Der romantische Horror, den der Autor angesichts des leeren Blattes - eingespannt in seine mechanische Schreibmaschine - noch liebte und fürchtete, gehört heute der Vergangenheit an. Die Schreib-Blockade als psychisches Phänomen wird in der Gegenwart von einer Buchstaben-Diarrhö nicht nur im Internet regelrecht zugeschissen. Jeder, der noch so ungelenke Finger hat, um eine Tastatur zu bedienen, tut das heute. Blogt, twittert, chattet, postet ohne Rücksicht auf grammatikalische Verluste und inhaltliches Dünnbrettbohren, was Smartphones, I-Pads und sonstwelche elektronischen Text-Kommunikationsmittel nur hergeben...
Klingt diese Einleitung nach Missgunst oder Verbitterung? Ganz im Gegenteil! Das ist nur eine nüchterne Bestandsaufnahme. Ich war und bin einer, der diese Entwicklung nicht nur gutheißt, sondern - wie jeder auch in meinen Blogs nachlesen kann - jedwede Erweiterung dieser neuen Möglichkeiten begrüßt und selber nutzt.
Meinen Volontären habe ich immer gesagt, jeder, der schreiben wolle, solle dies unbedingt tun, wer aber das Schreiben als Beruf gewählt habe, sei dazu verpflichtet. Aus dieser Verpflichtung entsteht ein gewisser Druck, mit dem man lernen muss umzugehen. Ich bin immer noch sehr stolz darauf, dass ich auch ein paar weltberühmte Fotografen zu ihrem Wohle (und zu meiner Kostenersparnis) zum Schreiben verpflichtet habe. Deren Bild/Text-Reportagen gehören seither zu den Highlights meines produzierenden Redakteurslebens.
Ich musste das vorwegschicken, weil ich mich gerade in einer gewissen Sinnkrise befinde und eigentlich nichts schreiben möchte. Das ist das genaue Gegenteil einer Schreibblockade. Ich könnte ja, aber ich will nicht!!!
Schuld daran ist eine Lese-Blockade, die ich aber lieber Lese-Irritation nennen möchte. Dazu muss ich sagen, dass ich pro Jahr ungefähr fünfzig Bücher lese. Zumindest tat ich das bis 2010. 2010 und 2011 habe ich mir den Schnitt vermasselt, weil ich erstens Heinrich August Winklers "Geschichte des Westens" mit ihren gefühlten zwei Millionen Fußnoten und Querverweisen durchgearbeit habe und mir zweitens Thomas Pynchons "Against The Day", das selbst nur wenige seiner Landsleute verstehen, im Original angetan habe. Ich schwöre, ich bin nach diesen Monster-Lektüren von mehr als 3000 kleingedruckten Seiten sicher ein besserer Mensch, aber auch ein sehr müder Leser geworden.
Meine Kids haben das offenbar gespürt und wollten mir wohl einen neuen Impuls geben. So haben sie mir einen elektronischen "Reader" im Leder-Etui samt eingebauter Leselampe unter den Christbaum gelegt. Mit dem sollte ich nächtens meine Schlaflöcher versiegeln. Aber die kleine Leselampe am "Kindle" ist meiner besseren Hälfte für die Betten-Burg immer noch zu hell...
Mein Schwager hat mir gleichzeitig - quasi als konservatives Gegenkonzept in gebundener Form - Jonas Jonassons "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" geschenkt. Beide "Bestseller" liegen jetzt äußerlich einträchtig nebeneinander auf meinem Nachttisch und ringen um meine Gunst als Leser: Soll ich nun Deutsche Klassiker mit Knopfdruck umblättern, per Lesezeichen und elektronischen Randnotizen rekapitulieren oder mich diesem launigen Plot des stets kreativen schwedischen Schreibens hingeben?
Wobei mir zwischendrin zwei kritische Anmerkungen zu beiden nachgesehen werden sollten;
Für einen Mann meines Alters ist ein "Reader" - so verblüffend bequem und innovativ er sein mag - zunächst einmal doch sehr gewöhnungsbedürftig. Und wegen meines Alters bin ich auch irritiert, dass es dieses eher nette Buch an die Spitze der Bestseller-Liste gebracht hat. Wer wie ich als Kind nahezu alles von Astrid Lindgren gelesen hat, kann sich vielleicht auch des Gefühls nicht erwehren, dass der "Hundertjährige" so eine Art Pipi Langstrupf für Erwachsene ist... Aber die Bestseller-Biss-Bücher sind ja auch ohne Blutvergießen an meinem Allerwertesten vorbei gegangen...
Und die Moral dieses Posts:
Sollen die beiden "Lektüren" doch ihren Kampf um meine Gunst auf meinem Nachttisch bis auf weiteres ohne mich still austragen. Da schreib ich doch lieber!
Frei nach dem Motto:
Das wenige, was ich lese, schreibe ich selbst.
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