"Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen", dichtete der Romatiker Emanuel Geibel. Auch Lenin glaubte das Wesen der Deutschen entsprechend einzuschätzen, indem er ihnen unterstellte, ihre Revolution scheitere ja schon an der Tatsache, dass sie erst eine Bahnsteigkarte lösen würden, ehe sie den Bahnhof stürmten...
Und dann gingen doch innerhalb eines halben Jahrhunderts zwei Weltbrände und ein gigantischer Völkermord auf das Konto dieses "Volkes der Dichter und Denker". Aber wieder ein halbes Jarhundert später waren diese Deutschen nicht nur in der Lage die Spuren dieser Kriege zu tilgen, friedlich Revolution ausgerechnet gegen die Erben von Lenin, Marx und Engels zu machen und eine Wiedervereinigung zu stemmen, die sie am Ende der Finanzkrise als Musterknaben des vereinten Europas in einer politischen Führungsrolle sieht.
Es könnte einem Angst und Bange werden vor diesem Wesen, wäre man nicht ein Teil desselben.Wer wie ich genauso alt ist wie die Bundesrepublik, hat einiges mitgemacht - nur dankenswerter Weise eben keinen Krieg vor der Haustür. Deshalb darf sich aber gerade unsere Generation auch nicht in den Schmollwinkel zurück ziehen. Selbst wenn die letzten Tage nicht dazu geeignete waren, die Politikverdrossenen hinterm Ofen hervorzulocken.
Aber wer braucht denn schon in diesem trockenwarmen November einen Ofen? Womit wir gleich beim ersten Thema dem Klimawandel, wären:
Das Deutsche Wesen hat das "grüne Gedankengut" in Parteiformat ermöglicht. Anfangs von den etablierten Parteien belächelt, heute als koalierender Machtfaktor gefürchtet. Weil wir es zugelassen haben mit unserer Bahnsteigkarten-Löse-Menthalität, stehen wir aktuell beim Klimagipfel in Durban wieder mal als Musterknaben da. Nur bei der Begrenzung des CO2-Ausstoßes folgt uns leider keiner. Ganz im Gegenteil! Die USA, China und Indien überbieten unsere Werte mit immer noch wachsenden, eigenen um mehr als das 20fache.
Obwohl Japan in diesem Jahr wieder am nuklearen Abgrund stand und vielleicht immer noch steht (Fukushima ist ja aus den Schlagzeilen verschwunden, weil das Wachstum der Weltwirtschaft wieder einmal wichtiger ist als das Überleben künftiger Generationen) bleibt Deutschland das einzige Land, das den Atomausstieg umgehend und kaum zurückzunehmen vor allen verkündete. Andererseits rollten gerade die Castoren so bekämpft und sicherheitspolitisch teuer wie nie durch Wendland.
Am gleichen Wochenende scheiterten das Quorum zum Baustop von "Stuttgart 21", und sollte der unterirdische Bahnhof der BahnAG zu teuer werden, sind die Zahlmeister auch schon wieder ausgemacht: Wir, die strapazierfähigen Steuerzahler einschließlich der Gegner. Wir haben ja auch den zeitlich begrenzten "Soli" immer noch zu berappen, und falls wir "geriestert" haben, wissen wir seit neuestem auch, dass dieser Unsinn erst dann zur Wirkung kommt, wenn wir alle über hundert werden. Aber dann sind wir nahezu auch alle Pflegefälle und bekommen gar nicht mehr mit, dass unserer Vorsorge nicht reicht, weil wir wegen ihrer Unbezahlbarkeit längst in Gorleben zwischegelagert sind oder schon in der Asse radioaktiv schmoren...
Wer jammert, ist selbst schuld, denn all das ist das Privileg der gelebten Demokratie. Zu der gehört, dass Protest und Dagegensein auch mal auf hohem Niveau scheitern. Wer redet heute noch von den Protesten gegen diverse Startbahnen, gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal oder den Großflughafen München Erding, der mit seinem Namen immer noch an einen der schillerndsten Demokraten der Nachkriegszeit erinnert.
Demokratie heißt auch, dass Volkeszorn politische Resultate vergisst, sobald sie aus den Schlagzeilen verschwinden oder nicht mehr hinterfragt werden. Deshalb kann ja auch seine freiherrliche Plagiatlichkeit wieder große Töne spucken. Auch hier heilt eben die Zeit, weil das Deutsche Wesen einfach immer schneller wirkt. Deshalb kommt im bayerischen Bericht zur inneren Sicherheit ja auch keine Bedrohung durch Neonazis vor. Keiner "wehret den Anfängen", niemand hört auf den guten alten Ovid, und deshalb wiederholt sich Geschichte ja auch geradezu plagiativ, wie der Blick nach Osten zeigt:
Lenins Russen? Vor gut hundert Jahren haben sie schonungslos - auch gegenüber den wahrhaft Unterdrückten - Revolution gegen den Zaren gemacht, nur um jetzt ein Zaren-Duo auf vermutlich Lebensdauer in ihrer Scheindemokratie zu verankern. Putin ist von seiner Partei gerade mit 100 Prozent der Delegierten-Stimmen zum Kandidaten für eine ziemlich unsausweichliche neue Präsidentschaft gekürt worden.
Da sind wir doch echt noch gut dran!
Mittwoch, 30. November 2011
Samstag, 26. November 2011
Ein lebender Adventskalender
Ist man je zu alt für Adventskalender? Meine Kinder - beide in den 30ern - freuen sich immer noch jedes Jahr darauf, dass ihnen ihre Tante einen aus vierundzwanzig winzigen, durchnumerierten Päckchen minuziös arangierten Begleiter durch die Vorweihnachtszeit vorbei bringt.
Mir gefällt der Kitsch der silber bestäubten Törchen in den verschneiten Stadtbildern, mit dem versucht wird, eine Art Nostalgie nach einer Weihnachtszeit auszulösen, wie es sie so ja längst nicht mehr gibt. Und wenn es sie je gegeben hat, dann auch nur suggeriert durch Andventskalender unserer Kindheit.
Dabei entdecke ich in mir von Jahr zu Jahr mehr Wesenszüge von Ebenezer Scrooge, jenem zunächst so hartherzigen Festtagsmuffel aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens...
Mir kann der ganze Konsumrummel und der Deko- und Tonberieselungswahnsinn gestohlen bleiben. Der erfährt doch seine absurde Potenzierung sogar noch dadurch, dass quasi an jeder Ecke in dieser Stadt ein Chritkindlmarkt lauert, dessen Besuch geradezu zwanghaft neurotisch zum Kulturgut stilisiert wird.
Im vergangenen Winter hatte aber dann offenbar einer von den "Geistern vergangener Weihnachten" seine Hände im Spiel:
Ich saß hier im Glashaus im Dunklen und dachte voller Wut an die zwei zurückliegenden Jahre voller Gerichtsverhandlungen und Räumungsklagen, an die völlig verwüstete Wohnung, die die Nomaden zurückgelassen hatten sowie das Loch, dass die Renovierung in unsere Altersversorgung gerissen hatte. Ich hatte die stillen Berg-Weihnachten in unserem ligurischen Burgdorf auch zu sehr genossen, um mich nun hier irgendwie in Stimmng bringen zu können...
Unserer Wohnzimmer-Fensterfront gegenüber liegt auf der anderen Seite ein Appartementhaus, das in erster Linie von Singles bewohnt wird. Ein schmuckloser, grauer Klotz mit Einzimmer-Appartements und sehr häufig weschselnden Bewohnern. Von meinem Sessel aus sehe ich genau vier Etagen mit je sechs Fenstern. - Ahnt ihr schon etwas?
Den ganzen Tag war es nebliggrau und regennass, aber dann begann es mit der einsetzenden Dämmerung zu schneien. Anfangs ganz dicke, langsam sinkende Flocken. Schnee der zunächst nicht liegenblieb, um sich bald dann als matschiger Brei auf die Straßen und Gehwege zu legen. Schließlich brach ein regelrechter Schneesturm los. Die Flocken tanzten dicht vor der grauen Wand und die verkehrsreiche Kreuzung wurde wegen der sofort einsetzenden Glätte nur noch im Zeitlupentempo überquert.
Dann leuchtet drüben das erste Viereck eines Fensters auf. Dann zwei, dann drei, dann vier - in verschiedenen Stockwerken, ohne System und in ganz verschiedenen Farben; je nach Beleuchtung oder zugezogenem Vorhang. Ja, da war auf einmal ein lebender Adventskalender. Denn nicht alle Bewohner verschwanden hinter Gardinen. Es schien, als ließen viele den Blick nach draußen offen, um selber an dem Wintermärchen teilzunehmen. Damit ich nicht wie ein Voyeur im Dunklen saß, gewöhnte ich mir an den folgenden Abenden an, mich ganz offen hinter meine von Girlanden beleuchtete Fensterfront zu setzen.
Es war wirklich spannend, jeden Tag in diesem Alltagsadventskalender eine anderes Fenster zu öffnen (beobachten):
Die Zweite von links oben war eine Cellistin, die entweder für ein Konzert oder eine anstehende Prüfung übte. Ich sah vor einer bernsteinfarbenen Fläche nur ihren anmutig geneigten, sich wiegenden Kopf und den Hals ihres Musikinstrumentes. Die Dritte von unten rechts hatte einen Buddha auf der Fensterbank. sobald sie nach Hause kam, entzündete sie Räucherstäbchen und faltete für einen meditativen Moment die Hände vor der Brust. Das blassblaue Fenster direkt auf Blickhöhe gegenüber wurde von Männern in wechselnder Zahl bevölkert, die offenbar gemeinsam an einem Computer-Problem tüftelten. So ließ sich zumindest die Pantomime an wechselnden Tagen interpretieren.
Ich bin sicher, es gab ein paar Engel in diesem lebenden Adventskalender, die ahnten oder wussten, dass sie sich der Beobachtung aussetzten, denn es wurde gelegentlich auch etwas exhibitionistisch.
Aber viel interessanter war, wie sich das ganze auf Weihnachten zu atmosphärisch verdichtete. Da tauchten Kerzen auf den Fensterbänken auf oder kleine elektrische Weihnachtsbäume. Und natürlich durften auch die unseligen, Fassaden kletternden Weihnachtsmänner nicht fehlen, die sich ja leider noch schneller vermehrt haben als die Christkindl-Märkte.
Kurz vor Weinachten waren - wie sich das gehört - fast alle Fenster erleuchtet und man ahnte hektische Betriebsamkeit. War das Kofferpacken?
An Heilgabend nämlich war der lebende Andventskalender wieder der dunkelgraue Betonkasten. Alle Fenster blieben dunkel. Traurig, aber irgendwie doch wieder versöhnlich. - Eine schöne Vorstellung, dass wohl keiner meiner Nachbarn alleine hatte feiern müssen!
Mal sehen, wie es in dieser Adventszeit wird. Viele sind nicht mehr da. die Cellistin wurde noch vor Neujahr von einem jungen Mann abgeholt. Die Buddhistin ist vielleicht in die Heimat zurück. Der junge Mann mit der Playmobil-Frisur, der beim Rauchen auf dem Dach immer ein Mädchen traf, das offenbar den gleichen Friseur hatte, ist vielleicht mit seiner Mitraucherin in etwas Größeres umgezogen. Aber dass die Nachtschwärmerin ihren selbst bei größter Kälte nur mit einem String bekleideten Po nun wohl andernorts herzeigt, bedeutet für das diesbezüglich langweilige Leben eines älteren Herren, doch einen gewissen Verlust.
