Mittwoch, 30. März 2016

Alte Zöpfe

Dass der Mensch dazu neigt, ein "Gewohnheitstier" zu sein, ist unbestritten. Er weigert sich so lang, alte Zöpfe abzuschneiden, bis sie ihm das Hirn verwuchern und es in eine unsichtbare Rastafarian-Verfilzung verwandelt.

Aus Gewohnheit ging es uns allen viel zu lang viel zu gut, was diesen Vorgang noch latent förderte.
Wie nehmen klaglos jedes Jahr die Zeitumstellung hin, obwohl sie längst mehr kostet als Nutzen bringt, Und wir zahlen klaglos immer noch den "Soli", der einst dazu gedacht war, den Brüdern und Schwestern im abgespaltenen Teil unserer Nation die Wiedervereinigung zu erleichtern.

Mittlerweile aber verhalten sich viele derart Geförderte so unsolidarisch, dass sie unserer Gesellschaft bei den nächsten Wahlen "Weimarer Verhältnisse" bescheren könnten. Natürlich behaupten sie, dass die überall abgedruckten Zitate ihrer politischen Ziele von der "Lügenpresse" bewusst falsch interpretiert werden.

Allein, dass sich dieser Nazi-Begriff in den Rasta-Gehirnen so festsetzen konnte, zeigt die Stoßrichtung. Vermeintlich glaubten die Meinungsforscher ja, dass die Älteren Bürger, die immer noch gerne in DDR-Nostalgie schwelgten, für diesen Rechtsruck verantwortlich gewesen seien. Die jüngsten Landtagswahlen zeigten aber, dass das jugendliche Potential und die Mittelalten auch aus dem satten Bürgertum für den Erfolg der AFD gesorgt haben. Bei weitem also nicht nur zu kurz Gekommene. Und das ist auch kein rein deutsches Phänomen, wie der Auftritt der Nazi-Hooligans auf dem Börsenplatz in Brüssel zeigte.

Es gibt ein europäisches Netzwerk der  neuerlichen,  faschistischen Werte-Vermittlung, bei dem gerade Nationen mit Erfolg infiltriert wurden, die in ihrer Geschichte bereits besonders unter derartigen  Diktaturen zu leiden hatten. Extrem-Beispiele sind vor allem die Türkei, Ungarn und - noch unbegreiflicher - Polen. Sie klammern sich offenbar besonders leicht  an  die angebotenen alten Zöpfe, obwohl ihr wirtschaftlicher Aufstieg dank der EU doch augenscheinlich ist.

Die zuströmenden Massen an Flüchtlingen und Asylsuchenden sind nicht Ursache,  sondern Schein-Argument für den populistischen Wertewandel. Die Moslems werden die neuen Juden. Die Flüchtlinge aus anderen Kulturkreisen verunglimpft man, sie wollten doch nur an die Töpfe der Wohlfahrt.

Das hatten wir doch alles schon einmal Leute! Die Arbeiter, die aus Jugoslawien, Griechenland, der Türkei, Italien, Spanien und Portugal seit Ende  der 1950er zu uns strömten, um die Fahne des Deutschen Wirtschaftswunders weiter zu tragen, ernteten neben kargen Löhnen ja auch zunächst nur Feindseligkeit, sowie Hohn und Spott.

Vielleicht wäre es an der Zeit, sich  wieder einmal Rainer Werner Fassbinders Film "Katzelmacher" aus dem Jahre 1969 anzuschauen. An ihm kann man ablesen, wie weit es unsere Gesellschaft in 47 Jahren gebracht hat. Wollen wir wirklich zulassen, dass das alles in  in derart kurzer Zeit wieder in Flammen aufgeht?

Samstag, 26. März 2016

Von Honigkuchen-Pferden und Osterlämmern

Die meisten unserer Rituale und Sprüche haben sich so weit von ihrem auslösenden Erlöser entfernt, dass man sich über ihre Evolution nur wundern kann.

Was hat zum Beispiel ein zum Comic gestylter Eier legender Hoppel-Hase mit Kreuzigung und Auferstehung des Heilands zu tun?

Wie wurde aus dem symbolischen "Lamm Gottes" ein Kuchen-Gebäck oder ein auf rosé gegarter Oster-Braten? Beim Abendmahl an Karfreitag konsumiert der Gläubige Leib und Blut Christi, was auch als Akt von Kannibalismus missverstanden werden könnte.

