Samstag, 28. Januar 2012

Erst altersdiskriminiert dann altersdeprimiert

Mit Wut im Bauch sollte man weder schreiben noch reden, noch Reden schreiben. Weil das fast immer zu Pamphleten ausartet, die letztlich auf einen selbst zurück fallen. Unser Landesvater, der Seehofer Horst, hat am Pissoir sicher schon manches abgelassen, was wenig flüssig daherkam. Aber ihm zu unterstellen, er habe sein aktuelles Sparprogramm mit dem Söder Markus beim Biseln ausgeheckt, ist schlicht ungezogen. So etwas gehört sich nicht - nicht nur nicht im Parlament, sondern das ist auch einfältige Opposition mit der Brechstange; zumal als Antwort auf ein ausgefinkeltes Vorwahlkampf-Manöver, das gleich als vorbereitete Konterattacke mit einem perfiden, auf die Schnelle finanztechnisch kaum zu entkräftenden Rechenexempel daherkommt. Raffiniert, dass Seehofer dabei im Hinblick auf die Pensionskassen im öffentlichen Dienst nicht nur eine Zielgruppe ins Kalkül zieht, die sich zwar im Prinzip nicht wehren kann, aber die auch am allerwenigsten von der Altersarmut bedroht sein wird...

In dieser Woche gab es genug, was einem die Wut in den Bauch treiben konnte: die überfällige Koordination der Dienste und Organisationen gegen die Neonazis, die das Minister-Duo Schröder-Friedrich als ihre aktuelle Errungenschaft feierte, obwohl es damit zuvor gar keine Eile hatte. Viel wichtiger war ja die teure Bespitzelung ordentlich gewählter Volksvertreter durch den immer kurioser scheiternden Verfassungsschutz.

Oder war das ganze in Wahrheit nur ein Feigenblatt-Manöver, damit das Wahlvolk sich nicht allzu intensiv mit dem Gesetz gegen die Altersdiskriminierung beschäftigt? Wer hierzu gebündelte Argumente bräuchte, fände sie - wenn auch mitunter nicht ganz ausgewogen - in Hülle und Fülle auf www.altersdiskriminierung.de.

Mir liegt allerdings daran, den Fokus der Diskussion nicht nur mit der Ü-60-Scheuklappe zu sehen, sondern ihn auch auf die akademischen Berufseinsteiger (Lehrstellen gibt es wohl genug) zu lenken. Die werden trotz leicht veränderter Gesetzeslage immer noch in sogennannten Praktika als Billig-Reserve geparkt; mit etwa dem Argument, das Studium hätte sie nicht entsprechend praktisch auf die Realität des Berufsalltags vorbereitet.

In diesen Auffanglagern wird "survival of the fittest" praktiziert, während die angestrebten, tatsächlich auch vorhandenen Stellen fast ausschließlich durch persönliche Kontakte - also Beziehungen - und nicht aufgrund von Qualifikation vergeben werden. In öffentlich rechtlichen Medien tauchen zum Beispiel seit ihrem Bestehen immer wieder die gleichen Namen von regelrechten  Redakteursdynastien auf, obwohl die Stellen ja eigentlich ausgeschrieben werden sollten.

Vor dem Hintergrund, dass es also sowohl beim Berufseinstieg wie auch beim -Ausstieg klemmt, bekommt das Renten-Einstiegsalter mit 67 einen bitteren Beigeschmack. Obwohl die volkswirtschaftliche Berechnung der sich verändernden demographischen Vorgaben ja wohl keine andere Lösung offenbart, muss doch immer weiter nach ihr gesucht werden. Aussetzen ist da so wenig angebracht wie Aussitzen.Hinzu kommt dabei ja auch noch, dass wir die Wohlfahrt künftiger Generationen schon durch die aktuelle Politik für Beteiligungen an Kriegen, Rettungsschirme und Bankenrettungen ausgegeben haben. Das bezahlt ja bereits alles der Bürger, der am Ende seines Lebens dann womöglich mit dem Ofenrohr ins Gebirge guckt.