Mir gefällt der Kitsch der silber bestäubten Törchen in den verschneiten Stadtbildern, mit dem versucht wird, eine Art Nostalgie nach einer Weihnachtszeit auszulösen, wie es sie so ja längst nicht mehr gibt. Und wenn es sie je gegeben hat, dann auch nur suggeriert durch Andventskalender unserer Kindheit.
Dabei entdecke ich in mir von Jahr zu Jahr mehr Wesenszüge von Ebenezer Scrooge, jenem zunächst so hartherzigen Festtagsmuffel aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens...
Mir kann der ganze Konsumrummel und der Deko- und Tonberieselungswahnsinn gestohlen bleiben. Der erfährt doch seine absurde Potenzierung sogar noch dadurch, dass quasi an jeder Ecke in dieser Stadt ein Chritkindlmarkt lauert, dessen Besuch geradezu zwanghaft neurotisch zum Kulturgut stilisiert wird.
Im vergangenen Winter hatte aber dann offenbar einer von den "Geistern vergangener Weihnachten" seine Hände im Spiel:
Ich saß hier im Glashaus im Dunklen und dachte voller Wut an die zwei zurückliegenden Jahre voller Gerichtsverhandlungen und Räumungsklagen, an die völlig verwüstete Wohnung, die die Nomaden zurückgelassen hatten sowie das Loch, dass die Renovierung in unsere Altersversorgung gerissen hatte. Ich hatte die stillen Berg-Weihnachten in unserem ligurischen Burgdorf auch zu sehr genossen, um mich nun hier irgendwie in Stimmng bringen zu können...
Unserer Wohnzimmer-Fensterfront gegenüber liegt auf der anderen Seite ein Appartementhaus, das in erster Linie von Singles bewohnt wird. Ein schmuckloser, grauer Klotz mit Einzimmer-Appartements und sehr häufig weschselnden Bewohnern. Von meinem Sessel aus sehe ich genau vier Etagen mit je sechs Fenstern. - Ahnt ihr schon etwas?
Den ganzen Tag war es nebliggrau und regennass, aber dann begann es mit der einsetzenden Dämmerung zu schneien. Anfangs ganz dicke, langsam sinkende Flocken. Schnee der zunächst nicht liegenblieb, um sich bald dann als matschiger Brei auf die Straßen und Gehwege zu legen. Schließlich brach ein regelrechter Schneesturm los. Die Flocken tanzten dicht vor der grauen Wand und die verkehrsreiche Kreuzung wurde wegen der sofort einsetzenden Glätte nur noch im Zeitlupentempo überquert.
Dann leuchtet drüben das erste Viereck eines Fensters auf. Dann zwei, dann drei, dann vier - in verschiedenen Stockwerken, ohne System und in ganz verschiedenen Farben; je nach Beleuchtung oder zugezogenem Vorhang. Ja, da war auf einmal ein lebender Adventskalender. Denn nicht alle Bewohner verschwanden hinter Gardinen. Es schien, als ließen viele den Blick nach draußen offen, um selber an dem Wintermärchen teilzunehmen. Damit ich nicht wie ein Voyeur im Dunklen saß, gewöhnte ich mir an den folgenden Abenden an, mich ganz offen hinter meine von Girlanden beleuchtete Fensterfront zu setzen.
Es war wirklich spannend, jeden Tag in diesem Alltagsadventskalender eine anderes Fenster zu öffnen (beobachten):
Die Zweite von links oben war eine Cellistin, die entweder für ein Konzert oder eine anstehende Prüfung übte. Ich sah vor einer bernsteinfarbenen Fläche nur ihren anmutig geneigten, sich wiegenden Kopf und den Hals ihres Musikinstrumentes. Die Dritte von unten rechts hatte einen Buddha auf der Fensterbank. sobald sie nach Hause kam, entzündete sie Räucherstäbchen und faltete für einen meditativen Moment die Hände vor der Brust. Das blassblaue Fenster direkt auf Blickhöhe gegenüber wurde von Männern in wechselnder Zahl bevölkert, die offenbar gemeinsam an einem Computer-Problem tüftelten. So ließ sich zumindest die Pantomime an wechselnden Tagen interpretieren.
Ich bin sicher, es gab ein paar Engel in diesem lebenden Adventskalender, die ahnten oder wussten, dass sie sich der Beobachtung aussetzten, denn es wurde gelegentlich auch etwas exhibitionistisch.
Aber viel interessanter war, wie sich das ganze auf Weihnachten zu atmosphärisch verdichtete. Da tauchten Kerzen auf den Fensterbänken auf oder kleine elektrische Weihnachtsbäume. Und natürlich durften auch die unseligen, Fassaden kletternden Weihnachtsmänner nicht fehlen, die sich ja leider noch schneller vermehrt haben als die Christkindl-Märkte.
Kurz vor Weinachten waren - wie sich das gehört - fast alle Fenster erleuchtet und man ahnte hektische Betriebsamkeit. War das Kofferpacken?
An Heilgabend nämlich war der lebende Andventskalender wieder der dunkelgraue Betonkasten. Alle Fenster blieben dunkel. Traurig, aber irgendwie doch wieder versöhnlich. - Eine schöne Vorstellung, dass wohl keiner meiner Nachbarn alleine hatte feiern müssen!
Mal sehen, wie es in dieser Adventszeit wird. Viele sind nicht mehr da. die Cellistin wurde noch vor Neujahr von einem jungen Mann abgeholt. Die Buddhistin ist vielleicht in die Heimat zurück. Der junge Mann mit der Playmobil-Frisur, der beim Rauchen auf dem Dach immer ein Mädchen traf, das offenbar den gleichen Friseur hatte, ist vielleicht mit seiner Mitraucherin in etwas Größeres umgezogen. Aber dass die Nachtschwärmerin ihren selbst bei größter Kälte nur mit einem String bekleideten Po nun wohl andernorts herzeigt, bedeutet für das diesbezüglich langweilige Leben eines älteren Herren, doch einen gewissen Verlust.
Mittwoch, 23. November 2011
Menetekel
Belsazar
von Heinrich Heine
Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.
Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert's, da lärmt des Königs Tross.
Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte sassen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.
Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.
Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und ruft laut mit schäumendem Mund:
"Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn -
Ich bin der König von Babylon!"
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weisser Wand
Das kam's hervor, wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.
Der König stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Knien und totenblass.
Die Knechtschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keinen Laut.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
Die weltweiten Leser dieses Blogs werden sich wohl heute wundern über diese thematische Sprunghaftigkeit. Sie ist dem Matsch-Hirn des Verfassers geschuldet. In den dahin rasenden Jahren jenseits der 60 wird man allenthalben von Fehlleistungen und Mirakeln der kleinen grauen Zellen gebeutelt: Da fallen einem Namen von Leuten, mit denen man alltäglich zu tun hat nicht ein, verliert mitten im Satz den Faden oder kann sich oft nicht mehr erinnern, wem man eine Geschichte bereits erzählt hat. Hingegen sind Routen lang zurück liegender Reisen bis ins Detail und mit allen Stationen und Namen spontan abrufbar...
Und dann passiert in Träumen etwas, auf das man sich erst recht keinen Reim machen kann. Vor zwei Nächten wurde ich im Schlaf von dem obigen Gedicht umgetrieben, das ich vor einem halben Jahrhundert einmal hatte auswendig lernen müssen. Wenn es Heinrich von Kleist gewesen wäre, dessen zweihundertster Todestag (bizarrer Selbstmord) auf dieses Datum fiel, hätte sich ja vielleicht eine unterbewusste Verbindung erklären lassen. Aber Heinrich Heine?
Das Irre an dem Traum war die Tatsache, dass ich das Gedicht scheinbar noch konnte und irgendwelchen im Dunkel dämmernden Dritten eine aktuelle Interpretation lieferte: Es ging um Worte als Waffe gegen totalitäre Unterdrücker... Klar hatte ich mich in den Jahren als Buchhändler auch mit Heine beschäftigen müssen, aber seine politische Bedeutung blieb mir trotz der 68er-Bewegung entweder verschlossen oder sie interessierte mich damals nicht. Um so überraschender jetzt der Excurs meines Traum-Ichs, das den imaginären Zuhörern empfahl, sich bei den fast zwei Jahrhunderte alten Zeilen solche Leute wie Berlusconi, Ghadaffi oder Assad vorzustellen. Leider funktionieren Träume weder logisch noch linear und deshalb kreiselte der Rest in einer Endlosschleife, aus der ich mich regelrecht herausreißen musste.
Was dann am nächsten Morgen bei der neugierigen Ausarbeitung dieses Traumes passierte, ist der eigentliche Anlass für dieses Posting:
Computer an, "Menetekel" als Suchwort in den Google und schon war es da das Gedicht - auf den ersten Klick. Auf den zweiten und dritten wurden Kenntnisse aus der Dämmerung aktiviert. Der jüdische Dichter Deutscher Nation vom Antisemitismus und der Zensur des sogenannten "Vormärz" ins Exil nach Paris gezwungen, von wo er aus seiner "Matratzen-Gruft" mit Hilfe seiner mutigen Verleger Hoffmann und Campe revolutionäre Gedanken in herzergreifend romantische Lyrik verwob.
Heines Worte waren als Waffe so mächtig, dass sogar die Nazis noch den "jüdischen Vaterlandsverräter" als entartet aus "ihrer Kultur" verbannten. Hätte ja sein können, dass das Deutsche Volk den Tross und die Knechte als SS und Belsazar als den größenwahnsinnigen Adolf Hitler, das "Judengold" verprassend, erkennen würde.
"Wenn Worte meine Sprache wär'n", singt der aktuelle Shootingstar der deutschen Popszene, Tim Bendzko, und offenbart dabei wohl eher unfreiwillig, dass die Sprache beim Twittern und in Chat-Rooms brutal verkürzt, an Waffentauglichkeit verliert.
Ein Zwiespalt tut sich da auf, mit dem man lernen muss umzugehen: Ohne Smartphones, ohne Facebook und Twitter, ohne Handy-Videos und gemailte jpgs - das hat die jüngste Vergangenheit deutlich gezeigt - säßen viele Despoten noch immer da oben und feierten mit ihrem Tross.
Und noch ein Gedanke kam mir hierzu gestern, als mein Sohn 30 wurde:
Er, der heute für viele das eher abgefahrene und bald möglicher Weise auch brotlose Studium US-amerikanischer Literaten der Postmoderne betreibt, hatte meinen ersten ausrangierten PC im Alter von acht Jahren bekommen. Heute baut er mir Rechner so nebenbei zusammen, die in puncto Schnelligkeit und Zuverlässigkeit die meisten Markengeräte in den Schatten stellen. Habe ich fernab von ihm Probleme, übernimmt er via "Teamviewer" - wo immer er gerade ist - und löst sie.
Gestern also ist er durch ein Geschenk seiner Schwester rein wortetechnisch in eine neue Cyber-Dimension eingetreten. Er hat jetzt einen "Reader", der ihn online mit dem Großteil aller weltweit publizierten Werke zum Herunterladen verbindet. Das Display liest sich wie die Originalbuchseite auf Papier - also kein Spiegeln oder Überblenden, abe man braucht Licht. Dafür blättert man per Knopfdruck, kann sich Notizen an einzelenen Sätzen machen, braucht keine Lesezeichen und könnte sogar das ursprünglich vom legendären Belsazar überlieferte Menetekel aus dem Arameischen entschlüsseln. Bei Rembrandts berühmten Belsazar-Gemälde schreibt die Geisterhand nämlich hebräisch.
Mein Menetekel: Das gedruckte Buch wird durch Reader nicht sterben, sonden einen Liebhaber-Status erreichen wie die Schellackplatte. Die Wälder würden etwas geschont. Die Produktionskosten sind als Verleger-Ausrede nicht länger tauglich. Sie können vermehrt wieder Randgruppen-Literatur und Lyrik wagen. Aber was auch wirklich gut ist: Das demonstrative Verbrennen von Readern durch Despoten machte keinen Sinn.