Egal! Heute haben sich heidnische Fruchtbarkeits-Symbole derart mit den Mythen der Passion vermischt, wie man es sich für das Miteinander der Religionen generell wünscht.

In meiner kleinen Familie gibt es nur eine Gläubige: Meine Frau. Unsere beiden Kinder hatten die freie Wahl, sich zu einem Zeitpunkt, an dem sie genug über Religion wussten, für einen Glauben samt eventueller Taufe selbst zu entscheiden. Sie beteten bis zum Volksschul-Alter mit meiner Frau. Aber offenbar ohne Nachhaltigkeit. Im Gymnasium wählten sie dann Ethik und gehören heute als Erwachsene immer noch keiner Religion an. Sie lernten jedoch enorme Toleranz gegenüber Religiösen, Nicht zuletzt weil sie Restriktionen bei diversen Partnern selbst erfahren mussten. Scheinheiligkeit war ihnen daher immer zuwider, wenn es in deren Familien zu "Glaubensfragen" kam.

Komisch ist nur, dass die Kindheits-Rituale am Oster-Sonntag bei den Mittdreißigern nach wie vor angesagt sind:
 Damit wir niemanden in den eigenen vier Wänden zuviel Arbeit machen, haben wir uns darauf geeinigt uns morgen zum Brunch in einem Restarant zu treffen. Allerdings mit dem Anspruch meiner Tochter, die ja nun selbst Mutter ist, dass wir uns anschließend bei ihr zum Ostereier-Suchen und -Kicken treffen sowie zum Kaffee ein Osterlamm samt -Brot servieren. Groß war die Enttäuschung, dass meine Frau diesmal kein Oster-Nester vorbereitet hat. (Damit wir nicht soviel schleppen müssen.)

Vermutlich wird mein Sohn wieder darauf bestehen, mit einer übertriebenen Samurai-Zeremonie das Kuchen-Schäfchen  zu enthaupten. Nichts wird sich also groß ändern.

Der alte Blogger sitzt dabei und grinst wieder wie ein Honigkuchen-Pferd, obwohl er noch nie ein Exemplar dieser Spezies gesehen hat und Zweifel daran hegt, was jenes - zum alsbaldigen Verzehr bestimmt -noch groß zu grinsen hat. Aber so ist das mit Sprüchen und Ritualen. Sie ergeben keinen vernünftigen Sinn.

Dennoch Euch allen da draußen im Netz frohe und gesegnete Ostern!

Mittwoch, 23. März 2016

Mob In Hood

Männer sind ja in punkto Mode meist einfach gestrickt . Sie flüchten sich ins Uniformierte, was ihre Anzüge und ihr Business angeht. Aber auch in ihrer Freizeit oder gar im Urlaub verfallen sie  Gewohnheiten. Als Touristen oder beim Grillen im Garten sehen sie immer irgendwie  komisch aus.

Deshalb überrascht mich auch der Trend zu den Hoodies nicht - also zu Kapuzen-Jacken und -Pullovern. Die Dinger sind sau bequem, sorgen für ein angenehmes Körper-Klima, und was drunter steckt, geht keinen etwas an. Ich selbst habe vier in verschiedensten Farben, die mich prima durch diesen merkwürdigen Winter gebracht haben. Ihre explosionsartige Ausbreitung in diesen Zeiten der zunehmenden Gewalt auf den Straßen ist verwunderlich.

Doch ein Blick in die Geschichte verrät, dass die Kleidung zum Verbergen oder Beschatten des Gesichtes keine Erfindung der näheren Gegenwart ist.

Die "Gugel" war das Kleidungsstück der Inquisition entlehnt von den Kapuziner-Mönchen. Der Tod des Bayrischen Märchenkönigs wird in Zusammenhang mit den Gugel-Männer mystifiziert, Und in den 30er Jahren des 20, Jahrhunderts machten sich auch mafiöse Dunkelmänner die als Berufskleidung der Arbeiter in den Eisfabriken wieder entdeckten Kapuzen-Jacken als nächtliche Tarnung zu eigen. Der angelsächsische Volksheld Rob-in-Hood jedoch bekam seinen Namen nicht wegen des Tragens von Kapuzen, sondern weil er sich mit seinen Mannen im Wald versteckte.