Auch ich habe berufliche Altersdiskriminierung am eigenen Leib erfahren, und obwohl ich meine Ansprüche - nur um noch dabei zu sein - auch heruntergeschraubt hätte, bewahrte mich nichts vor dem tiefen depressiven Loch.
Aber ich habe eben  nicht nur in der Möglichkeit Blogs zu schreiben, einen gewissen Trost gefunden, sondern auch in der fortgeschrittenen "Halbwertzeit" meines Daseins. Vielleicht  reicht das Ersparte ja noch, bis der Sensenmann uns holt. Ansonsten muss er sich halt unter die Reichenbachbrücke bemühen.

Aber was wird mit den neuen Renten-Einzahlern in diesem Land? Die Bundesrepublik Deutschland, die "Big Spenderin", hat ja  jetzt schon - zum Verdruss der Konkurrenz - eines der niedrigsten Lohnniveaus unter den führenden Industriestaaten?

Sonntag, 22. Januar 2012

Von Hackern und Flat-Ratten

Komisch, was diese Wulff-Würgerei altersmoralin auch bei mir aus der Erinnerung so alles hochwühlt:
Anderthalb Jahrzehnte hatten der Verlag und ich als Chefredakteur ohne Bedenken die Spitzen der deutschen Werbewirtschaft und manchmal auch die großen Bosse mit eigenen Etats  zu Seminaren und Vorträgen eingeladen. Die fanden im Winter in ausgesuchten Skistationen oder Sommers in edlen Beach-Clubs statt. Luxus pur, der spät nachmittags mal von einstündigen, richtungsweisenden Referaten unterbrochen wurde. Ansonsten gratis Skifahren, Surfen, Sonnenbaden und Wellness vom Feinsten begleitet von edlen Speisen und noch edleren und reichlich genossenen Getränken...

Die Zielsetzung war allen "Seminar-Teilnehmern" klar: Wir lassen's euch gutgehen, und für unsere Titel fallen dafür ein paar schicke, möglichst bunte Anzeigen ab. Diese Art der von allen Branchen praktizierten, aktiven Bestechung nannte man Incentive, und sie kam erst Mitte der 1990er langsam aus der Mode, als die Einladenden das nicht mehr von der Steuer absetzen und die Eingeladenen - au contrair - das zuteil gewordene Wohlergehen eigentlich als Geld werten Vorteil zu versteuern hatten.

Bei so einem Incentive kam es auf einer Skihütte im Berner Oberland kurz vor dem Fall der Mauer mal zu einer lustigen Wette zwischen zweier unserer Gäste: Der eine war Deutschland-Chef eines japanischen Computer-Herstellers, der andere Etatchef bei einer Bausparkasse. Es ging um die Daten-Sicherheit. Für die meisten in der fröhlichen Tischrunde waren da Computer ja noch bestaunenswerte Mirakel. Die Redaktion war gerade zuvor erst mit Schreib-Computern von Olivetti ausgestatten worden, bei denen Manuskripte nicht mehr auf "Floppies" sondern bereits auf Disketten gespeichert werden konnten.

Der Computer-Mann also behauptete, er beschäftige extern Leute zum Selbsttest, die innerhalb kürzester Zeit an jegliche Menge von Daten herankämen. Der Sparkassen-Heini widersprach. Seine Daten seien sicher. Daraufhin verschwand der Computer-Mann, rief zwei Hacker in Innsbruck von einem Münzfernsprecher an (es gab ja noch lange keine Handys) und kam ein paar Minuten später mit einem handgeschriebenen Zettel wieder, den er unserem anderen Kunden vorlegte. Der erblasste und war für den Rest des Tages recht kleinlaut. Seither misstraue ich (immer noch) den Computern von Banken, obwohl mittlerweile über zwei Jahrzehnte dieser einzigartig rasanten Entwicklungsgeschichte der Daten-Kommunikation vergangen sind.