Nur das Menetekel eines Cyber-Bücherwurms, der alle Daten auffräße, könnte uns vielleicht noch schrecken. Aber dann fangen wir eben wieder bei Null an. Wiederholt sich doch eh alles; - wie wir bei Heine nachlesen können...
Samstag, 19. November 2011
Ritter der Radwege
Wären wir uns selbst gegenüber alle so ehrlich, wie wir dies natürlich von unseren Mitmenschen verlangen, dann würden wir uns ein Mutationsphänomen eingestehen. Nämlich:
Hinter dem Lenkrad eines Autos fluchen wir nur allzu gerne über Radler und Fußgänger, um uns gleich darauf als Fußgänger über rücksichtslose Radler und Autofahrer aufzuregen... Logischer Weise flucht dann - auch zu Recht - der gelegentliche Radfahrer über trottelige Fußgänger auf dem Radweg und wünscht ignorant abbiegenden Autofahrern den Rost ins Getriebe. Es sind immer die anderen!
Ganz kleinlaut muss ich mich nun zur Gruppe letzterer Verkehrsteilnehmer bekennen. Nach einem Sturz vor zwei Jahren, über dessen Ursache ich mir nicht so sicher war, bin ich nun ausgerechnet im Münchner Großstadtverkehr wieder aufs Rad gestiegen. Aus heherem sozialpolitischen Gründen natürlich, denn im dritten Winter in Folge haben die öffentlichen Verkehrsmittel ihre Preise überproportional zur allgemeinen Teuerungsrate angehoben - begründet durch die höheren Energiekosten.
Ich erinnere mich noch gut an die blumigen, verkehrspolitischen Zielformulierungen der früheren Grünen-Vizebürgermeisterin Sabine Csampai, die die Verkehrsbetriebe so attraktiv und kostengünstig gestalten wollte, dass alle ihre Autos stehen lassen könnten.
München erstickt im Feinstaub des Trafficjams, zockt im öffentlichen Nahverkehr wie bei den Parkgebühren gnadenlos ab und lässt die Verkehrsführung derart haarstäubend umweltschädliche Ampelfrequenzen schalten, dass das weniger erzieherisch als vielmehr schikanös wirkt.
Nur die Radfahrer scheinen überproportional begünstigt, seit sich die Stadt dem Ziel verschrieben hat, als Radfahrer-Metropole beispielhaft zu sein. Nun muss man als Nichtbayer wissen, dass "Radlfahrer" mundartlich auch als Synonym für Arschkriecher Verwendung findet. Wenn sich also der Stadtrat heute damit brüstet, dass die 17,4 Prozent Münchner Verkehrsteilnehmer, die aufs Rad steigen, ein Beleg für die fabelhafte Versorgung der Stadt mit Radwegen sind, dann kommt eher der Verdacht der Arschkriecherei beim Wahlvolk auf. Speziell in meinem Stadtteil liegt die Vermutung nahe, dass viele Radler bei jedem Wetter vor allem deshalb mit Muskelkraft unterwegs sind, weil sie sich sonst den Weg zur meist untertariflich bezahlten Arbeit gar nicht leisten könnten.
Dank dieses milden Novembers hatte ich beinahe täglich Gelegenheit, eine neue Strecke auszuprobieren, wobei ich eben den Vorteil habe, dass ich nirgendwo hin m u s s... Dabei stellte ich folgendes fest: Die "Freizeit-Strecken" - also solche Verbindungen zwischen Olympia-, Petuel-Park und Englischem Garten oder hinaus nach Schleißheim oder Nymphenburg legen für die Landeshauptstadt wirklich Ehre ein. Um diese Jahreszeit kommt man sich auf ihnen aber wie der einsame Ritter der Radwege vor.
Dort hingegen, wo radelnde Arbeitnehmer, Schüler und Studenten aber hinmüssen, wird das Ergebnis schon ernüchternder und gelegentlich ist es sogar wirklich gefährlich eng (beispielsweise zwischen Kurfürstenplatz und Elisabethmarkt oder in der südlichen Schleißheimer Straße).
Was nützen beispielsweise Einbahnstraßen, die von Radlern gegen die Laufrichtung genutzt werden dürfen, wenn der rechte Straßenrand dann zu geparkt ist und die entgegenkommenden Autos in jedem Fall auf das Recht des Stärkeren pochen, wenn es dem Trambahnfahrer wurscht ist, ob zwischen ihm und einem Lieferantenfahrzeug noch für den gerade dort rechtens radelnden Verkehrsteilnehmer ausreichend Platz bleibt...?
Wo rein bauhistorisch nicht genügend Raum für alle ist, kann keiner zusätzlich herbeigezaubert werden. Da ist allgemeine Toleranz und Rücksichtnahme angesagt. Es steht auch außer Frage, dass die Münchner Radler - seit eine Boulevard-Zeitung den Begriff Radel-Rambo erfunden hat - im Ruf einer "Wilden-Reiter-GmbH" stehen, aber wer mitbekommt, dass die Polizei regelrechte Radlerfallen aufstellt, frage sich schon nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel:
Während hier zur Mittagszeit an der Kreuzung mit dem besten Brotzeit-Metzger von allen jeder Quadratzentimeter (also auch die vier Radwege) - bisweilen sogar von hungrigen Streifenwagen-Besatzungen - zu geparkt wird, kann man Radler andererseits selbst nachts nur warnen, vom Scheidplatz Richtung Petuel-Park auf der linken Seite zu bleiben. Dort gibt es im Halbdunkel des Luitpold-Parkes nämlich auf einmal ein Verbotsschild für die stadtauswärts Radelnden, obwohl sich die Breite des Radweges auch danach nicht ändert. - Aber auf dem Fußweg steht dann gern mal eine Streife, die das Verkehrsvergehen gleich gegen Cash ahndet...
Hinter dem Lenkrad eines Autos fluchen wir nur allzu gerne über Radler und Fußgänger, um uns gleich darauf als Fußgänger über rücksichtslose Radler und Autofahrer aufzuregen... Logischer Weise flucht dann - auch zu Recht - der gelegentliche Radfahrer über trottelige Fußgänger auf dem Radweg und wünscht ignorant abbiegenden Autofahrern den Rost ins Getriebe. Es sind immer die anderen!
Ganz kleinlaut muss ich mich nun zur Gruppe letzterer Verkehrsteilnehmer bekennen. Nach einem Sturz vor zwei Jahren, über dessen Ursache ich mir nicht so sicher war, bin ich nun ausgerechnet im Münchner Großstadtverkehr wieder aufs Rad gestiegen. Aus heherem sozialpolitischen Gründen natürlich, denn im dritten Winter in Folge haben die öffentlichen Verkehrsmittel ihre Preise überproportional zur allgemeinen Teuerungsrate angehoben - begründet durch die höheren Energiekosten.
Ich erinnere mich noch gut an die blumigen, verkehrspolitischen Zielformulierungen der früheren Grünen-Vizebürgermeisterin Sabine Csampai, die die Verkehrsbetriebe so attraktiv und kostengünstig gestalten wollte, dass alle ihre Autos stehen lassen könnten.
München erstickt im Feinstaub des Trafficjams, zockt im öffentlichen Nahverkehr wie bei den Parkgebühren gnadenlos ab und lässt die Verkehrsführung derart haarstäubend umweltschädliche Ampelfrequenzen schalten, dass das weniger erzieherisch als vielmehr schikanös wirkt.
Nur die Radfahrer scheinen überproportional begünstigt, seit sich die Stadt dem Ziel verschrieben hat, als Radfahrer-Metropole beispielhaft zu sein. Nun muss man als Nichtbayer wissen, dass "Radlfahrer" mundartlich auch als Synonym für Arschkriecher Verwendung findet. Wenn sich also der Stadtrat heute damit brüstet, dass die 17,4 Prozent Münchner Verkehrsteilnehmer, die aufs Rad steigen, ein Beleg für die fabelhafte Versorgung der Stadt mit Radwegen sind, dann kommt eher der Verdacht der Arschkriecherei beim Wahlvolk auf. Speziell in meinem Stadtteil liegt die Vermutung nahe, dass viele Radler bei jedem Wetter vor allem deshalb mit Muskelkraft unterwegs sind, weil sie sich sonst den Weg zur meist untertariflich bezahlten Arbeit gar nicht leisten könnten.
Dank dieses milden Novembers hatte ich beinahe täglich Gelegenheit, eine neue Strecke auszuprobieren, wobei ich eben den Vorteil habe, dass ich nirgendwo hin m u s s... Dabei stellte ich folgendes fest: Die "Freizeit-Strecken" - also solche Verbindungen zwischen Olympia-, Petuel-Park und Englischem Garten oder hinaus nach Schleißheim oder Nymphenburg legen für die Landeshauptstadt wirklich Ehre ein. Um diese Jahreszeit kommt man sich auf ihnen aber wie der einsame Ritter der Radwege vor.
Dort hingegen, wo radelnde Arbeitnehmer, Schüler und Studenten aber hinmüssen, wird das Ergebnis schon ernüchternder und gelegentlich ist es sogar wirklich gefährlich eng (beispielsweise zwischen Kurfürstenplatz und Elisabethmarkt oder in der südlichen Schleißheimer Straße).
Was nützen beispielsweise Einbahnstraßen, die von Radlern gegen die Laufrichtung genutzt werden dürfen, wenn der rechte Straßenrand dann zu geparkt ist und die entgegenkommenden Autos in jedem Fall auf das Recht des Stärkeren pochen, wenn es dem Trambahnfahrer wurscht ist, ob zwischen ihm und einem Lieferantenfahrzeug noch für den gerade dort rechtens radelnden Verkehrsteilnehmer ausreichend Platz bleibt...?
Wo rein bauhistorisch nicht genügend Raum für alle ist, kann keiner zusätzlich herbeigezaubert werden. Da ist allgemeine Toleranz und Rücksichtnahme angesagt. Es steht auch außer Frage, dass die Münchner Radler - seit eine Boulevard-Zeitung den Begriff Radel-Rambo erfunden hat - im Ruf einer "Wilden-Reiter-GmbH" stehen, aber wer mitbekommt, dass die Polizei regelrechte Radlerfallen aufstellt, frage sich schon nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel:
Während hier zur Mittagszeit an der Kreuzung mit dem besten Brotzeit-Metzger von allen jeder Quadratzentimeter (also auch die vier Radwege) - bisweilen sogar von hungrigen Streifenwagen-Besatzungen - zu geparkt wird, kann man Radler andererseits selbst nachts nur warnen, vom Scheidplatz Richtung Petuel-Park auf der linken Seite zu bleiben. Dort gibt es im Halbdunkel des Luitpold-Parkes nämlich auf einmal ein Verbotsschild für die stadtauswärts Radelnden, obwohl sich die Breite des Radweges auch danach nicht ändert. - Aber auf dem Fußweg steht dann gern mal eine Streife, die das Verkehrsvergehen gleich gegen Cash ahndet...
Mittwoch, 16. November 2011
Zeit-Reise 5: Und ewig fällt der Imam in Ohnmacht
Fortsetzung des Posts vom 13. 11. 2011 - Kulurgut Küche
In meiner Kindheit und Jugend war Essengehen noch etwas besonderes. Der Umzug von Hamburg nach München offenbarte dann dem noch unerfahrenen Gaumen allein schon eine abenteuerlich kulinarische, innerdeutsche Bandbreite: Von fischlastigen Gaststätten im Norden zu wurstwuchtigen Wirtshäusern im Süden oder quasi vom Labskaus zum Leberkäs. Auch ein echtes Spektakel war es in den fünziger und sechziger Jahren, wenn es hieß, es geht zum Chniesen; meistens an unseren Geburtstagen...Und natürlich wurde mit Stäbchen gegessen.