Die Bedeutung fürs Verstecken des Gesichtes wuchs, als sich in den Slums der US-Großstädte Straßen-Banden in die jetzt als Sportkleidung populären und billigen Kapuzen-Pullover (Kutte) kleideten.

Fast in jedem Krimi kommen heute Hoodies als Mode-Accessoires nicht nur für Outlaws vor. Aber da in der Realität niemand wirklich feststellen kann, ob Biedermann oder Brandstifter in dem Kleidungsstück stecken, geht eine unterbewusste Bedrohung von den Personen aus, die sie tragen.

Seit gestern die erneuten Berichte von den Terror-Anschlägen aus Brüssel um die Welt gingen, haben die Feinde der Freiheit es endlich geschafft eine latente Paranoia bei mir auszulösen. Ich beobachte in unserem Multi-Kulti-Viertel die Mitmenschen immer häufiger mit Argwohn - um nicht zu sagen Angst. Obwohl ich auch weiß, dass es genau das ist, was die Attentäter durch ihre Taten erreichen wollen.

Therapeutisch geradezu benutzte ich gestern Abend die U-Bahn, als wollte sich der Schreiber in mir eine Vorstellung verschaffen, wie es wäre, wenn da jetzt im voll besetzten Wagon Sprengstoff explodierte. Keiner würde es kommen sehen.

99 Prozent der Fahrgäste hätte nichts bemerken können, weil sie in der Betrachtung kleiner Handy-Bildschirme oder ihrer Tablets versunken waren.

Heute veröffentlichte die Belgische Polizei das Foto, auf dem es die mutmaßlichen Selbstmord-Attentäter zeigt. Sie sahen aus wie Touristen und nicht wie Terroristen. Keine Hoodies? Eben normal und - irgendwie "lächerlich komisch"...


Sonntag, 20. März 2016

Frühling und andere Integrationsformen

In der schönen, neuen App-Welt, kennt der Smartphone-Besteller den Taxifahrer, der ihn gleich abholt mit Namen und kann verfolgen, wie weit er noch entfernt ist. Heute Nacht war es einer mit türkischem Namen, bei dem ich mit meinen rudimentären Sprachkenntnissen in seiner Muttersprache punkten wollte. Was meine Frau mit dem Kommentar begleitete, er solle doch nicht auf den alten Angeber hören.

Darauf fragte ich ihn gleich: "Was heißt denn Angeber auf Türkisch?"
Er:"Keine Ahnung. Ich bin in Deutschland geboren und spreche es nur noch manchmal bei meinen Eltern."

Dank Google konnte ich ihm aushelfen: palavraci.

Wir waren gut drauf. Mein Schwager hatte seinen Siebzigsten gefeiert, und wir hatten so viel Spaß beim Austausch der Kranken-Berichte, dass wir glatt vergessen haben, das Licht für eine Stunde auszuschalten, um an der Weltweiten Strom-Spar-Aktion teilzunehmen. - Kerzen genug wären ja entzündet gewesen...

Derart angeheitert haben wir auch den Frühlingsanfang verpasst, der uns mit eisigem Wind nach dem Aussteigen empfing. Gut, dass in solchen Momenten Verlass auf unsere urbane Fauna ist. Die Amsel von ihrem Stammplatz auf dem Balkon über uns jedenfalls tat die ganze Nacht dann lautstark ihr Bestes. um uns daran zu erinnern. Gegen Morgengrauen stimmten dann auch noch die Zilpzalps ein, die bereits im Winkel des Regenrinnen-Fallrohrs nisten.

Als ich aufstand, konnte ich einen Elstern-Konvent auf der Fernseh-Antenne des schmucken Gründerzeit-Hauses gegenüber beobachten. Die urbanen Elstern treffen sich noch vor der Brutzeit zum Gruppen-Schäckern, bevor sie sich in die Separees ihrer Nester zurückziehen. Was es so wichtig zu schäckern gab, konnte ich nicht verstehen. Mein Elsterisch ist noch schlechter als mein Türkisch. Jedenfalls trennten sie sich nach einigem Geflatter und Positions-Wechseln und flogen paarweise in verschiedenen Richtungen von dannen.