Wieso? Weil auf jeder Sicherheitstufe - wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel - die Hacker der Industrie eine Knopfnase voraus sind. Vergangene Woche sollte in den USA ein verschärftes Gesetz zur Beschränkung gewisser Online-Portale verabschiedet werden. Zeitgleich wurde die größte zum Downloaden urheberrechtlich geschützten, geistigen Eigentums von einem deutschen Hacker betriebene Plattform dicht gemacht. Es kam zu Verhaftungen aber auch zu einer gefährlichen Machtprobe, weil die Hackergruppe Anonymus als unmittelbare Antwort wichtige offizielle Websites - darunter die vom FBI - lahmlegte. Das Gesetz wurde erstmal nicht verabschiedet. Besser kann sich Ohnmacht nicht dokumentieren.

Das Urheberrecht hatte bei diesem Wettlauf im Internet von Anfang an keine Chance, weil die Legislativen einfach zu langsam sind und zu wenig Kenntnis von der dunklen Seite der Macht haben. Die ist gewachsen, seit Downloadvorgänge und datentechnisches Herumexperimentieren von Amateuren dank der Flatrates nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren zu einem finanziellen SuperGAU ausarten können. Jeder Volksschüler hat heute doch schon Tricks drauf, mit denen er gratis übers Netz an Dinge kommt, die früher ins Taschengeld gingen.

Dass Hacker und Flat-Ratten das Internet als Allgemeingut infrage stellen, ist aber nur die eine Bedrohung. Ernster wird sie dort, wo sich scheinbar seriöse Bezieher bereits mit dem Missbrauch brüsten.

Nein, Datenraub ist kein Kavaliersdelikt!

Freitag, 20. Januar 2012

Lese-Irritation gegen Schreib-Blockade

Der romantische Horror, den der Autor angesichts des leeren Blattes  - eingespannt in seine mechanische Schreibmaschine - noch liebte und fürchtete, gehört heute der Vergangenheit an. Die Schreib-Blockade als psychisches Phänomen wird  in der Gegenwart von einer Buchstaben-Diarrhö nicht nur im Internet regelrecht zugeschissen. Jeder, der noch so ungelenke Finger hat, um eine Tastatur zu bedienen, tut das heute. Blogt, twittert, chattet, postet ohne Rücksicht auf grammatikalische Verluste und inhaltliches Dünnbrettbohren, was Smartphones, I-Pads und sonstwelche elektronischen Text-Kommunikationsmittel nur hergeben...

Klingt diese Einleitung nach Missgunst oder Verbitterung? Ganz im Gegenteil! Das ist nur eine nüchterne Bestandsaufnahme. Ich war und bin einer, der diese Entwicklung nicht nur gutheißt, sondern - wie jeder auch in meinen Blogs nachlesen kann - jedwede Erweiterung dieser neuen Möglichkeiten begrüßt und selber nutzt.

Meinen Volontären habe ich immer gesagt, jeder, der schreiben wolle, solle dies unbedingt tun, wer aber das Schreiben als Beruf gewählt habe, sei dazu verpflichtet. Aus dieser Verpflichtung  entsteht ein gewisser Druck, mit dem man lernen muss umzugehen. Ich bin immer noch sehr stolz darauf, dass ich auch ein paar weltberühmte Fotografen zu ihrem Wohle (und zu  meiner Kostenersparnis) zum Schreiben verpflichtet habe. Deren Bild/Text-Reportagen gehören seither zu den Highlights meines produzierenden Redakteurslebens.

Ich musste das vorwegschicken, weil ich mich gerade in einer gewissen Sinnkrise befinde und eigentlich nichts schreiben möchte. Das ist das genaue Gegenteil einer Schreibblockade. Ich könnte ja, aber ich will nicht!!!

Schuld daran ist eine Lese-Blockade, die ich aber lieber Lese-Irritation nennen möchte. Dazu muss ich sagen, dass ich pro Jahr ungefähr fünfzig Bücher lese. Zumindest tat ich das bis 2010. 2010 und 2011 habe ich mir den Schnitt vermasselt, weil ich erstens Heinrich August Winklers "Geschichte des Westens" mit ihren gefühlten zwei Millionen Fußnoten und Querverweisen durchgearbeit habe und mir zweitens Thomas Pynchons "Against The Day", das selbst nur wenige seiner Landsleute verstehen, im Original angetan habe. Ich schwöre, ich bin nach diesen Monster-Lektüren von mehr als 3000  kleingedruckten Seiten sicher ein besserer Mensch, aber auch ein sehr müder Leser geworden.