Aber dann lernten wir auf unseren Orientreisen noch eine neue delikate Dimension kennen: Die osmanische.
Viele Experten vermeiden den Begriff türkische Küche ja bewusst, weil ein kulturhistorischer Rückblick doch schnell offenbart, wieso es zwischen der kleinasiatischen und zum Beispiel der griechischen Kochkunst soviele Parallelen gibt, obwohl das ja Angehörige beider Nationen gar nicht gerne hören: Ein Sakrileg, Raki und Uuzo sowie Döner und Gyros zu vergleichen oder gar die Blätterteig-Fleischpasteten! Auch wieso Schaschlik kaukasisch eigentlich dem Sis Kebab so ähnelt?...
Ich befürchte, dass mich die Türkei nicht nur zum Gourmet, sondern leider auch zum stets mit dem Gewicht kämpfenden Gourmand gemacht hat. Denn was es im Occident eben nicht gab, das war der einzigartige Vorteil, dass man in die Küchen der türkischen Lokantasi hinein durfte, um sich vom Herd oder Grill das auszusuchen, was einem mit dem verlockendsten Duft in die Nase stieg oder am leckersten aussah.
Später als für mich das Abenteuer etwas selber zu kochen dazu kam, habe ich oft versucht, diese genialen türkischen Geschmackserlebnisse meiner Kindheit durch eigene Leistung in Erinerung zu rufen. Es ist mir nicht gelungen, obwohl doch die türkische Küche von der Zubereitungsart als so "einfach" gilt:
Zum Beispiel das über der Holzkohle geröstete Küken im Brotfladen mit grünem Koriander, Petersilie und roten Zwiebeln - gelöscht durch gepfefferten Joghurt. Heute sind rote Zwiebeln bei uns ja in jedem Supermarkt eine Selbstverständlichkeit. Damals gab es in den deutschen Gemüseläden meist nur die weißgrün gestreifte deutsche Zwiebel.
Oder Biber Dolmasi - eben nicht nur bloß mit Hackfleisch gefüllte Paprikaschoten, sondern in drei Varianten auf dem Teller: mit Reis, Pinienkernen und Rosinen..
Die fritierten Sardinen mit Okra waren einmal eine Spezialität, bevor das Altin Balik im Bosposrus zum Bauchtanz-Bums verkommen ist.
Die vielen Zubereitungsarten von Kebab und Köfte; letztere klingen als Keftedes in Griechenland zwar ähnlich, aber die Fleischbällchen - ob gegrillt oder fritiert - werden im Islam eben ohne Schweinefleisch aber dafür als Lamm-Rind-Kalb-Gemisch oder in der Geflügelvariante zubereitet.
Und dann fällt natürlich immer noch der Imam in Ohnmacht, obwohl diese wohl berühmteste Spezialität, ein Auberginen-Hackfleisch-Gericht auch sehr häufig besser schmeckende Pendants und artverwandte Varianten rund ums Mittelmeer zeitigt. Beispeilsweise in Tunesien mit sogenannten Baby-Auberginen.
Und wer von Lübecker Marzipan als einzigartig schwärmt, glaubt seinem Gaumen nicht, wenn er erstmals die kleinen, gepuderten Rollen aus Dolma Bahce probiert hat.
Während ich heute kulinarische Reise-Erinnerungen hierzulande im Restaurant nicht selten sogar auf Gourmet-Niveau auffrischen kann, wird mir das von unseren türkischen Mitbürgern meist nur unbefriedigend auf grauslichem Fastfood-Niveau gewährt.
Wir gehen zwar zum Nobel-Italiener um die Ecke und haben griechische Stammkneipen. Wir hauen uns beim All-You-Can-Eat stylishes Sushi vom Fließband rein, aber einen Nobel-Türken, zu dem wir in die Küche dürfen, um uns ein Menü im erstklassigen osmanischen Stil zusammen zu stellen, kenne ich nicht. Die türkische Küche definiert sich zumindest hier in München über Döner-Kabuffs, die in den seltensten Fällen wirklich einladend wirken.
Warum ist das so? In der Lindwurmstraße gibt es einen grandiosen türkischen Bäcker, zu dem aus der ganzen Stadt und ihrem Umkreis auch Nicht-Türken pilgern. Der türkische Gemüse-Händler hier um die Ecke besticht durch preiswerte Spitzen-Qualität. Und das Lamm, das es bei Saladin schräg über die Straße gibt, schlägt alles, was ich bisher in München kaufen konnte. Was hält also die türkischen Köche davon ab, für ihre Küche Ehre auf höherem Niveau einzulegen?
Ich habe zwei Theorien:
Erstens: Sie verweigern und verschanzen sich genauso wie bei der Integration hinter diversen Vorurteilen.
Zweitens: Ihnen reicht es, mit dem "Döner-Tier" schnell Kohle abzugeifen...
Ende der Zeit-Reisen
Demnächst hier: Die Ritter der Radwege
In meiner Kindheit und Jugend war Essengehen noch etwas besonderes. Der Umzug von Hamburg nach München offenbarte dann dem noch unerfahrenen Gaumen allein schon eine abenteuerlich kulinarische, innerdeutsche Bandbreite: Von fischlastigen Gaststätten im Norden zu wurstwuchtigen Wirtshäusern im Süden oder quasi vom Labskaus zum Leberkäs. Auch ein echtes Spektakel war es in den fünziger und sechziger Jahren, wenn es hieß, es geht zum Chniesen; meistens an unseren Geburtstagen...Und natürlich wurde mit Stäbchen gegessen.
Aber dann lernten wir auf unseren Orientreisen noch eine neue delikate Dimension kennen: Die osmanische.
Viele Experten vermeiden den Begriff türkische Küche ja bewusst, weil ein kulturhistorischer Rückblick doch schnell offenbart, wieso es zwischen der kleinasiatischen und zum Beispiel der griechischen Kochkunst soviele Parallelen gibt, obwohl das ja Angehörige beider Nationen gar nicht gerne hören: Ein Sakrileg, Raki und Uuzo sowie Döner und Gyros zu vergleichen oder gar die Blätterteig-Fleischpasteten! Auch wieso Schaschlik kaukasisch eigentlich dem Sis Kebab so ähnelt?...
Ich befürchte, dass mich die Türkei nicht nur zum Gourmet, sondern leider auch zum stets mit dem Gewicht kämpfenden Gourmand gemacht hat. Denn was es im Occident eben nicht gab, das war der einzigartige Vorteil, dass man in die Küchen der türkischen Lokantasi hinein durfte, um sich vom Herd oder Grill das auszusuchen, was einem mit dem verlockendsten Duft in die Nase stieg oder am leckersten aussah.
Später als für mich das Abenteuer etwas selber zu kochen dazu kam, habe ich oft versucht, diese genialen türkischen Geschmackserlebnisse meiner Kindheit durch eigene Leistung in Erinerung zu rufen. Es ist mir nicht gelungen, obwohl doch die türkische Küche von der Zubereitungsart als so "einfach" gilt:
Zum Beispiel das über der Holzkohle geröstete Küken im Brotfladen mit grünem Koriander, Petersilie und roten Zwiebeln - gelöscht durch gepfefferten Joghurt. Heute sind rote Zwiebeln bei uns ja in jedem Supermarkt eine Selbstverständlichkeit. Damals gab es in den deutschen Gemüseläden meist nur die weißgrün gestreifte deutsche Zwiebel.
Oder Biber Dolmasi - eben nicht nur bloß mit Hackfleisch gefüllte Paprikaschoten, sondern in drei Varianten auf dem Teller: mit Reis, Pinienkernen und Rosinen..
Die fritierten Sardinen mit Okra waren einmal eine Spezialität, bevor das Altin Balik im Bosposrus zum Bauchtanz-Bums verkommen ist.
Die vielen Zubereitungsarten von Kebab und Köfte; letztere klingen als Keftedes in Griechenland zwar ähnlich, aber die Fleischbällchen - ob gegrillt oder fritiert - werden im Islam eben ohne Schweinefleisch aber dafür als Lamm-Rind-Kalb-Gemisch oder in der Geflügelvariante zubereitet.
Und dann fällt natürlich immer noch der Imam in Ohnmacht, obwohl diese wohl berühmteste Spezialität, ein Auberginen-Hackfleisch-Gericht auch sehr häufig besser schmeckende Pendants und artverwandte Varianten rund ums Mittelmeer zeitigt. Beispeilsweise in Tunesien mit sogenannten Baby-Auberginen.
Und wer von Lübecker Marzipan als einzigartig schwärmt, glaubt seinem Gaumen nicht, wenn er erstmals die kleinen, gepuderten Rollen aus Dolma Bahce probiert hat.
Während ich heute kulinarische Reise-Erinnerungen hierzulande im Restaurant nicht selten sogar auf Gourmet-Niveau auffrischen kann, wird mir das von unseren türkischen Mitbürgern meist nur unbefriedigend auf grauslichem Fastfood-Niveau gewährt.
Wir gehen zwar zum Nobel-Italiener um die Ecke und haben griechische Stammkneipen. Wir hauen uns beim All-You-Can-Eat stylishes Sushi vom Fließband rein, aber einen Nobel-Türken, zu dem wir in die Küche dürfen, um uns ein Menü im erstklassigen osmanischen Stil zusammen zu stellen, kenne ich nicht. Die türkische Küche definiert sich zumindest hier in München über Döner-Kabuffs, die in den seltensten Fällen wirklich einladend wirken.
Warum ist das so? In der Lindwurmstraße gibt es einen grandiosen türkischen Bäcker, zu dem aus der ganzen Stadt und ihrem Umkreis auch Nicht-Türken pilgern. Der türkische Gemüse-Händler hier um die Ecke besticht durch preiswerte Spitzen-Qualität. Und das Lamm, das es bei Saladin schräg über die Straße gibt, schlägt alles, was ich bisher in München kaufen konnte. Was hält also die türkischen Köche davon ab, für ihre Küche Ehre auf höherem Niveau einzulegen?
Ich habe zwei Theorien:
Erstens: Sie verweigern und verschanzen sich genauso wie bei der Integration hinter diversen Vorurteilen.
Zweitens: Ihnen reicht es, mit dem "Döner-Tier" schnell Kohle abzugeifen...
Ende der Zeit-Reisen
Demnächst hier: Die Ritter der Radwege
Sonntag, 13. November 2011
Zeit-Reise 4: Die Sprache der Liebe
Fortzsetzung des Posts vom 10.11.2011
Wenn die "Lie-hie-be" tatsächlich eine Himmelsmacht wäre, wie das eine Schnulze besingt, dann frage ich mich doch, wieso sich der Islam generell so schwer tut, sie in der Gegenwart endlich liberaler zuzulassen. Sage mir, wie Du mit Deinen Frauen umgehst und ich sage Dir, wes Geistes (Gottes) Kind Du bist. Vor der Renaissance des fundamentalen Islamismus, waren viele Länder in puncto Emanzipation der Frauen schon auf dem richtigen Weg. Auch einige, in denen in diesem Jahr der sogenannte "Arabische Frühling" ausgebrochen war. Nun scheint es, dass auch dort die Frauen wieder einmal auf der Strecke bleiben - wie vermutlich auch die weitere Hoffnung auf Demokratisierung.
In der Türkei haben die Frauen schon seit 1934 aktives und passives Wahlrecht. Auch hier war Kemal Pascha ein absoluter Vorreiter...