Dass uns die Tauben von gegenüber verlassen haben, macht uns nicht traurig. Sie hatten die Türmchen und Erker dermaßen voll gekackt, dass die schöne Perspektiv aus dem Glashaus fast flöten ging. Im übrigen hatte ja die ehemals "Zweitbeste von allen Ehefrauen" im Gärtchen hinter dem Haus durch Meisen-Knödel und reichlich Futter im Vogel-Häuschen dafür gesorgt, dass die Arten-Vielfalt weiter wuchs. Obwohl sich allerdings auch die Eichkater samt ihrer Partnerinnen an der kostenlosen Kost gütlich taten.

Bisher habe ich drei Meisen-Arten und auch Garten-Rotschwänze bestimmen können. Toll, wie sich immer mehr Tiere ans Großstadt-Leben in den Straßenschluchten gewöhnen, Dabei sind doch diverse Parks höchsten eine Flugminute entfernt. Fast scheint es, als wollten sie uns Integration vorleben...

Dienstag, 15. März 2016

Austreten

Als ich als Neunjähriger nach Bayern kam, war ich überrascht, dass meine Mitschüler während des Unterrichts fragten, ob sie mal austreten dürften. In Hamburg, wo ich die ersten Volksschul-Jahre verbrachte, ging man auf die Toilette oder aufs Klo.

Ich lernte schnell, dass in Bayern nicht nur vieles anders heißt, sondern auch andere Sprachregelungen galten. China wurde Kina ausgesprochen, der Chiemsee durfte auf keinen Fall mit CH ausgesprochen werden, Der Tunnel war das Tunelle, und wir beteten - ob von Haus gläubig oder nicht - zu einem Kruzifix an der Wand, Die Sonderheiten, an die ich mich schnell gewöhnte, wurden oft mit dem Status der Freistaatlichkeit erklärt.

Aufgrund meiner in die Reformation zurück reichenden bayrischen Wurzeln wollte ich unbedingt Bayer sein und anerkannt werden. Selbst als Twen rannte ich  mit original Isartaler Tracht auf Feste mit traditionellem Hintergrund. Allein mein Hochdeutsch war eine unüberwindliche Barriere, um eine bajuwarische Anerkennung zu bekommen. Da war die selbst gerühmte Libertas Bavarie schnell an ihren Grenzen. An die stieß ich auch im Alltag mit meiner ersten großen Liebe, einer winzigen Afro-Eurasierin von puppenhafter Schönheit. Die wurde gut hörbar als "Ami-Schicksen" beschimpft.

Seither fasziniert und erschreckt mich der Zwiespalt des Bayrischen Wesens. Da wird ein afrikanischer Pfarrer gerade aus dem Amt gemobbt - gut geheißen von lokalen CSU-Größen, die dann gar nicht schuldbewusst zurücktreten. Andererseits kümmern sich kaum in einem anderen Bundesland so viele Freiwillige derart intensiv darum, dass Flüchtlingen halbwegs zumutbare Unterkünfte und angemessene Versorgung erhalten.

Die nahezu uneingeschränkte künstlerische Freiheit der Weltstadt Münchens in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte aber auch damals die "Hauptstadt der Bewegung" nicht verhindern. Hier marschierte die braune Bande auf die Feldherren.Halle zu, und wurde die "Weiße Rose" in Nazi-Blockwart-Manier verpetzt....

Ich liebe dieses heutige München. Viele Großstädte gibt es nicht in Deutschland, die Integration derart weltoffen leben und kulturelle Vielfalt gestatten. Aber wie lange geht das noch gut?

Seehofer und seine Speichel leckenden Paladine können doch nur so große und teilweise arroganten Töne spucken, weil in Bayern während der Krise nicht gewählt wurde. Die CSU soll doch als "Regierungspartei" in Land und Bund nicht glauben, dass sie bei diesem AFD-Aufstieg ungeschoren davon gekommen wäre.

Nach all seinen Alleingängen im Vorfeld der Wahlen und den permanenten Angriffen auf die Kanzlerin fragte die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka den Bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, wieso er denn nicht daran dächte, aus der Koalition aus zutreten.  Das Zögern bei der Antwort dauerte einen Moment zu lange, und sie kam auch sehr gedruckst.

Er wäre selbstherrlich genug, zu glauben, er könne die Kanzlerin zum Umdenken zwingen. Aber austreten? Der Versuch einer bundesweiten CSU ist ja schon mal gescheitert. Und bis sie sich bundesweit etabliert hätte, wäre die AFD schon sicher im Bundestag...

Dumm ist er nicht, der Horst: Austreten  darf er vermutlich nur, um aufs Klo zu gehen.