Meine Kids haben das offenbar gespürt und wollten mir wohl einen neuen Impuls geben. So haben sie mir einen elektronischen "Reader" im Leder-Etui samt eingebauter Leselampe unter den Christbaum gelegt. Mit dem sollte ich nächtens meine Schlaflöcher versiegeln. Aber die kleine Leselampe am "Kindle" ist meiner besseren Hälfte für die Betten-Burg immer noch zu hell...

Mein Schwager hat mir gleichzeitig - quasi als konservatives Gegenkonzept in gebundener Form - Jonas Jonassons "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" geschenkt. Beide "Bestseller" liegen jetzt äußerlich einträchtig nebeneinander auf meinem Nachttisch und ringen um meine Gunst als Leser: Soll ich nun Deutsche Klassiker mit Knopfdruck umblättern, per Lesezeichen und elektronischen Randnotizen rekapitulieren oder mich diesem launigen Plot des stets kreativen schwedischen Schreibens hingeben?

Wobei mir zwischendrin zwei kritische Anmerkungen zu beiden nachgesehen werden sollten;
Für einen Mann meines Alters ist ein "Reader"  - so verblüffend bequem und innovativ er sein mag - zunächst einmal doch sehr gewöhnungsbedürftig. Und wegen meines Alters bin ich auch irritiert, dass es dieses eher  nette Buch an die Spitze der Bestseller-Liste gebracht hat. Wer wie ich als Kind nahezu alles von Astrid Lindgren gelesen hat, kann sich vielleicht auch des Gefühls nicht erwehren, dass der "Hundertjährige" so eine Art Pipi Langstrupf für Erwachsene ist... Aber die Bestseller-Biss-Bücher sind ja auch ohne Blutvergießen an meinem Allerwertesten vorbei gegangen...

Und die Moral dieses Posts:
Sollen die beiden "Lektüren" doch ihren Kampf um meine Gunst auf meinem Nachttisch bis auf weiteres ohne mich still austragen. Da schreib ich doch lieber!
Frei nach dem Motto:
Das wenige, was ich lese, schreibe ich selbst.

Montag, 16. Januar 2012

Nietzsche und mein Über-Ich

  „Der vernünftige Autor schreibt für keine andere Nachwelt als für seine eigene. Das heißt, für sein Alter, um auch dann noch an sich Freude haben zu können.“
(Nietzsche „Menschliches Allzumenschliches“ II,1,167)


"Wieso schreibst du das ganze Zeug in den Blogs, wenn es doch nur so wenige lesen?" Diese Frage stellt mir mein freudsches Über-Ich beinahe jedesmal, bevor ich mich an einen neuen  Post setze. "Die am Computer verbrachte Zeit könntest du ja auch sinnvoller - zum Beispiel gemeinnützig verbringen..."

Bei Zweifeln über den Sinn meines Schreibens brauche ich nur an das obige Zitat zu denken, das mir eine junge Frau vor einem Vierteljahrhundert in ein kleines Büchlein geschrieben hat. Das Büchlein war ein gebundenes Exemplar ihrer Doktor-Arbeit über die "Vita Femina: Konzeption des Selbst" unseres Philosophie-Fürsten Friedrich Nietzsche.Diese Dissertation wurde mit einem "summa cum laude" bedacht und bis heute von Nietzsche-Forschern weltweit nicht nur zitiert, sondern auch regelrecht zu Rate gezogen; unter anderem von dem sehr  beachtlichen, postmodernen US-Autor Lance Olsen in desssen experimentellen Erzählung "Nietzsche's Kisses"...
Peggy Nill also, 26 und mit höchsten akademischen Weihen bedacht, fand keinen Job. Nach einigen hundert Absagen bewarb sie sich voller Verzweiflung auf eine Anzeige meiner Redaktion - als Sekretärin.