Bei meinen ersten Reisen durch die Türkei als Knabe, war die Liebe zwischen Mann und Frau natürlich noch kein Thema, aber bei meiner dritten gut anderthalb Jahrzehnte später:
Als Twen, der in der in den ersten Jahren der Antibaby-Pille zum Manne geworden war und die liberalen Auswüchse der Hippie-Zeit halbwegs ohne Knacks aber dennoch recht erfahren überstanden hatte, bereiste ich die Türkei journalistisch. Diesmal war ich von Investoren, Reiseunternehmern und Hoteliers zu einer Präsentation des modernisierten Skigebietes am Uludag, dem Bythinischen Olymp, über der alten osmanischen Hauptstadt Bursa in der Westtürkei gebeten worden.
Das Land, wie ich es als Kind kennen gelernt hatte, fand ich zwar verändert, aber was sich dort oben abspielte, war so eine Art "Zauberberg" auf türkisch. Die türkische Oberschicht hatte sich im westlichen Stil mit Luxushotels, Clubs und schicken Appartements einen Tummelplatz geschaffen, der durchaus Flair hatte. Wenn sich auch die Hoffnung auf deutsche Flugtouristen nicht ganz erfüllen sollte, so kamen doch Türken, die es in Deutschland bereits zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten und diesen nun daheim vorführen wollten. Das Skifahren war dabei eher eine amüsante Nebensache. Hauptsächlich ging nachts in den Discotheken bei jeder Menge Alkohol die Post ab. Wie bereits geschrieben - die Ayatollahs waren da noch nur ein schwarzer Schatten im Osten.
Überwiegend waren junge Ehepaare die Klientel, aber auch Männergruppen. Was in den ersten Stunden auf der Tanzfläche zu lustigen Erfahrungen führte, weil bei folkoloristisch-türkischer Popmusik zunächst nur die Männer ihre Hüften schwingend Reihen bildeten. In den 70ern war es ja aufgekommen, dass man auch alleine auf die Tanzfläche gehen konnte. Das machten dann vor allem die Damen, wenn zu späterer Stunde die gängigen Hits aus dem Westen aufgelegt wurden. Eine Mitdreißigerin fiel mir dabei besonders auf, weil alle irgendwie einen Abstand zu ihr ließen, um nicht zu sagen, einen Bogen um sie tanzten. Das konnte weder an mangelnder Schönheit noch Eleganz liegen. Tatsächlich war sie eine statuarische , langbeinige Schönheit, die mit unerhörten Kurven an den richtigen Stellen sogar den damaligen Bauchtanz-Star "Nur" ausstach, die für den früheren Abend engagiert worden war...
Später sprach sie mich in akzentfreiem Deutsch an, was mich (in Richtung Gunstgewerbe) zunächst argwöhnisch machte. Im Laufe der Nacht aber erzählte sie mir eine - ihre - Geschichte, aus der der türkisch-deutsche Kultregisseur Fatih Akin durchaus einen für ihn typischen Filmstoff machen könnte:
Im Alter von 17 war sie aus Zentral-Anatolien nach Deutschland gekommen, um einen Mann zu heiraten, den die Eltern für sie zwar in der Heimat ausgesucht hatten, aber den weder sie noch ihre Tochter je persönlich zu Gesicht bekommen hatten. Es zählte lediglich, dass die Väter dies als Waffenkameraden während ihrer gemeinsamen Militärzeit abgemacht hatten.
Ohne jegliche Deutschkenntnisse wurde sie von ihrem Mann, der ihr von der ersten Sekunde dieser Zwangsehe mißfiel, in eine ziemlich heruntergekommene Kreuzberger Wohnung gesperrt und mehr oder weniger täglich vergewaltigt. Als keine Kinder kamen, kühlte sich das Mütchen des Ehemanns, der seine Zerstreunng andernorts suchte und seine Frau alsbald zur Lohnsklavin degradierte. Was letztlich für ihre Befreiung sorgte, weil sie an ihrer Arbeiststelle schneller Deutsch lernte als ihr Zwangsgemahl.
Die dank der Pille ihre sexuelle Freiheit genießenden, frisch emanzipierten,deutschen Arbeitskolleginnen, denen sie sich anvertraute, rieten ihr in Unkenntnis der gefährlichen, türkischen Ehren-Riten ihren Mann zu verlassen. Nach einem kriminellen Gewalt-Drama, in dem auch die deutschen Behörden wegen der an den Ehemann gebundenen Aufenthaltsgenehmigung keine besonders rühmliche Rolle spielten, gelang es der jungen Frau nicht nur die Aufnahmeprüfung in der Schwesternschule zu bestehen, sondern durch herausragende Leistungen auch die erste türkischstämmige Oberschwester an der Charité zu werden. Die Früchte ihres Strebens genoß sie nun - ein wenig provokant zwar - bei ihren "Heimaturlauben" als zwischenzeitlich geschiedener, überzeugter Single, der dies die türkischen Männer dann auch unverblümt wissen ließ.
Dieser Tage kam mir die ganze Geschichte in Erinnerung, weil ich den Bericht über die Beratungsstelle für Opfer von Zwangsehen gelesen hatte. Über 3000 Frauen - nur die Spitze des Eisberges - wenden sich demnach alljährlich um Hilfe an diese Einrichtung. Darüber hinaus gäbe es Erkenntnisse - so die Bundesministerin - , dass von jeder dritten Zwangsehe minderjährige Mädchen betroffen seien. Von Zwangsehen, die in Deutschland Straftatbestand erfüllten!...
Da bekommt Premier Erdogans Forderung nach türkischen Schulen in Deutschland und seine ablehnende Haltung gegenüber den geforderten Sprachkenntnissen als Grundvoraussetzung für eine Einbürgerung oder gar doppelte Staatsbürgerschaft doch diesen extrem konservativen Beigeschmack, den man im Hinblick auf seine großosmanischen Begehrlichkeiten fürchten sollte.
Wenn die "Lie-hie-be" tatsächlich eine Himmelsmacht wäre, wie das eine Schnulze besingt, dann frage ich mich doch, wieso sich der Islam generell so schwer tut, sie in der Gegenwart endlich liberaler zuzulassen. Sage mir, wie Du mit Deinen Frauen umgehst und ich sage Dir, wes Geistes (Gottes) Kind Du bist. Vor der Renaissance des fundamentalen Islamismus, waren viele Länder in puncto Emanzipation der Frauen schon auf dem richtigen Weg. Auch einige, in denen in diesem Jahr der sogenannte "Arabische Frühling" ausgebrochen war. Nun scheint es, dass auch dort die Frauen wieder einmal auf der Strecke bleiben - wie vermutlich auch die weitere Hoffnung auf Demokratisierung.
In der Türkei haben die Frauen schon seit 1934 aktives und passives Wahlrecht. Auch hier war Kemal Pascha ein absoluter Vorreiter...
Bei meinen ersten Reisen durch die Türkei als Knabe, war die Liebe zwischen Mann und Frau natürlich noch kein Thema, aber bei meiner dritten gut anderthalb Jahrzehnte später:
Als Twen, der in der in den ersten Jahren der Antibaby-Pille zum Manne geworden war und die liberalen Auswüchse der Hippie-Zeit halbwegs ohne Knacks aber dennoch recht erfahren überstanden hatte, bereiste ich die Türkei journalistisch. Diesmal war ich von Investoren, Reiseunternehmern und Hoteliers zu einer Präsentation des modernisierten Skigebietes am Uludag, dem Bythinischen Olymp, über der alten osmanischen Hauptstadt Bursa in der Westtürkei gebeten worden.
Das Land, wie ich es als Kind kennen gelernt hatte, fand ich zwar verändert, aber was sich dort oben abspielte, war so eine Art "Zauberberg" auf türkisch. Die türkische Oberschicht hatte sich im westlichen Stil mit Luxushotels, Clubs und schicken Appartements einen Tummelplatz geschaffen, der durchaus Flair hatte. Wenn sich auch die Hoffnung auf deutsche Flugtouristen nicht ganz erfüllen sollte, so kamen doch Türken, die es in Deutschland bereits zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten und diesen nun daheim vorführen wollten. Das Skifahren war dabei eher eine amüsante Nebensache. Hauptsächlich ging nachts in den Discotheken bei jeder Menge Alkohol die Post ab. Wie bereits geschrieben - die Ayatollahs waren da noch nur ein schwarzer Schatten im Osten.
Überwiegend waren junge Ehepaare die Klientel, aber auch Männergruppen. Was in den ersten Stunden auf der Tanzfläche zu lustigen Erfahrungen führte, weil bei folkoloristisch-türkischer Popmusik zunächst nur die Männer ihre Hüften schwingend Reihen bildeten. In den 70ern war es ja aufgekommen, dass man auch alleine auf die Tanzfläche gehen konnte. Das machten dann vor allem die Damen, wenn zu späterer Stunde die gängigen Hits aus dem Westen aufgelegt wurden. Eine Mitdreißigerin fiel mir dabei besonders auf, weil alle irgendwie einen Abstand zu ihr ließen, um nicht zu sagen, einen Bogen um sie tanzten. Das konnte weder an mangelnder Schönheit noch Eleganz liegen. Tatsächlich war sie eine statuarische , langbeinige Schönheit, die mit unerhörten Kurven an den richtigen Stellen sogar den damaligen Bauchtanz-Star "Nur" ausstach, die für den früheren Abend engagiert worden war...
Später sprach sie mich in akzentfreiem Deutsch an, was mich (in Richtung Gunstgewerbe) zunächst argwöhnisch machte. Im Laufe der Nacht aber erzählte sie mir eine - ihre - Geschichte, aus der der türkisch-deutsche Kultregisseur Fatih Akin durchaus einen für ihn typischen Filmstoff machen könnte:
Im Alter von 17 war sie aus Zentral-Anatolien nach Deutschland gekommen, um einen Mann zu heiraten, den die Eltern für sie zwar in der Heimat ausgesucht hatten, aber den weder sie noch ihre Tochter je persönlich zu Gesicht bekommen hatten. Es zählte lediglich, dass die Väter dies als Waffenkameraden während ihrer gemeinsamen Militärzeit abgemacht hatten.
Ohne jegliche Deutschkenntnisse wurde sie von ihrem Mann, der ihr von der ersten Sekunde dieser Zwangsehe mißfiel, in eine ziemlich heruntergekommene Kreuzberger Wohnung gesperrt und mehr oder weniger täglich vergewaltigt. Als keine Kinder kamen, kühlte sich das Mütchen des Ehemanns, der seine Zerstreunng andernorts suchte und seine Frau alsbald zur Lohnsklavin degradierte. Was letztlich für ihre Befreiung sorgte, weil sie an ihrer Arbeiststelle schneller Deutsch lernte als ihr Zwangsgemahl.
Die dank der Pille ihre sexuelle Freiheit genießenden, frisch emanzipierten,deutschen Arbeitskolleginnen, denen sie sich anvertraute, rieten ihr in Unkenntnis der gefährlichen, türkischen Ehren-Riten ihren Mann zu verlassen. Nach einem kriminellen Gewalt-Drama, in dem auch die deutschen Behörden wegen der an den Ehemann gebundenen Aufenthaltsgenehmigung keine besonders rühmliche Rolle spielten, gelang es der jungen Frau nicht nur die Aufnahmeprüfung in der Schwesternschule zu bestehen, sondern durch herausragende Leistungen auch die erste türkischstämmige Oberschwester an der Charité zu werden. Die Früchte ihres Strebens genoß sie nun - ein wenig provokant zwar - bei ihren "Heimaturlauben" als zwischenzeitlich geschiedener, überzeugter Single, der dies die türkischen Männer dann auch unverblümt wissen ließ.