Samstag, 12. März 2016

Stille Helfer

Dass der Mensch ein merkwürdiges Wesen ist, muss in dieser schrecklichen Zeit nicht eigens erörtert werden. Der Kampf Gut gegen Böse hat ja auch diese merkwürdigen Perspektiven, sonst wären nicht nahezu alle Weltreligionen aus Gründen in ihn verstrickt, die kaum noch nach zu vollziehen sind. Gutes zu tun, barmherzig zu sein und sich um die Armen zu sorgen ist in den Schriften ein Leit-Gebot. Selbst die Weltreligion Nummer eins, der Neo-Kapitalismus gibt gerne und groß, wenn die Geber Gates oder Zuckerberg heißen.

Die Hütchen-Spieler in der Etage darunter, denken aber nicht an Bescheidenheit, sie lassen die Börsen rauf und runter hüpfen, und der EZB-Chef Draghi unterstützt das mit seiner Null- oder Strafzins-Politik. Wer parkt schon das Geld, das nichts kostet, wenn es nichts bringt? Und schon geht sie wieder los die Daddelei. Der Kleinsparer, wenn er denn überhaupt sparen kann, konsumiert oder lässt sich überteuerte Immobilien mit Lock-Zins andrehen, die er nicht mehr zahlen kann, wenn die Zinsen steigen und die "Immoblase" wieder platzt. Kommt uns das bekannt vor? Klar, ist ja nur acht Jahre her, als sich die westlichen Staaten im Vorgriff auf Steuer-Einnahmen geradezu absurd verschuldeten, um die Zocker aus ihrem Dilemma zu befreien.

Aber etwas hat sich doch verändert: Von unseren Flaggschiffen der Wirtschaft wird seither im gleichen Stil gelogen und betrogen, wie es seinerzeit die US-Zocker taten. Den Bogen haben sie dabei allerdings überspannt, weil jetzt die amerikanische Gerichtsbarkeit ein Instrument hat, die konkurrierenden Sünder aus Europa härter zu bestrafen als die eigenen. Wird das zur stillen Rache an dem wackelnden Wirtschafts-Giganten Europa?

Eines haben all diese mutwillig erzeugten Krisen gemeinsam. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter.

Die in der Dauer-Krise zu kurz Gekommenen werden in ihrer Hilflosigkeit immer wütender. In ihrer Wut entwickeln sie ein Gehör für Parolen oder Einflüsterungen. Wer nichts zu verlieren hat, geht auf die Straße. Auch das war schon immer so: Ob vor der Wiedervereinigung oder jetzt in den Reihen von PEGIDA oder AFD. Wer selbst zu kurz gekommen ist, entwickelt nur schwer humanitäre Gefühle. Was wiederum auch für zu kurz gekommene Staaten gilt.

Es kommt darauf an, nur laut genug zu schreien und zu drohen, um in der heutigen Medien-Landschaft Aufmerksamkeit zu erhalten. Aber das erzeugt ein erneutes Un-Gleichgewicht.

Den Schreihälsen stehen nämlich Leute in mindestens gleicher Zahl entgegen,  die im Stillen helfen. Nur können sie sich bei ihrer humanitären Arbeit nicht zusammen rotten, weil das die Arbeit am Individuum nicht zulässt.

Zwei Beispiele: Als ich vom Bäcker zurück komme und wie immer ewig lang auf das Grün der Fußgänger-Ampel warte, stehen zwei Afrikaner neben mir. Die junge Frau ist offensichtlich aus Somalia, der junge Mann vermutlich aus Westafrika. Beide unterhalten sich auf ziemlich gutem Deutsch.

"Was hast du heute?" Fragt der Mann
"Ich hole jetzt meine Schützlinge ab, um mit ihnen zum KVR zu gehen. Und du?"
"Ich habe einen Termin bei den Streetworkern drüben. Türkische Jugendliche haben meine Asylanten bedroht."
"Na dann schönen Tag!"

Ein Tag darauf, sitze ich beim Augenarzt, als eine kaum Zwanzigjährige mit einem dunkelhäutigen Teenager ins Wartezimmer kommt. Sie unterhalten sich leise mit Händen und Füßen. Es geht darum, was der junge Mann für Pläne hat. Gut Deutsch lernen und möglichst eine deutsche Frau heiraten. Die junge Helferin versucht ihm die amtlichen Hürden einer solchen Heirat zu erklären und auch die kompromisslose Verfolgung von Schein-Ehen.