Die junge Frau, die da zum Vorstellungsgespräch kam, sah aus, als besuche sie ein Casting für die Rolle einer blaustrümpfigen Bibliothekarin; das krasse Gegenteil der vorangegangenen, vermeintlichen aber ansonsten meist unfähigen Sexbomben in meinem Vorzimmer: 
Sie hätte auch als 50 durchgehen können, rutschte unsicher mit ihrem Altweiber-Kleidchen auf der "Besetzungscouch" hin und her und war kaum in der Lage, mir in die Augen zu schauen. 
Ich muss gestehen, dass ich von Nietzsche nicht allzuviel gewusst hätte, wäre ich während meiner Lehre beim Goldmann-Verlag nicht mit dem Umbruch der Neuauflage seiner Werke als Taschenbuch betraut gewesen. Damals geschah diese Arbeit noch mit Tipometer und hartem Bleistift auf elendlangen Druckfahnen. Und weil Werktreue vorgeschrieben war, musste ich zur Vermeidung von "Schusterjungen" und "Hurenkindern" bei problematischen Seiten genau lesen, um die Absätze entsprechend satztechnisch einzubringen.


Um mit Peggy überhaupt ins Gespräch zu kommen, fragte ich sie provokant, ob sie meine Interpretation von der Peitsche teile, die man - frei nach Nietzsche - als Mann ja nicht vergessen solle, wenn man zum Weibe gehe: Ich war damals überzeugt davon, dass er mit Peitsche die Geißel der Syphilis gemeint habe, an deren letztem Stadium, der Paralyse, der Meister letztlich gestorben ist.


Es war, als hätte man in einem Reaktor den Schalter umgelegt. Fräulein Doktor erstrahlte regelrecht, ihre blauen Augen leuchteten wie Saphire und die blasse Haut begann sich zu röten. Leidenschftlich, präzise und mit unprätentiösen Redewendungen erklärte sie mir in einem Excerpt die "Vita Femina" und - bekam den Job. Sie war für den natürlich völlig überqualifiziert  und das ganze barg auch das Risiko der Unterforderung. Aber mein Über-Ich hatte da ja  wohl schon  viel weitreichendere Pläne mit ihr. Rückblickend betrachte ich es als besonderes Privileg, dass ich einmal in der Lage war, derart personelle Risiken einzugehen.


Sie war in der Erledigung ihrer Aufgaben derart schnell, dass ich sie bald probehalber schon mal mit Schlusskorrekturen bedachte. Wieviel sie aber nebenher schaffen konnte, bewies sie den Kollegen bereits an Weihnachten  mit einem hinreißenden, ganz nebenbei verfassten Theaterstück, das vom Redaktionsalltag handelte und in dem jeder Charakter - einschließlich dem meinen - punktgenau persifliert wurde. Es kam leider nie zu einer Aufführung, weil die Entwicklung uns allen davon rannte.


Nach einem halben Jahr schon musste ich wieder ein Inserat für eine Sekretärin aufgeben, weil ich Dr. Nill leistungs- und gehaltsmäßig als Schlussredakteurin hochstufte. In dem halben Jahr hatte aber auch eine meiner Mitarbeiterinnen eine gestalterische Leistung an ihr vollbracht: Peggy ließ sich - sanft und kundig beraten - das Haar leicht färben und trug nun Locken zu endlich  einer ihrem Alter entsprechenden Kleidung, die sie  gemeinsam mit der Kollegin nach dem letzten Schrei ausgesucht hatte. Vermutlich sehr "Eighties" das Styling, aber es wirkte Wunder beim nun selbstbewussteren Auftritt.

Bevor sie im Herbst darauf einem Ruf nach Berlin folgte, um dort ihr zweites Buch - einen viel beachteten künstlerischen Jubiläums-Beitrag - über den "Traum vom Fliegen" zu verfassen, übergab sie mir - da wieder in alter Schüchternheit - ihr Büchlein samt Widmung.


