Mitunter ist es nachts an unserer lauten Kreuzung so leise, dass man jedes Wort hört, dass unten auf der Straße gesprochen wird. Aber eine derartige Sitzung hat es bislang noch nicht gegeben.
Gegen drei Uhr früh wurden die "Zweitbeste" und ich von resoluten männlichen Stimmen geweckt. Mal sprachen alle auf einmal, mal schien einer allein zu predigen. Je nachdem gab es Gelächter aber auch Weinerliches. Nachdem das mehr als eine halbe Stunde andauerte, stand ich auf und blickte auf die Straße hinunter. Aber ich konnte nichts entdecken.
Also öffnete ich das Fenster, um zu schauen, woher die Gesprächsfetzen herauf drangen. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite saßen sich außerhalb des Lichtkegels der Straßenbeleuchtung drei Männer gegenüber und ließen im Dreieck offenbar eine Flasche kreisen. Das Lamento beziehungsweise die Euphorie wurde jeweils in einer Sprache vorgetragen, die schwer zu zu ordnen war. Mir kam sie slawisch vor.
Das Leuchtband des Taxi-Unternehmens jenseits der Kreuzung zeigte zwei Grad an. Die drei Männer hatten nichts, worauf sie isoliert sitzen konnten. Aber ganz offenbar waren sie keine Stadtstreicher oder Obdachlose. Dazu waren sie viel zu gut gekleidet - wenn auch viel zu leicht.
Ich schloss das Fenster und legte mich wieder hin. Aber sobald die "Zweitbeste" mal aus ihrem Schlaf geholt wird, erwacht auch ihre Neugier. Also stand sie immer mal wieder auf und schaute aus dem Küchen-Erker.
Am nächsten Morgen erzählte sie mir, dass die Drei ausgehalten hätten, bis der Straßenverkehr so gegen sechs Uhr zu laut geworden wäre, um weiter zu ratschen. Steif und schwankend hätten sie sich gegenseitig aufgeholfen und ließen nur ein Rinnsal zurück, das in die Gasse floss.
Seither rätseln wir, ob das Heimweh oder unendliche Familiengeschichten waren, die die Drei so lange haben aushalten lassen. Vielleicht war es aber auch so, dass sie sich in diesem, Zustand nach der Sperrstunde zunächst nicht nach Hause zu ihren Frauen getraut haben...
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