Als ich von der Untersuchung zurück komme und mich anziehe. Sagt der junge Mann leise - offenbar wegen meiner Schiebermütze:
"Guck mal! Super-Mario!"
"Super-Mario ist doch klein und dick und hat einen Schnurrbart!"
"Is großes, dickes Super-Mario!"

Mein Gott! Ist das lange her, dass ich meinen Kindern den "Nintendo" nur ungern zurück gab, wenn ich mit dem hüpfenden Winzling in einen Spielrausch geraten war.

Hoffentlich kann der junge Mann in unserem Land seinen Humor behalten. Und möge allen stillen Helfern ihr Tun vom späteren Leben mit Aufmerksamkeit vergolten werden...

Mittwoch, 9. März 2016

Schmu mit Shayatin

Ist es wirklich das kleinere Übel, dass die EU sich mit der türkischen "Demokradiktatur" gemein macht? Es ist anzunehmen, dass sich wenige der aktuellen  Akteure im Detail daran erinnern, wie der Britische Appeasement-Außenminister Neville Chamberlain vergeblich die Dipolmatie bemühte, um der Kriegstreiberei Adolf Hitlers den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber nachlesen sollte das zumindest Sebastian Kurz, der Österreichische Außenminister, bevor der 28jährige weiter so nassforsch auftritt, als habe er die politische Weisheit mit der Schöpfkelle gefuttert.

Die Perspektive der Geschichte bestraft Kurzsichtigkeit mit Vernichtung; in der Außenpolitik allemal härter als in der Wirtschaftspolitik. Angela Merkel mag eine Menge Verdienste haben, aber mit ihrem üblichen Moderieren kommt sie nicht weiter. Sie muss endlich auf den Putz hauen, sonst wird man ihr eines Tages vorwerfen, den Gedanken Europas einem Machthungrigen in den Rachen geworfen zu haben, um ihren eigentlich richtigen Standpunkt durchzusetzen. Ihre Isolation ist nicht mit ihrer üblichen, innerdeutschen Taktik zu beheben, die männlichen Gegenspieler sich gegenseitig zerfleischen zu lassen.

Jetzt wäre eine Machtpolitikerin gefragt. Denn mehr als politisches Rechthaben zählt, was am Ende in den Staatskassen landet. Das nämlich wäre die Achilles-Ferse, die beim Zerreißen Europa mehr ins Chaos stürzte als die Menge Flüchtlinge verteilt auf 500 Millionen EU-Bürger...

Der Schmu mit den Shayatin, der jetzt angestrebt wird, gerät nämlich ganz sicher zum Fluch. Bezeichnender Weise ist im Koran nämlich nicht nur von einem Teufel - Shaitan - die Rede, sondern von vielen. Schon mit einem Teufel allein sollte man nicht tanzen, aber diese Vielzahl, die aktuell den Weltfrieden stört, wird sicher nicht gebändigt, indem einer der Oberteufel auch noch durch EU-Gelder gestärkt wird. Zuzulassen, dass er sich erpresserisch eine Machtposition sichert, die in keinster Weise den Syrien-Konflikt löst. Zumal sich in diesem Brandherd, die USA und Russland trotz aller Scheinlösungen in diffusen Positionen gegenüber stehen.

Erdogans Regime zu stärken, bedeutet nicht nur die NATO gegebenen Falles missbrauchen zu lassen, sondern Brandbeschleuniger in einen der gefährlichsten Hotspots seit Ende des Zweiten Weltkrieges zu verlagern. Denn der Iran mit seinem aktuellen Mittelstrecken-Raketen und Saudi-Arabien stehen bereit, um das Stimmungs-Tief zwischen Israel und den USA zu nutzen.

Und das alles, weil humanitäre Verpflichtungen hinter der Angst vor politischen Verlagerungen als Folge der anstehenden Wahlen zweitrangig werden. Es bedarf jetzt einer Mega-Koalition. die die Sprücheklopfer in der tatsächlichen Parlamentsarbeit auflaufen lässt. Dann vernichten sie sich von selbst und werden nicht durch gescheiterte Verbotsverfahren aufgewertet.