Es war offenbar ihr Vermächtnis an mich als Autoren, von dem sie sich vielleicht anderes gewünscht hätte  - als habe sie da schon  Ahnungen in mancherlei Richtungen gehabt. Mitunter sah ich sie nämlich durchs gläserne Treppenhaus zum Copierer gehen und plötzlich verharren. Dann blieb sie ein, zwei Minuten regungslos stehen und schien in eine andere Welt entrückt.


Auf sie selbst gemünzt, hat das Zitat leider keine Prophezeihung erfüllt. Dr. Peggy Nill starb wenig später - keine 30 Jahre alt; dem Vernehmen nach bei einer alltäglichen Verrichtung ohne eindeutige Symptome - geradeso wie das beim "plötzlichen Kindstot" geschieht.

Freitag, 13. Januar 2012

Wundersamer Wandel moralischer Instanzen

Was an dieser wulffschen Würgerei am meisten wütend macht, ist der Umstand, dass ausgerechnet die Springer-Presse durch sie Gelegenheit erhält, sich als moralische Instanz zu positionieren. Dabei ist es in Google-Zeiten so einfach, das manipulative Spiel des Hoch- und Niederschreibens, wie es in BILD und der WELT seit jeher betrieben wird, chronologisch zu rekapitulieren:

Was haben die "Diekmannen" da den Garnicht-Wuschkandidaten und seine junge Zweitfrau als ideale Verkörperung des First-Couple odengleich in den Himmel geschrieben; gerade so wie den "begabtesten Staatsmann" seit Bismarck und Andenauer - Karl Theodor zu Guttenberg.

Dass man die Mächtigen dann auch gerne hinrichtet, wenn sie nicht mehr zu halten sind (der auf dem Titelblatt von BILD liegende Kohl als "Umfallkanzler"), ist nicht etwa berichterstattender Ausgewogenheit geschuldet, sondern dem selbst verliehenen Anspruch als regulierende Macht - als Machtmacher und staatstragende Instanz solange die den Verkaufszahlen dient.

Aber es wäre auch von mir alles andere als ausgewogen, würfe ich Steine nur auf jene hinlänglich bekannten Schreibtischtäter. Viel schlimmer sind ja eigentlich die, die jetzt massenweise in Talkshows auftreten.  Moral-Apostel, die sich wiederum mit den Feigenblättern angeblich lupenreiner journalistischer Institutionen tarnen und selbst nur in Ausnahmen standhielten, legte man an sie die gleichen Maßstäbe an, wie sie dies nun bei unserem zur Schießbuden-Figur verkommenen Präsidenten für unabdinglich halten.

Tatsache ist, dass es keinen Berufsstand gibt, der anfälliger für passive Bestechung ist und unverfrorener der Vorteilsnahme frönt wie der Journalismus. Als Glashaus-Insasse, Steinewerfer, Ex-Autor aller deutschen Großverlage und auch nach 30 Jahren in Chefredakteurspositionen weiß ich  durch eigene Vergehen, wovon ich schreibe.

Es wäre wünschenswert, dass der oberste Mann im Staat frei wäre von menschlichen Regungen wie Habgier und Eitelkeit, aber er ist eben - wie schon geschrieben - nur der Erste unter Gleichen. Auch präsidiale Scheidungen kosten viel Geld, und standesgemäße Auftritte wären dann durch die eine oder andere Vorteilsnahme leichter zu kompensieren...  Vermutlich wäre das auch dem ähnlich gelagerten Wahlvolk piepegal, würde es nur in Maßen ruchbar. Kaum einer hat doch anfangs verlangt, der Präsident möge zurücktreten. Diese Forderungen wurden ja erst laut, als die präsidiale Moral mit der dem Amt eigenen, diesbezüglichen Instanz in Konflikt geriet. Auch so lange das private Nehmen nicht ein amtliches Geben zeitigt, könnten diverse Augen immer noch zugedrückt werden. Kritisch wird es erst beim Überschreiten der unterschiedlich wahrgenommenen Grenzen.