Dieser Tage kam mir die ganze Geschichte in Erinnerung, weil ich den Bericht über die Beratungsstelle für Opfer von Zwangsehen gelesen hatte. Über 3000 Frauen - nur die Spitze des Eisberges - wenden sich demnach alljährlich um Hilfe an diese Einrichtung. Darüber hinaus gäbe es Erkenntnisse - so die Bundesministerin - , dass von jeder dritten Zwangsehe minderjährige Mädchen betroffen seien. Von Zwangsehen, die in Deutschland Straftatbestand erfüllten!...
Da bekommt Premier Erdogans Forderung nach türkischen Schulen in Deutschland und seine ablehnende Haltung gegenüber den geforderten Sprachkenntnissen als Grundvoraussetzung für eine Einbürgerung oder gar doppelte Staatsbürgerschaft doch diesen extrem konservativen Beigeschmack, den man im Hinblick auf seine großosmanischen Begehrlichkeiten fürchten sollte.
Donnerstag, 10. November 2011
Zeit-Reise 3: Integration nur ohne Isolation
Fortsetzung des Posts vom 7. November über kulturelle Verlgeiche zwischen Deutschland und der Türkei
Wirtschaft
Zwischen osmanischer Großmacht und dem "kranken Mann am Bosporus" - das Wechselbad in der Weltgeschichte weist über die Jahrhunderte mit Expansionsdrang, Zerschlagung, Völkermorden und dem Ringen zwischen Diktatur und Demokratie eine Reihe von Parallelen zwischen der deutschen und türkischen Historie auf; wenn auch zu verschiedenen Jahrhunderten oder zeitversetzt. Gleichermaßen auffallend ist beider Nationen Fähigkeit, sich aus tiefen Tälern wieder zu befreien. Die Ähnlichkeit der Tugenden - nämlich Fleiß und Leistungswillen - wurde auch in der Türkei mitunter von einem fanatischen Nationalismus überlagert.
Obwohl die Türkei sehr früh dem Völkerbund und der NATO beigetreten war, gab es eben keinen Marshallplan für dieses von Agrarstrukturen beherrschte Land. Kemal hatte zwar die Öffnung nach Westen und mehr Industrialisierung gewollt, aber sein früher Tod und der Zweite Weltkrieg kamen dazwischen.
Als Knabe mit Großeltern auf dem Land erlebte ich also auf jener Reise den verblüffenden Kontrast zwischen unserer im "Wirtschaftswunder" mittlerweile bereits hoch technisierten Landwirtschaft und der Erntearbeit in Ost-Anatolien, wo Frauen auf von Maultieren gezogenen Schlitten das Korn "droschen" und wahre Seelenverkäufer von Lastwagen (nächtens oft nur mit einer Stall-Laterne im Führerhaus) die Feldfrüchte sehr unzuverlässig in die Ballungszentren schafften.
Aus diesem wirtschaftlichen Umfeld war für die meisten Männer keine ausreichende Wertschöpfung zu erzielen, um die Familien sicher zu ernähren oder gar jemals zum westlichen Lebensstandard aufzuschließen. Man mag es dort heute vielleicht nicht mehr gerne hören, aber die Türkei war zumindest da noch augenscheinlich auf der Stufe eines (später so genannten) Entwicklungslandes. Die Anwerbungen aus Deutschland kamen also genau im rechten Moment.
Sie kamen aber auch in dem Moment, in dem Walter Ulbricht seinen Schutzwall gegen den kapitalistischen Imperialismus zwischen beiden deutschen Staaten hochzog, um die Massenabwanderung aus seinem Arbeiter- und Bauern-Paradies zu stoppen. War das vielleicht ein Grund, wieso das Thema der Integration an den als Gäste angeworbenen Arbeitskräften verfehlt wurde? An deren ersten beiden Generationen scheiterte die Integration, weil sie von deutscher Seite gar nicht ins Auge gefasst wurde. Ihre Isolation aufzugeben, kam den Arbeitern aus der Fremde ebenfalls nicht in den Sinn, weil sie ja davon ausgegangen waren, ein schnelles Vermögen zu machen, um dann wieder in die Heimat zurückzukehren. Doch nach einer Weile wollten das die Wenigsten. Mit den nachziehenden Ehefrauen und Kleinkindern sowie dann mit deren bereits in Deutschland geborenen Nachkommen wurden diese Versäumnisse von Staatswegen bereits offenkundig und hätten in den 1990ern durch orientierungslose türkische Jugendlichen, die in einem wiedervereinigten Deutschland scheinbar an die Wand gedrückt wurden, fast zu einem gesellschaftlichen Debakel geführt.
Weniger die ergriffenen Maßnahmen der Politik als der Behauptungswillen der ehrgeizigen türkischen Jugendlichen haben größere Probleme offenbar verhindert, obwohl sie sich selbst nach der Jahrtausendwende immer noch mannigfaltigen Diskriminierungen ausgesetzt sehen. Aber weil sie eben von sich aus die Isolation, die ihnen vielleicht auch noch durchs Elternhaus oktroyiert wurde, durchbrochen haben, sind sie jetzt in der Gesellschaft angekommen.
Perfide wird es allerdings, wenn der "Özil-Effekt" via Fußball-Nationalmannschaft als Resultat einer geglückten Integration missbraucht wird.
Ich habe mich wegen dieser Zeilen hier gefragt, wieso in meinem großen internationalen Freundes- und Bekanntenkreis nur eine einzige Türkin zu finden ist. Auch die zählt als Entlastungsbeispiel nicht richtig, weil sie als Tochter eines journalistischen Auslandskorrespondenten und Ehefrau eines Deutschen kaum in der Türkei gelebt hat.
In meiner Jugend traf man beim Sport keine Türken. Die Isolation war selbst auf den Sportplatz so groß, dass es hier in München sogar einen eigenen türkischen Fußball-Verein geben musste, dem dann überall in Deutschland weitere Türk-Gücü-Teams folgten. Einzige Unterschiede machten Kraftsportarten wie Ringen und Gewichtheben, in denen die Bundesligamannschaften schon sehr bald auf die traditionell besser geschulten, türkischen Athleten nicht mehr verzichten konnten.
Was das mit Wirtschaft zu tun hat? Ich habe da eine Anti-Sarazin-These entwickelt. Nämlich immer dort, wo Türken die Isolation ihres Malocher-Daseins durchbrochen haben, hatten sie auch aufgrund ihrer Fähigkeiten sehr schnell wirtschaftlichen Erfolg: ob das nun der Gemüsehändler oder der Bäcker oder der Reiseunternehmer war. Die Ögers und Özdemirs waren nur anfangs Ausnahmen. Heute sind die in Deutschland lebenden, selbständigen Türken nicht nur ein Wirtschaftsfaktor für Deutschland, sondern durch ihre Investitionen im Mutterland haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass die Türkei heute mit ihrem soliden Wachstum und der vergleichsweise geringen Staatsverschuldung eigentlich besser dasteht als die meisten Mitglieder der Euro-Zone, in die sie ja so dringend aufgenommen werden wollen.
Erdogans Selbstbewusstsein fußt auf dieser Prosperität. Die Forderung nach der doppelten Staatsbürgerschaft sollte nicht am Schielen auf die Gunst mit alten Vorurteilen belasteter Wähler scheitern. Vielleicht sind wir ja in einer ungewissen Zukunft bei erblühenden türkischen Landschaften ganz dankbar, wenn uns von dort Anwerbe-Ansinnen erreichen...
Wirtschaft
Zwischen osmanischer Großmacht und dem "kranken Mann am Bosporus" - das Wechselbad in der Weltgeschichte weist über die Jahrhunderte mit Expansionsdrang, Zerschlagung, Völkermorden und dem Ringen zwischen Diktatur und Demokratie eine Reihe von Parallelen zwischen der deutschen und türkischen Historie auf; wenn auch zu verschiedenen Jahrhunderten oder zeitversetzt. Gleichermaßen auffallend ist beider Nationen Fähigkeit, sich aus tiefen Tälern wieder zu befreien. Die Ähnlichkeit der Tugenden - nämlich Fleiß und Leistungswillen - wurde auch in der Türkei mitunter von einem fanatischen Nationalismus überlagert.
Obwohl die Türkei sehr früh dem Völkerbund und der NATO beigetreten war, gab es eben keinen Marshallplan für dieses von Agrarstrukturen beherrschte Land. Kemal hatte zwar die Öffnung nach Westen und mehr Industrialisierung gewollt, aber sein früher Tod und der Zweite Weltkrieg kamen dazwischen.
Als Knabe mit Großeltern auf dem Land erlebte ich also auf jener Reise den verblüffenden Kontrast zwischen unserer im "Wirtschaftswunder" mittlerweile bereits hoch technisierten Landwirtschaft und der Erntearbeit in Ost-Anatolien, wo Frauen auf von Maultieren gezogenen Schlitten das Korn "droschen" und wahre Seelenverkäufer von Lastwagen (nächtens oft nur mit einer Stall-Laterne im Führerhaus) die Feldfrüchte sehr unzuverlässig in die Ballungszentren schafften.
Aus diesem wirtschaftlichen Umfeld war für die meisten Männer keine ausreichende Wertschöpfung zu erzielen, um die Familien sicher zu ernähren oder gar jemals zum westlichen Lebensstandard aufzuschließen. Man mag es dort heute vielleicht nicht mehr gerne hören, aber die Türkei war zumindest da noch augenscheinlich auf der Stufe eines (später so genannten) Entwicklungslandes. Die Anwerbungen aus Deutschland kamen also genau im rechten Moment.
Sie kamen aber auch in dem Moment, in dem Walter Ulbricht seinen Schutzwall gegen den kapitalistischen Imperialismus zwischen beiden deutschen Staaten hochzog, um die Massenabwanderung aus seinem Arbeiter- und Bauern-Paradies zu stoppen. War das vielleicht ein Grund, wieso das Thema der Integration an den als Gäste angeworbenen Arbeitskräften verfehlt wurde? An deren ersten beiden Generationen scheiterte die Integration, weil sie von deutscher Seite gar nicht ins Auge gefasst wurde. Ihre Isolation aufzugeben, kam den Arbeitern aus der Fremde ebenfalls nicht in den Sinn, weil sie ja davon ausgegangen waren, ein schnelles Vermögen zu machen, um dann wieder in die Heimat zurückzukehren. Doch nach einer Weile wollten das die Wenigsten. Mit den nachziehenden Ehefrauen und Kleinkindern sowie dann mit deren bereits in Deutschland geborenen Nachkommen wurden diese Versäumnisse von Staatswegen bereits offenkundig und hätten in den 1990ern durch orientierungslose türkische Jugendlichen, die in einem wiedervereinigten Deutschland scheinbar an die Wand gedrückt wurden, fast zu einem gesellschaftlichen Debakel geführt.
Weniger die ergriffenen Maßnahmen der Politik als der Behauptungswillen der ehrgeizigen türkischen Jugendlichen haben größere Probleme offenbar verhindert, obwohl sie sich selbst nach der Jahrtausendwende immer noch mannigfaltigen Diskriminierungen ausgesetzt sehen. Aber weil sie eben von sich aus die Isolation, die ihnen vielleicht auch noch durchs Elternhaus oktroyiert wurde, durchbrochen haben, sind sie jetzt in der Gesellschaft angekommen.
Perfide wird es allerdings, wenn der "Özil-Effekt" via Fußball-Nationalmannschaft als Resultat einer geglückten Integration missbraucht wird.
Ich habe mich wegen dieser Zeilen hier gefragt, wieso in meinem großen internationalen Freundes- und Bekanntenkreis nur eine einzige Türkin zu finden ist. Auch die zählt als Entlastungsbeispiel nicht richtig, weil sie als Tochter eines journalistischen Auslandskorrespondenten und Ehefrau eines Deutschen kaum in der Türkei gelebt hat.