Montag, 7. März 2016

Frauenversteher

Vom meiner umfangreichen Wochenend-Lektüre blieb ein Begriff mit Widerhaken in meinem Kleinhirn hängen: Da war von einem Promi zu lesen, den die Autorin als wahren Frauenversteher bezeichnete. Da ich immer diagonal und quer lese, weiß ich nicht, wer es war, aber der Begriff blieb eben hängen, bis ich ihn nachgeggoogelt habe.

Nach dem Durchklicken von mehr als zwanzig Seiten hatte ich ein paar hundert widersprüchliche Erläuterungen. D e n Frauenversteher scheint es gar nicht zu geben. Es kommt wie immer darauf an, wie Er sich selbst sieht  oder Sie ihn sehen will. Übrigens gibt es unter dem Begriff  Männerversteherinnen ähnlich viel diffuse Seiten... Sind viele Partner-Vermittlungen drunter.

Unsereiner, der in einer Zeit geschlechtsreif wurde, als es die Pille schon aber AIDS noch nicht gab und später  - ob er wollte oder nicht - den Thesen von der sehr männlich Steuern hinterziehenden Alice Schwarzer ausgesetzt war, hatte ja schon einen Vorteil vor der Väter-Generation. Vor allen beim Verstehen der Frauen. Weshalb es auch schon Ansätze von Sexual-Neid in der Erziehung gab.

Unsere Familie war von Frauen dominiert, was meinem Vater weniger ausmachte als mir, weil ich durch den Altersabstand zu meinen Schwestern als Nachzügler drei Mütter mit erheblich unterschiedlichen Erziehungszielen hatte. Mein Vater war in Bezug auf  Frauen - weil er sehr gut aussah - eher bequem. Das kam darin zum Ausdruck, dass er schon mal diversen Flammen Briefe im gleichen Wortlaut schrieb. Aber damit outete er sich auch gleich als "Frauen-Nicht-Versteher", weil er sich partout nicht vorstellen konnte, dass die Damen - Studien-Kolleginnen - sich die wohl formulierten Liebesbriefe gegenseitig vorlesen würden...

In jden 1960ern hatte die Haushaltsgeräte-Firma Bauknecht den Slogan, der wegen seiner Doppeldeutigkeit heute gar nicht mehr politisch korrekt wäre:

Bauknecht weiß, was Frauen wünschen


Wenn zu Hause mal wieder Zicken-Alarm war, sagte mein Vater oft lapidar: "Ach wär' ich doch Bauknecht".

Da ich alles andere als ein Aufreißer war, benützte ich später die Variante: "Ich bin nicht Bauknecht, also sag mir unumwunden, was du willst und was du erwartest." Das wurde aber da schon nicht mehr von den Mädchen verstanden, weil Bauknecht im Zuge der fortschreitenden Emanzipation längst andere Sprüche drauf hatte.

In puncto Emanzipation hatte ich ja wenig später zuhause eine strenge Erzieherin. Die Frau, die es annähernd fünf Jahrzehnte an meiner Seite aushält, hat mich überhaupt erst politisch gemacht. Als sie angesichts der Kinder ihren Job aufgab, verlangte sie sogar allen Ernstes ein Hausfrauen-Gehalt. Ich machte aus Faulheit gleich Nägel mit Köpfen. Von allem, was ich erwirtschaftete, bekam sie die Hälfte und darüber hinaus überließ ich ihr fortan alle Geld-Angelegenheiten, Das funktioniert deshalb bis heute so gut, weil sie eher großzügig und ich eher knauserig bin. Die Balance bei den Gegensätzen ist es überhaupt, die eine Beziehung ausmacht. Dazu muss einer aber kein "Versteher" sein.

Es sei denn der Frauenversteher wird letztlich darüber definiert, wie viele Frauen er am Ende ins Bett kriegt. War Casanova ein Frauenversteher oder doch nur ein geschickter Verführer?

Da habe ich doch gleich einen exemplarischen Witz parat:

An einer Hotelbar setzt sich ein Frauenversteher zu einer schicken Business-Lady, die offensichtlich ohne Begleitung ist.
Er: Sie sind ja eine einzigartige Schönheit! Ihre Haare! Ihr Mund! Und dann die tolle Figur in ihrem Kostüm!
Sie; Das sagen sie doch alles nur, weil sie mich abschleppen wollen!
ER: Und gescheit sind Sie also auch noch!