Ob da allerdings Journalisten die geeigneten Mahner zur Moral sind?

Ich fange daher mal mit mir an:

Ich saß mal auf einem vom Verlag bezahlten nächtlichen interkontinentalen Heimflug in einem vollen Flieger einer aisatischen Airline. Da trat die Purserin an mich heran, um mir mitzuteilen, dass sie mich wegen Überbuchung umsetzen müßte; von der Touristenklasse in die First mit Sleeper-Seats... Habe ich mich gewehrt? Ich habe mich auch nie gewehrt, wenn ich in einem Hotel anstatt das bezahlte Standardzimmer zu beziehen, plötzlich in einer Suite landete. Das alles kann nämlich auch anderen Reisenden "promotional" widerfahren.
Nur als sich diese Vergünstigungen im Laufe der Jahre wundersam häuften, und ich auf dem Flughafen Heathrow dann durch eine Unachtsamkeit einer Schalterkraft zufällig ein Bildschirm füllendes weltweit im Intranet verbreitetes Dossier über meine Funktionen, Vorlieben und Reisefrequenzen einsah, hätte ich dem spätestens Einhalt gebieten müssen.

Ich tat es nicht.  Meine Ausrede: Es waren ja immer Dienstreisen. Nie gab es auch nur eine private Verknüpfung.  Aber auch so schon hatte ich aus meiner Sicht keinerlei moralische Rechtfertigung mehr, mich beispielsweise über einen Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung zu mokieren, der mit seiner ganzen Familie First in den USA-Urlaub flog - oder über die Ehefrau eines öffentlichrechtlichen Star-Sportmoderators, die sich regelmäßig und gratis aus der Muster-Kollektion eines Modemachers bediente.

Es gab und gibt aber eben auch (durchaus mit Hintergedanken, wie sie den Gunstgewährern des Präsidentpaares unterstellt werden),  seitens der Industrie immer wieder gezielte Versuchungen und massive Eingriffe in die Berufsmoral - nicht nur von Journalisten: Dann nennt man das Korruption.

Einmal bin ich selbst, weil der Motor-Redakteur verhindert war, zu einer Fahrzeugvorstellung in Deutschland gefahren und fand in der persönlichen Pressemappe einen Scheck zur Begleichung meines Spesenaufwands. Als ich den diskret mit der Bemerkung an die Gastgeber zurückreichte, die Spesen seien ja vom Verlag gedeckt, meinte der nur, 'wer habe schon etwas gegen ein Extra-Taschengeld einzuwenden'... Ich hatte! Und ich ließ mir daraufhin rückwirkend alle Abrechnungen solcher Reisen vorlegen. Am meisten ärgerte ich mich über das komplett fehlende Unrechtsbewusstsein der Ertappten.

Den Gipfel  journalistischer Doppelmoral erlebte ich allerdings bei einem hochbezahlten Starautor, der mir als große Insider-Chance eine Reportage über einen kommenden, touristischen Aufsteiger in Afrika vorschlug: Wenn der Spesenrahmen stimme und das Honorar, könne er sich vor Ort um einen Fotografen kümmern. Beides wurde im erforderlichen Maß bereit gestellt. Die Reportage erschien exklusiv und war bildschön. Sie hatte nur einen Haken: Erst nach ihrem Erscheinen erfuhr ich, dass der Autor samt Freundin vom PR-Manager eines großen Tabakkonzerns, dem dort einige Liegenschaften gehörten, komplett eingeladen worden war...

Also:
Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! (Johannes Evangelium 8.7.)

Freitag, 6. Januar 2012

2012 Weltuntergang

Da hat doch der bundespräsidiale Lügenbeutel und Vorteilsnehmer mich kostbare, da rar werdende Stunden davon abgehalten, das wichtigste Thema dieses Jahres anzuschneiden:

Den Weltuntergang zur Winter-Sonnenwende am 21. Dezember 2012.