In meiner Jugend traf man beim Sport keine Türken. Die Isolation war selbst auf den Sportplatz so groß, dass es hier in München sogar einen eigenen türkischen Fußball-Verein geben musste, dem dann überall in Deutschland weitere Türk-Gücü-Teams folgten. Einzige Unterschiede machten Kraftsportarten wie Ringen und Gewichtheben, in denen die Bundesligamannschaften schon sehr bald auf die traditionell besser geschulten, türkischen Athleten nicht mehr verzichten konnten.
Was das mit Wirtschaft zu tun hat? Ich habe da eine Anti-Sarazin-These entwickelt. Nämlich immer dort, wo Türken die Isolation ihres Malocher-Daseins durchbrochen haben, hatten sie auch aufgrund ihrer Fähigkeiten sehr schnell wirtschaftlichen Erfolg: ob das nun der Gemüsehändler oder der Bäcker oder der Reiseunternehmer war. Die Ögers und Özdemirs waren nur anfangs Ausnahmen. Heute sind die in Deutschland lebenden, selbständigen Türken nicht nur ein Wirtschaftsfaktor für Deutschland, sondern durch ihre Investitionen im Mutterland haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass die Türkei heute mit ihrem soliden Wachstum und der vergleichsweise geringen Staatsverschuldung eigentlich besser dasteht als die meisten Mitglieder der Euro-Zone, in die sie ja so dringend aufgenommen werden wollen.
Erdogans Selbstbewusstsein fußt auf dieser Prosperität. Die Forderung nach der doppelten Staatsbürgerschaft sollte nicht am Schielen auf die Gunst mit alten Vorurteilen belasteter Wähler scheitern. Vielleicht sind wir ja in einer ungewissen Zukunft bei erblühenden türkischen Landschaften ganz dankbar, wenn uns von dort Anwerbe-Ansinnen erreichen...
Montag, 7. November 2011
Zeit-Reise 2: Statt Laizismus Islamismus
Fortsetzung des Posts vom 5.11. über kulturelle Vergleiche zwischen der Türkei und Deutschland:
Religion:
Wann immer sich die Politik des religiösen Fanatismus bedient, wird Blut in Strömen vergossen. Nicht erst seit den Kreuzzügen im Mittelalter war das so, und es scheint bis in alle Zukunft so zu bleiben, wenn wir nach Irland, in den Iran oder den Irak und seit diesem Wochenende auch noch nach Nigeria schauen. Insofern erscheint einem die ursprünglich marxsche dann von Lenin entlehnte Metapher von der Religion als "Opium fürs Volk" überarbeitungsbedürftig... Opium soll ja eher friedlich stimmen!
Aber zurück in die Türkei zu Beginn der 1960er Jahre:
Der 1938 verstorbene Mustafa Kemal Pascha, ein Militärstratege mit Meriten wurde durch seine laizistischen Vorstellungen von einer modernen türkischen Gesellschaft als Staatsführer zum legendären "Atatürk" (dem Vater aller Türken).
Als ich zum ersten Mal in seinem Mausoleum auf dem Hügel Rasattepe oberhalb von Ankara stand, war ich kurioser Weise der Einzige in meiner Familie, der noch mit Religion zu tun hatte, weil ja bald die Konfirmation mit dem vorangehenden Konfirmandenunterricht anstand. Den Begriff Laizismus mussten mir meine Eltern erst erklären. Obwohl in unseren Klassenzimmern ein Kruzifix hing, das Bayerische Kultusministerium ein interkonfessionelles Morgengebet vorschrieb und außerhalb Münchens zu über 60 Prozent CSU gewählt wurde, wäre ich sonst gar nicht auf die Idee gekommen, dass Religion Einfluss auf demokratische Verhältnisse haben könnte. Ich war ja erst vor kurzem von Hamburg zugezogen. Dort gab es weder Schulgebete noch Kruzifixe, und Schulgottesdieste schon gleich gar nicht. Wir gingen an Weihnachten in die Kirche - aber allein wegen der feierlichen Stimmung und weil das irgendwie zur sentimentalen Bildung gehörte...
Auf unserer Reise durch beinahe alle Provinzen der Türkei wurden damals die meist schon über knarzende Lautsprecher von den Minaretts schallenden Gebetsaufrufe der Muezzine von uns als klangergänzendes Lokalkolorit wahrgenommen. Die berühmten Moscheen von Sinan standen uns Ungläubigen - also auch den weiblichen Familien-Mitlgiedern - genauso zur Besichtigung offen wie unbekanntere Bauten auf dem flachen Land. Dass man sich dabei an die Regeln des Anstands hielt, verstand sich genauso von selbst, wie das bei der Besichtigung christlicher Gotteshäuser ja auch der Fall gewesen wäre. Meine Erinnerung täuscht mich nicht, wenn ich behaupte, der Umgang mit der Religion war in der Türkei damals genauso zwanglos wie bei uns. Wer glauben wollte, glaubte, wer nicht glauben wollte, tolerierte. So in etwa hatte es Atatürk gewollt, und das Militär, das in der wenig demokratischen Nachkriegstürkei eigentlich das Sagen hatte, gefiel sich in der Bewahrung dieses Laizismus. Als ich Ende der 1970er noch zweimal beruflich die Türkei bereiste, war das immer noch so. Aber die Tatsache, dass im benachbarten Iran die Ayatollahs den Schah verjagt hatten und die Kunde von ihrem unbarmherzig durchgesetzten Islamismus über die Grenze drang, schüchterte die bis dahin ja eher frei praktizierenden türkischen Muslime zunehmend ein. Schleier und Fez kehrten zwar ins Straßenbild nicht zurück, aber die bereits gelebte Emanzipation der Türkinnen schien deutlich unter ihren Kopftüchern zu verschwinden.
In der Jetztzeit führt das zu einer kuriosen Situation: Je mehr in Deutschland den christlichen Kirchen die Mitglieder davonlaufen, desto stärker scheint der fundamentalistisch beeinflusste Islam unter den bereits seit mehreren Generationen in Deutschland lebenden aber nicht integrierten Türken Fuß zu fassen. Und schon spielt die Religion wieder eine Rolle im politischen Kalkül. Die Sarazins und Erdogans auf beiden Seiten machen nicht nur für ihre jeweiligen Meinungen Stimmung, sondern wollen damit auch Stimmen gewinnen. Eine fatale Perspektive...
Von mir hier demnächst Zeit-Reise 3: Wirtschaft
Religion:
Wann immer sich die Politik des religiösen Fanatismus bedient, wird Blut in Strömen vergossen. Nicht erst seit den Kreuzzügen im Mittelalter war das so, und es scheint bis in alle Zukunft so zu bleiben, wenn wir nach Irland, in den Iran oder den Irak und seit diesem Wochenende auch noch nach Nigeria schauen. Insofern erscheint einem die ursprünglich marxsche dann von Lenin entlehnte Metapher von der Religion als "Opium fürs Volk" überarbeitungsbedürftig... Opium soll ja eher friedlich stimmen!
Aber zurück in die Türkei zu Beginn der 1960er Jahre:
Der 1938 verstorbene Mustafa Kemal Pascha, ein Militärstratege mit Meriten wurde durch seine laizistischen Vorstellungen von einer modernen türkischen Gesellschaft als Staatsführer zum legendären "Atatürk" (dem Vater aller Türken).
Als ich zum ersten Mal in seinem Mausoleum auf dem Hügel Rasattepe oberhalb von Ankara stand, war ich kurioser Weise der Einzige in meiner Familie, der noch mit Religion zu tun hatte, weil ja bald die Konfirmation mit dem vorangehenden Konfirmandenunterricht anstand. Den Begriff Laizismus mussten mir meine Eltern erst erklären. Obwohl in unseren Klassenzimmern ein Kruzifix hing, das Bayerische Kultusministerium ein interkonfessionelles Morgengebet vorschrieb und außerhalb Münchens zu über 60 Prozent CSU gewählt wurde, wäre ich sonst gar nicht auf die Idee gekommen, dass Religion Einfluss auf demokratische Verhältnisse haben könnte. Ich war ja erst vor kurzem von Hamburg zugezogen. Dort gab es weder Schulgebete noch Kruzifixe, und Schulgottesdieste schon gleich gar nicht. Wir gingen an Weihnachten in die Kirche - aber allein wegen der feierlichen Stimmung und weil das irgendwie zur sentimentalen Bildung gehörte...
Auf unserer Reise durch beinahe alle Provinzen der Türkei wurden damals die meist schon über knarzende Lautsprecher von den Minaretts schallenden Gebetsaufrufe der Muezzine von uns als klangergänzendes Lokalkolorit wahrgenommen. Die berühmten Moscheen von Sinan standen uns Ungläubigen - also auch den weiblichen Familien-Mitlgiedern - genauso zur Besichtigung offen wie unbekanntere Bauten auf dem flachen Land. Dass man sich dabei an die Regeln des Anstands hielt, verstand sich genauso von selbst, wie das bei der Besichtigung christlicher Gotteshäuser ja auch der Fall gewesen wäre. Meine Erinnerung täuscht mich nicht, wenn ich behaupte, der Umgang mit der Religion war in der Türkei damals genauso zwanglos wie bei uns. Wer glauben wollte, glaubte, wer nicht glauben wollte, tolerierte. So in etwa hatte es Atatürk gewollt, und das Militär, das in der wenig demokratischen Nachkriegstürkei eigentlich das Sagen hatte, gefiel sich in der Bewahrung dieses Laizismus. Als ich Ende der 1970er noch zweimal beruflich die Türkei bereiste, war das immer noch so. Aber die Tatsache, dass im benachbarten Iran die Ayatollahs den Schah verjagt hatten und die Kunde von ihrem unbarmherzig durchgesetzten Islamismus über die Grenze drang, schüchterte die bis dahin ja eher frei praktizierenden türkischen Muslime zunehmend ein. Schleier und Fez kehrten zwar ins Straßenbild nicht zurück, aber die bereits gelebte Emanzipation der Türkinnen schien deutlich unter ihren Kopftüchern zu verschwinden.
In der Jetztzeit führt das zu einer kuriosen Situation: Je mehr in Deutschland den christlichen Kirchen die Mitglieder davonlaufen, desto stärker scheint der fundamentalistisch beeinflusste Islam unter den bereits seit mehreren Generationen in Deutschland lebenden aber nicht integrierten Türken Fuß zu fassen. Und schon spielt die Religion wieder eine Rolle im politischen Kalkül. Die Sarazins und Erdogans auf beiden Seiten machen nicht nur für ihre jeweiligen Meinungen Stimmung, sondern wollen damit auch Stimmen gewinnen. Eine fatale Perspektive...
Von mir hier demnächst Zeit-Reise 3: Wirtschaft
Samstag, 5. November 2011
Zeit-Reise 1: Vor den Vorurteilen
Als Neun- beziehungsweise Elfjähriger bereiste ich zweimal mit meinen Eltern sehr ausgiebig die Türkei. Ein Jahr nach der zweiten Reise kamen die ersten so genannten Gastarbeiter im Rahmen des Anwerbe-Abkommens, dessen 50jähriger Geschichte vergangene Woche in diversen Festakten gedacht wurde...
Ich war also schon bei den Türken, bevor diese zu uns kamen und gut anderthalb Jahrzehnte bevor der Flug-Tourismus an die türkischen Riviera mit rapide wachsender Beliebtheit aufgenommen wurde.