Donnerstag, 3. März 2016

Bargeld

In der vergangenen Woche kam ja in der Diskussion um die persönliche Summen-Begrenzung für Bargeld gleich die aberwitzige Idee auf, Cash generell abzuschaffen.

Das, finde ich, ist wieder einmal so eine typische Idee des Westens: Vielleicht von den Banken gesteuert, die ja bereits heute schon ein Höchstmaß an Steuerung durch staatliche Verordnung zulassen. Auch hier wieder angeblich um Geldwäsche und Steuer-Betrug zu bekämpfen. Aber ganz sicher geht das am Interesse der anständigen Mehrheit der Bürger vorbei.

Abgesehen davon, dass von dem persönlichen Geld-Besitz ein  gewisser haptischer Reiz ausgeht, kommt es ja immer wieder zu Situationen, in denen es ohne Cash nicht geht, wo der Spruch "ohne Moos nichts los" peinliche Wahrheit wird.

Gestern hatte ich meine Familie in ein sehr gutes französisch-kreolisches Restaurant im Dreimühlen-Viertel eingeladen. Wie selbstverständlich - von Italien diesbezüglich verwöhnt - bin ich davon ausgegangen, bargeldlos zahlen zu können: wenn schon nicht mit Kredit-Karte so doch zumindest mit dem EC-Plastik.

So wie wir, waren mehrere, die nicht von dem Cash-Credo der Besitzer wussten, genötigt, irgendwo Bargeld aufzutreiben. Dazu muss man wissen, dass dieser seit neuestem als In-Viertel geltende - im weitesten zum Schlachthof und Großmarkt-Bereich gehörende Stadtteil - leider noch eine Bancomat-Diaspora ist.

Gut, die beste Großmutter von allen, die kürzlich noch die zweitbeste aller Ehefrauen war, wurde zur Begleichung auf mein Angebot sofort als Küchenhilfe auf Ein-Euro-Job-Basis akzeptiert, aber das wollte der  Rest der Familie nicht. Auch ich eigentlich nicht; Wollte ich nächtelang auf meine Bettgenossin verzichten...?

Jetzt kam uns entgegen, dass der Vater meines Enkels in der Gegend ein geschätzter Koch ist, dessen Wort bei den Gastronomen etwas gilt. Wir hätten also ohne weiteres an einem anderen Tag mit dem Bargeld vorbei kommen können. Aber wir hatten auch unseren Stolz.

Also leerten wir unsere Geldbeutel und kratzen alles an Barem zusammen. Aber die Rechnung entsprach ja in etwa meiner monatlichen Rente. Es reichte nicht. Also verschwand der Koch schnell zu seinem Arbeitsplatz um die Ecke und lieh sich das restliche Geld von seinem Chef.

Bei der Heimfahrt im Taxi profitierten wir dann wieder von der bargeldlosen Welt. Mein Sohn zahlte mit der passenden App per Smartphone.

Während wir so durch das nächtliche Sauwetter fuhren. erinnerte ich mich an meine Reisen als Journalist in der so genannten Dritten Welt. Da war es klar, dass einer in den Großstädten mit internationalen Hotels und Restaurants gut mit Kredit-Karten leben konnte. Bei Überland-Reisen jedoch war man auf reichlich Bargeld in der jeweiligen Landeswährung angewiesen, die meist nicht zurück getauscht wurde. Dollar gingen jedoch fast überall. Deshalb hatte ich mir vom heimischen Säckler einen extra starken Ledergürtel mit verborgenen Taschen an der Innenseite anfertigen lassen.

Für die USA bräuchte ich den aber nicht - dachte ich.

Als mir in Richmond Connecticut wegen einer Autoreparatur in den 1980ern das Bargeld ausgegangen war, marschierte  ich in eine Bank und wollte 100-Mark-Scheine umtauschen.
Die hatten DM noch nie gesehen, und mussten sich trotz Pass und Seriennummern in einem zeitraubenden, komplizierten Verfahren erst rückversichern.

Da nahm ich dann doch lieber den Bargeld-Service meiner amerikanischen Kreditkarten-Kompanie in Anspruch.

In Europa habe ich bei Barzahlungen in Restaurants gerne als Gag meine schwarze "For Nothing Card" zur Rechnung gelegt. Die zeigte einen hochnäsigen Butler, und wenn man sie umdrehte, stand dort in großen Lettern: "In Cash We Trust".