Montag, 8. April 2019

Wenn Sonntag Alltag ist

Als wir Kinder am Samstag noch Schule hatten, und unsere Eltern  da noch halbtags arbeiten mussten, war der Sonntag auch bei Familien ohne Kirchgänger etwas besonderes. Noch immer - wenn ich oben im Glashaus die verschiedenen Glocken-Stimmen unseres Viertels zu den 10Uhr-Gottesdiensten im vermischten Vielklang höre, durchrieselt mich ein feierliches Gefühl, das mich als Agnostiker verunsichert.
Die Glocken unserer Pfarrkirche in Aktion
Quelle: Gemeinde-Brief

Gestern habe ich seit langer Zeit wieder einmal besonders über den Sonntag nachgedacht, weil das monatliche Familien-Frühstück bei uns stattfand. Mein Schwiegersohn ist Hindu, und als Koch muss er an den meisten Sonntagen arbeiten, die nur wegen Frau und Kind eine soziale Bedeutung für ihn haben. Die KITA ist ja geschlossen. Meine Tochter hat zum Wieder-Einstieg  in ihren alten Job ein Halbtags-Arrangement getroffen, das ihr als Grafik-Designerin auch "Homeoffice"-Tage einräumt. Als Freelancer heiligt mein Sohn zwar den Sonntag, aber wenn Abgabe-Termine anstehen, arbeitet er auch an Wochen-Enden.

Bis die Kinder kamen, gab es in meinem ersten Berufs-Jahrzehnt auch kaum freie Wochen-Enden, was die junge Beziehung zu meiner Frau nicht arg belastete, weil ihre, zu managenden Läden ja auch Samstags bisweilen ganztags offen hatten.

Mit der Geburt der Kinder allerdings habe ich - außer wenn Reportage-Reisen anstanden - strikte Familien-Arrangements eingehalten. Vor allem weil ich ansonsten ja doch sehr häufig länger fort war. Wenn wir uns gut verstanden, und wir einiges unternahmen, hieß es bei den Kids: "Ach wäre doch immer Sonntag." Mein Enkel ist nun drei, und ich denke, er bekommt langsam eine Zuordnung für Sonntage, aber es ist eben doch noch nur eine Ahnung. In einer gemischt religiösen Familie mit stark agnostischer Ausprägung wird ihm sein  - einer hohen Prediger-Kaste angehörender - Vater beim Schul-Eintritt einiges zu erklären haben.

Das haben wir mit unseren Kindern zwar auch so gehalten, aber auch die freie Wahl im Glauben veranlasste sie zu keiner Konfession.

"Ach wär doch immer Sonntag!" Die kindliche Vorstellung gewinnt in unserem Alter ein anderes Gewicht, denn unser Ruhestand-Leben verläuft nach so festgelegten Ritualen, dass wir oft auf die Zeitung schauen müssen, um uns zu vergegenwärtigen, welchen Tag und welches Datum wir haben.
Was für eine schreckliche Vorstellung, man fragte uns im Rahmen einer Ermittlung, nach einem präzisen Alibi. Oder wir wären kurz weggetreten, und Ärzte fragen uns, welcher Tag denn sei. So etwas passiert, - Fluch oder Segen? - wenn alle Tage Sonntag ist.

Gut, dass es fast nur noch Krimis im Fernsehen gibt. Da weiß man, was man zu sagen hat:
"Ich kann mich wirklich nicht erinnern, aber ich war's nicht. Das müssen Sie mir glauben!

"Ach jetzt fällt es mir wieder ein... Gestern war Sonntag gewesen?!"

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