Zubereiten des zweiten Morgen-Kaffees ins Idiom der Rosenheim Cops wechsle, von der sich meine Frau alle Folgen wegen ihrer Vergesslichkeit mit Lust drei bis viermal anschauen kann.
Ich: "S'gabat an Kafää."
Sie: "Mei guat. I wart ja scho!"
Dann entspinnt sich ein minutenlanger Dialog in diesem Bühnen-Bayrisch, bei dem man wissen muss, dass meine Frau in Berlin zur Welt kam und ich in Hamburg geboren bin.Bis heute ist uns unser beider "saupreißische Tonfall" nicht abhanden gekommen.

Also wenn wir doch unsere Gefangenschaft mit solcher Gelassenheit ertragen, weshalb drehen wir dann unterwegs mit dem Auto beim kleinsten Fehlverhalten anderer dermaßen durch? Unsere wenigen Termine sind in entspanntem Timing geplant, wir sind nie zu spät dran, und Automobil-Weltmeister werden wir vom Tempo her  ja auch nicht mehr...

Egal ob einer an der Ampel zum Abbiegen nicht in der richtigen Spur steht, oder so lange wartet, bis wir dann wieder rot haben - meine temperamentvolle und liebe Frau, erleidet einen mittleren Wutanfall und spuckt dann tatsächlich ein Wort aus, was sie bei den Rosenheim Cops gehört hat:
"So an damischer Dridschla!" - Da sagt man immer, Fernsehen bilde nicht.
Ich gebe dann stets den gespielt ruhigen Therapeuten aus der Vergesslichkeits-Werbung:
"Natürlich machen die anderen schon mal einen Fahrfehler, oba mit so am Dridschla tat ma ja e net redn."

Als wir kürzlich von der Blutabnahme bei den Ärzten zurück kamen, hatten wir wieder so ein sorgloses Autofahrer-Paket vor uns. Erst bog es nicht ab, obwohl es den grünen Pfeil hatte, dann fuhr es 20 in der 30er-Zone, und um das Maß voll zu machen, bog es so langsam auf die Autobahn, dass wir mal wieder rot hatten.

Kann so ein altes Paar überhaupt
derart boshaft sein?
Die Phase war lang, und meine Frau aufgeregt genug, dass ich ihr spaßeshalber piesackend einmal mehr die Vorteile eines Smartphones schildern wollte.
"Spatzl, da gibt es bestimmt bald eine Dridschla-App. Für Corona, überfüllte Züge und Flugzeuge soll es ja auch bald sowas geben. Dann werden dir alle Langsamfahrer in der Nähe auf deinem neuen Smartphone angezeigt, und du kannst ihnen aus dem Weg gehen..."
Sie: "Dann erfinde doch diese App!"
Ich: "Lieber nicht. Gerade in Bayern wäre die ja so mega erfolgreich, dass wir über Nacht steinreich würden. Dann bräuchten wir ja schon wieder eine App zur Anlage-Beratung ohne Banken..."

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