Alt zu sein, ist schon nicht komisch. Alt zu werden jedoch, gerät leicht in zunehmende Lächerlichkeit.
Wer zum Beispiel so lange mit einem Menschen zusammenlebt wie ich mit der fürsorglichsten aller meiner Ehefrauen, der lernt mit der Zeit, dass der Spruch "Die (der) ändert sich nie!" als komplett falsche Prognose abgeheftet werden muss.
Meine Frau und ich haben derart spannende Phasen durchlebt und waren derart aufeinander eingespielt, dass wir oft angefangene Sätze des Partners beendeten. Wenn wir nicht gar gleichzeitig mit der selben Wortwahl dem Gegenüber etwas sagen wollten. Noch alberner: Ein im selben Moment gemeinsam gehörter Satzrhythmus intonierte in unseren Hirnen eine gleichzeitig darauf gesungene, gängige Melodie.
Aber, dass wir mal in ein Gerangel um Gold geraten würden, war nicht abzusehen.
Im Lagerkoller, dass wir wegen ihrer Zähne noch nicht nach Ligurien konnten, gerieten wir in den letzten Wochen zunehmend in Streitereien aus nichtigem Anlass. Ihre Kommentare zu den schrecklichen Tagesnachrichten wurden immer lauter, ihre Lösungsvorschläge immer drastischer. Ausgerechnet sie, deren Lebensmotto doch ist: "Ich kann's nicht ändern."
Und dann geriet ein harmloses Märchenbild, das ich mal als Teil einer Serie für das Kinderzimmer gemalt habe, in ihren Streit-Fokus. Dazu muss ich sagen, dass wir uns wirklich gegensätzlich verändert haben: Sie, die immer ausgleichend und fürsorglich agierende, wirft auf einmal alles, was sie ärgert in einen Topf. Ich, der immer Aufbrausende habe mich in den letzten Monaten eher in eine Schnecke verwandelt, die schnell die Fühleraugen einfährt und sich in ihr Haus zurückzieht...
Ich weiß nicht, aus welchen verborgenen Winkeln aller Umzugs-Kartons es der längst vergessene "Froschkönig" auf das Bilderbord geschafft hat. Er war Auslöser einer der blödesten Streitereien unseres 56jährigen Zusammenseins:
"Mich regt schon immer auf, dass der Ball aus meiner Sicht aussieht, als hätte die Prinzessin Elephantiasis in den Unterschenkeln."
"Spatzl, das ist doch die Perle, die der Frosch hochgetaucht hat."
"Das war doch ein goldener Ball und keine Perle!"
"Schau mal wie viele Varianten dieses Märchens es international gibt. Ich habe mich vor mehr als vierzig Jahren eben für die mystische Perle entschieden, und jetzt meckerst du erst?"
"Ich sehe die als fürchterlich dicke Unterschenkel."
"Ja, was Kunst ist, liegt im Auge des Betrachters. Aber das Bild habe ich doch völlig anspruchslos aus dem Bauch heraus nur für die kurze Kindheit unserer Brut gemalt."
"Dann kannst du das ja jetzt so ändern, dass die dicken Schenkel weg sind. Und im übrigen - bei den Gebrüdern Grimm war das sowieso ein goldener Ball!"
"Ich denke nicht daran, das Bild zu verändern. Wenn es dir nicht gefällt, dann schaff es dahin zurück, wo du es plötzlich hergeholt hast. Basta!"
"Aber das ist es ja. Ich liebe dieses Bild so sehr, dass mich die dicken Schenkel einfach stören, Mach doch bitte zumindest einen goldenen Ball draus."
"Kommt gar nicht infrage!"
Aber was macht der "Schneck", während die Holde in der Waschküche ist? Er holt sein sorgsam gehütetes "Bellini-Gold" und trägt die zähe Masse mit dem Zeigefinger auf die wundervoll "fluoreszierende 60jährige Perle."
Es vergehen drei Tage voller sanfter und liebevoller Fürsorglichkeit, aber sie merkt nichts, bis ich sie darauf anspreche.
Claus Deutelmoser: Froschkönig ca. 1983 - Öl auf Leinwand |
Wir verändern uns eben doch! Vor allem, wenn wir nicht mehr richtig gucken können...
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