Mittwoch, 28. Dezember 2022

Blick zurück im Zoen

John Osborne
1929 - 1994
Quelle: The British Library
Vor bald 70 Jahren gab es in England Literaten, die die Kritiker unter dem Begriff "Angry Young Men" in einem Topf warfen. Einer von ihnen war der Dramatiker John Osborne dessen Titel seines bahnbrechenden Theaterstücks ich mir für meinen Jahres-Rückblick auf  2022 ausgeliehen habe.  
"Look Back in Anger". das sich am Beispiel eines jungen Paares von unterschiedlichem Stand tückisch an den sozialen Zuständen in Großbritannien abarbeitet, wird heute als Anstoß für das moderne Englische Theater gesehen. Mein Lieblingsautor Alan Sillitoe, der von der zum Sprichwort gewordenen "Einsamkeit des Langstreckenläufers" erzählte und auch zu den "Jungen Wilden" gezählt wird, formulierte drastisch: "Er hat nicht zum britischen Theater beigetragen. er hat eine Landmine ausgelöst und das meiste davon in die Luft gejagt!" 

Ja, ihr merkt schon: Kaum hat Babbo Natale das Zepter aus der Hand gegeben fängt der O.belix wieder das Schwafeln an. Aber gemach! Ich komme sofort zu Kernfragen dieses Posts. Hat Literatur als politisches Instrument ausgedient? Wieso gibt es keine jungen Autorinnen und Autoren mehr, die dieses Dramajahr so literarisch umsetzen, dass es Freund und Feind weltweit aufrüttelt? Vielleicht sind sie derart in Schockstarre, dass sie dann auch nur wieder im Zorn zurück blicken werden. Oder die Übermacht der sozialen Medien lässt sie zwar chatten, aber nicht wahrhaft publizieren. Und wenn sie es tun, dann vielleicht allein mit Blick auf die "Shortlists" diverser Literaturpreise.

Oft genug habe ich ja schon auf die magischen, historisch einmaligen sieben Jahrzehnte Friedenszeit in Deutschland verwiesen. Verreckt der Zorn der Jugend in dieser Komfortzone derart, dass allein das Festkleben auf Fahrbahnen oder das Überschütten von Kunstwerken als kritische Auseinandersetzung bleibt?

Hier meine ganz persönliche "Shortlist" von den Knackpunkten im Rückblick auf
2022:

In Ägypten kein Klima für nachhaltige Veränderungen
Quelle: Tagesschau

1. Wenn alle sich sicher sind, dass der Krieg gegen die Ukraine endlich ist, dann ist es vorrangig das größte Versagen, dass die Welt die kommende Klima-Katastrophe - trotz diverser "Gipfel" in diesem Jahr - weiterhin nicht abwenden kann.

2. Wo sind die Pasternaks (Doktor Schiwago), Ehrenburgs (Tauwetter), Solchenizynes (Archipel Gulag) in diesem riesigen und wertigen Literatur-Volk, die trotz Repression dazu aufrufen, den Tyrannen vom Thron zu stoßen?

3. Es ist nach diesem Jahr unumstößlich, dass Putins Krieg den Pazifismus konterkariert hat.

4. Dass Trolle und Fake-News Querdenker und Reichsbürger derart verblöden, dass sie über einen Umsturz unserer doch recht stabilen Demokratie nachdenken.

Wenn IOC-Boss Thomas Bach
Kotau vor dem Kriegstreibe Xi macht...
5. Dass der Spitzensport nur noch eine Geldmaschine ist, die zudem von Schurkenstaaten als Politikum missbraucht werden kann; - siehe Peking und Katar. 
Scheich und Schelm: FIFA-Mann
 Infantino in Katar
Beide Fotos: FAZ

6. Dass das Kassandra-Kartell es geschafft hat, durch vorschnelles Wehklagen eine Verknappungs-Hysterie zu schüren, in der Preise und Rezession weltweit explodieren, aber auch Lieferketten künstlich gestört werden. Alles der Gier geschuldet, Megareiche noch reicher zu machen...

7. Dass die Weltmächte nicht in der Lage waren, das zauberhafte Afghanistan vor der willkürlichen Auslegung des Korans durch den Taliban und der neuerlichen Unterdrückung der dortigen Frauen zu bewahren.

Nicht wieder zu erkennen: Die einst so emanzipierten Frauen in Afghanistan und Persien.
Quelle: Südkurier

8. Dass eine qualitativ gewichtete Migration manche zu Flüchtlingen zweiter Klasse macht.

9. Dass die mächtigste Macht der Welt nicht in der Lage ist, trotz aller niederschmetternden  Beweise den umstürzlerischen Spaltpilz Trump von der politischen Bühne der USA zu verbannen.

10. Dass die eigentlich dazu geeignete und prinzipiell so angedachte EU, die im nächsten Jahr 30 wird, aufgrund erpresserisch agierender Mitglieds-Staaten, korrupten Parlamentsmitgliedern und oft zu vieler Bürokratie immer noch nicht in der Lage ist, geeint als Weltmacht aufzutreten.

Braucht für 2023 dringend einen frischen Wind: Die Flagge Europas
Quelle: pixabay


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