Nun mag man meinen Erinnerungen vielleicht vorhalten, sie seien durch ihre naive Perspektive nicht authentisch genug. Aber gerade dadurch wären sie ja mit den naiven Vorstellungen kompatibel, die die ersten Gastarbeiter von unserem ach so gesegneten Land hatten. Ich möchte das in dieser kurzen Serie von Posts an für beide Kulturkreise gültigen Begriffen festmachen, wobei ja schon am Wort Kultur Diskrepanzen deutlich wurden.
Während ich eben keinen Kulturschock erlebte, weil ich von gut vorbereiteten Eltern auf ein einzigartiges, bis heute fest im Herzen verankertes Abenteuer mitgenommen wurde, überließ man die migranten Lohnsklaven, die als arme aber stolze Männer aus den türkischen Provinzen an unseren Bahnhöfen ausgeladen wurden, kaum vorbereitet sich selbst.
Gastfreundschaft:
Jenseits von Istanbul und dem Bosporus war man damals höchstens noch in der Hauptstadt Ankara und in der Nähe der US-Stützpunkte auf Reisende aus dem Westen vorbereitet. Immerhin war in den Zeiten des Kalten Krieges die Türkei mit dem größten, stehenden Heer im Osten das Bollwerk der Westmächte gegen den Kommunismus. Meinem Vater, einem hohen Bundesbeamten mit Hintergrund, bot das zwar logistische Anlaufpunkte aber verlangte auch argwöhnisch von "unseren Leuten" geforderte Meldeauflagen. Die meiste Zeit ratterten wir deshalb abseits der wenigen asphaltierten Hauptverkehrsstrecken über Schotterpisten, für die es kaum oder nur einheimisches Kartenmaterial gab.
Mit der gleichen Unbekümmertheit, mit der meine Eltern bei jedem Halt auf die Einheimischen zugingen, umfingen die uns mit einer fürsorglichen Gastfreundschaft deren Ablehnung aus Verlegenheit nur als Beleidigung empfunden worden wäre. Wir redeten also mit Händen und Füßen oder hatten im Zweifel unsere kleinen Wörterbücher. Irgendwie gab es selbst auf dem Land auch mal einen Dorfschullehrer mit Fremdsprachen-Kenntnisssen oder einen Dorfältesten mit höherem Schulabschluss. Mit türkischer Geduld löste sich beinahe jede Sprachbarriere. Im Rückblick kann ich mich auch an keine Hemmnisse bei den vor Ort ständig wechselnden Spielkameraden erinnern. Die Weltsprache Fußball tat ihr übriges. Ein Ball fand sich immer.
Wenn es keine Karawansereien wie in den größeren Orten gab, schlugen wir unsere Zelte auf Anfrage in der Nähe von Tankstellen auf, was häufig spontan regelrechte Straßenfeste mit gegrilltem Hammel und Maiskolben bis zum Abwinken auslöste.
Obwohl meine beiden Schwestern schon junge Frauen waren und meine füllig großgewachsene, blonde Mutter vermutlich ein Sexsymbol für die meisten orientalischen Männer darstellte, war der Umgang, der normalerweise ja nicht mit Frauen feiernden Männer stets ritterlich respektvoll, und es kam niemals - auch auf späteren Reise nicht - zu irgendwelchen heiklen Situationen in Form von Ablehnung, wie das "Neu-Islamisten" ja hier und heute bisweilen für angebracht halten. Mein Vater, ein Postkarten schreibender Freundschafts-Pfleger der alten Schule, hatte noch Jahrzehnte zu einigen dieser Zufallsbekannten regen Kontakt.
Was aber war zum Beispiel in München aus diesen herzlichen, heiter tanzenden Männern aus der stolzen Türkei geworden? Wurden sie wirklich "Gast"-Arbeiter? Also wie Gäste behandelt?
Wegen chronisch schlechter Noten hatte ich inzwischen auf dem Gymansium Ganztagsunterricht. Das bedeutete, dass ich abends mehrere Jahre einige Stationen Busstrecke gemeinsam mit den vor Erschöpfung grauen, schlecht rasierten und ungesund riechenden Männern zurücklegte. Anfangs versuchte ich noch mit meinen frischen Türkisch-Kenntnissen kleine Konversationen anzufangen. Die Männer, die ich in der Türkei getroffen hatte, wären hemmungslos und humorvoll über alle Sprachbarrieren hinweg darauf eingestiegen. In dem deutschen Bus stieß ich bei denen nun jedoch zunehmend auf tief in den Augenhöhlen sitzenden Argwohn. Zumal ich an einer Haltestelle ausstieg, von der ich ins Bogenhausener Grüntal gelangte, während sie zu ihren fragwürdigen Unterkünften jenseits der Endstation in Unterföhring weiterfuhren. Angeblich - so hieß es immer - wollten sie selbst diese Art von Behausung, um möglichst viel gespartes Geld in die Heimat zu schicken. Tatsache war aber, dass sie nicht selten für diese engsten Mehrbett-Löcher auch noch skrupellos abgezockt wurden...
In dem Maße, in dem ich meine Kontaktaufnahme einstellte, spürte ich aber, wie sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln auch ohne Schilder eine Art Appartheit einstellte. wie die Einheimischen zusammen- oder abrückten, wenn Gastarbeiter mitfuhren. Der einzige Ort, an dem sich diese Männer, die wir für den Aufschwung ja so dringend gebraucht haben, über Jahre nicht ausgegrenzt fühlen mussten, war der Hauptbahnhof. Selbst als ich bereits Ende der 60er Jahre als Verlagslehrling wichtige Druckfahnen mit dem Zug zur Druckerei nach Augsburg bringen musste, war das immer noch so. Von Integration nichts in Sicht.
Vielleicht schon vergessener aber großartiger Lesestoff zu diesem Thema: Sten Nadolnys "Selim oder Die Gabe der Rede".
Von mir hier demnächst: Zeit-Reise 2 Religion
Ich war also schon bei den Türken, bevor diese zu uns kamen und gut anderthalb Jahrzehnte bevor der Flug-Tourismus an die türkischen Riviera mit rapide wachsender Beliebtheit aufgenommen wurde.
Nun mag man meinen Erinnerungen vielleicht vorhalten, sie seien durch ihre naive Perspektive nicht authentisch genug. Aber gerade dadurch wären sie ja mit den naiven Vorstellungen kompatibel, die die ersten Gastarbeiter von unserem ach so gesegneten Land hatten. Ich möchte das in dieser kurzen Serie von Posts an für beide Kulturkreise gültigen Begriffen festmachen, wobei ja schon am Wort Kultur Diskrepanzen deutlich wurden.
Während ich eben keinen Kulturschock erlebte, weil ich von gut vorbereiteten Eltern auf ein einzigartiges, bis heute fest im Herzen verankertes Abenteuer mitgenommen wurde, überließ man die migranten Lohnsklaven, die als arme aber stolze Männer aus den türkischen Provinzen an unseren Bahnhöfen ausgeladen wurden, kaum vorbereitet sich selbst.
Gastfreundschaft:
Jenseits von Istanbul und dem Bosporus war man damals höchstens noch in der Hauptstadt Ankara und in der Nähe der US-Stützpunkte auf Reisende aus dem Westen vorbereitet. Immerhin war in den Zeiten des Kalten Krieges die Türkei mit dem größten, stehenden Heer im Osten das Bollwerk der Westmächte gegen den Kommunismus. Meinem Vater, einem hohen Bundesbeamten mit Hintergrund, bot das zwar logistische Anlaufpunkte aber verlangte auch argwöhnisch von "unseren Leuten" geforderte Meldeauflagen. Die meiste Zeit ratterten wir deshalb abseits der wenigen asphaltierten Hauptverkehrsstrecken über Schotterpisten, für die es kaum oder nur einheimisches Kartenmaterial gab.
Mit der gleichen Unbekümmertheit, mit der meine Eltern bei jedem Halt auf die Einheimischen zugingen, umfingen die uns mit einer fürsorglichen Gastfreundschaft deren Ablehnung aus Verlegenheit nur als Beleidigung empfunden worden wäre. Wir redeten also mit Händen und Füßen oder hatten im Zweifel unsere kleinen Wörterbücher. Irgendwie gab es selbst auf dem Land auch mal einen Dorfschullehrer mit Fremdsprachen-Kenntnisssen oder einen Dorfältesten mit höherem Schulabschluss. Mit türkischer Geduld löste sich beinahe jede Sprachbarriere. Im Rückblick kann ich mich auch an keine Hemmnisse bei den vor Ort ständig wechselnden Spielkameraden erinnern. Die Weltsprache Fußball tat ihr übriges. Ein Ball fand sich immer.
Wenn es keine Karawansereien wie in den größeren Orten gab, schlugen wir unsere Zelte auf Anfrage in der Nähe von Tankstellen auf, was häufig spontan regelrechte Straßenfeste mit gegrilltem Hammel und Maiskolben bis zum Abwinken auslöste.
Obwohl meine beiden Schwestern schon junge Frauen waren und meine füllig großgewachsene, blonde Mutter vermutlich ein Sexsymbol für die meisten orientalischen Männer darstellte, war der Umgang, der normalerweise ja nicht mit Frauen feiernden Männer stets ritterlich respektvoll, und es kam niemals - auch auf späteren Reise nicht - zu irgendwelchen heiklen Situationen in Form von Ablehnung, wie das "Neu-Islamisten" ja hier und heute bisweilen für angebracht halten. Mein Vater, ein Postkarten schreibender Freundschafts-Pfleger der alten Schule, hatte noch Jahrzehnte zu einigen dieser Zufallsbekannten regen Kontakt.
Was aber war zum Beispiel in München aus diesen herzlichen, heiter tanzenden Männern aus der stolzen Türkei geworden? Wurden sie wirklich "Gast"-Arbeiter? Also wie Gäste behandelt?
Wegen chronisch schlechter Noten hatte ich inzwischen auf dem Gymansium Ganztagsunterricht. Das bedeutete, dass ich abends mehrere Jahre einige Stationen Busstrecke gemeinsam mit den vor Erschöpfung grauen, schlecht rasierten und ungesund riechenden Männern zurücklegte. Anfangs versuchte ich noch mit meinen frischen Türkisch-Kenntnissen kleine Konversationen anzufangen. Die Männer, die ich in der Türkei getroffen hatte, wären hemmungslos und humorvoll über alle Sprachbarrieren hinweg darauf eingestiegen. In dem deutschen Bus stieß ich bei denen nun jedoch zunehmend auf tief in den Augenhöhlen sitzenden Argwohn. Zumal ich an einer Haltestelle ausstieg, von der ich ins Bogenhausener Grüntal gelangte, während sie zu ihren fragwürdigen Unterkünften jenseits der Endstation in Unterföhring weiterfuhren. Angeblich - so hieß es immer - wollten sie selbst diese Art von Behausung, um möglichst viel gespartes Geld in die Heimat zu schicken. Tatsache war aber, dass sie nicht selten für diese engsten Mehrbett-Löcher auch noch skrupellos abgezockt wurden...
In dem Maße, in dem ich meine Kontaktaufnahme einstellte, spürte ich aber, wie sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln auch ohne Schilder eine Art Appartheit einstellte. wie die Einheimischen zusammen- oder abrückten, wenn Gastarbeiter mitfuhren. Der einzige Ort, an dem sich diese Männer, die wir für den Aufschwung ja so dringend gebraucht haben, über Jahre nicht ausgegrenzt fühlen mussten, war der Hauptbahnhof. Selbst als ich bereits Ende der 60er Jahre als Verlagslehrling wichtige Druckfahnen mit dem Zug zur Druckerei nach Augsburg bringen musste, war das immer noch so. Von Integration nichts in Sicht.
Vielleicht schon vergessener aber großartiger Lesestoff zu diesem Thema: Sten Nadolnys "Selim oder Die Gabe der Rede".
Von mir hier demnächst: Zeit-Reise 2 Religion
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