Kein Wunder, dass die Kanzlerein zu allem schweigt, denn sie arbeitet sicher schon unter Hochdruck daran, auch diese Katastrophe moderierend auszusitzen. Und hat da über die Hälfte unseres Volkes laut "Sonntagsfrage" nicht Recht, dem reuigen Wulffchen noch eine zweite Chance zu geben? Wo die womöglich ohnehin seine und unser aller letzte ist? Eine Neuwahl lohnt sich da doch wirklich nicht mehr!

Wer sich einen umfassenden Überblick über das mannigfaltige Bedrohungpotential zum Weltuntergang verschaffen will, der sollte spaßeshalber auf  www.21dezember2012.org klicken und dann sofort mit einer sinnvollen Einteilung seiner letzten Tage beginnen. Die sowieso immer wertloser werdenden Euros kann man dann gleich auf dieser Webside per Online-Shopping in Überlebensartikeln und -Ratgebern anlegen.
Darüber, was die Betreiber dieses Internet-Auftritts mit den ganzen Provisionen und Werbeeinnahmen machen, sollte man aber nicht ernsthaft nachdenken; vielleicht über Facebook zu einer großen never ending Gratis-Endzeitparty am 20. Dezember auf den Münchner Weihnachtsmarkt laden...

Womit wir wieder bei den 56 Prozent sind, die Christian Wulff weiter im Amt sehen wollen und den Plus2 Prozent  Vertrauen, mit der unsere ernstfallschweigsame Kanzlerin gleichzeitig  belohnt wird.

Was vermutlich wirklich alsbald zum Weltuntergang führen wird, ist die kollektive Verblödung, der wir mit unserer Gutgläubigkeit unterliegen.

Was haben wir nicht alles in den vergangenen Jahren glauben wollen:

Dass der "Arabische Frühling" nachhaltig wirkt.
Dass Rettungsschirme und -Hebel das verkorkste Euro-Konzept doch noch zum Erfolg führen werden.
Dass die unselige "Mission accomplished" in Afghanistan und dem Irak wahr würde, wenn Barak Obama, der Friedensnobelpreisträger, nur erst einmal seine segnende Hand über die Welt halten würde.
Dass der deutsche Atomausstieg Signalwirkung auf anderer Nationen - einschließlich Japan - hätte.
Dass das Kyoto Protokoll die Verpestung des Globus stoppen würde.
Dass man nur der Alquaida die Köpfe abhauen müsse, um den Terror zu besiegen.
Dass durch Revolution erreichte Demokratie dauerhaft obsiegt.
Dass die Finanzmärkte sich endlich selber Grenzen setzen.

Das einzige Problem an diesem Szenario:
Die Welt wird eben nicht untergehen, was möglicherweise ja ihre Rettung gewesen wäre.
Nein, die Welt wird so weitermachen:
nach jeder Katastrophe kollektive Betroffenheit;
nach deren Überwindung die Rückkehr zu grenzenloser Gier!

Donnerstag, 5. Januar 2012

Ein Volksverdrehter

Seien wir doch endlich dankbar! Immerhin hat unser Bundes-Wulff keine Frauen vergewaltigt wie sein israelischer Präsidial-Kollege Ehud Olmert. Und wenn wir das vom totalitären Kaiser Augustus feigenblättrig geprägte primus inter pares (Erster unter Gleichen) situationsgenau interpretieren, dann ist unser Präsident eben genau das menschliche Spektogramm der deutschen Mehrheit. Einer Mehrheit, die den Plagiator von und zu Guttenberg unbedingt wieder in hohen politischen Ämtern sehen will oder sich - ohne aufzumucken - von unseren gewählten Volksvertretern  ein mit Lügen gespicktes Wendemanöver nach dem anderen bieten lässt.

Mit dem erhobenen Zeigefinger predigen die von uns Gewählten dem kleinen Mann, er solle sich mit Mindestlöhnen und längerer Lebensarbeitszeit im Sinne des Gemeinwohls abfinden, während die wahrhaft Unmoralischen in kürzester Zeit immer reicher und reicher werden.
Dass unser Präsident kreditmäßig auf Schnäppchenjagd geht, wenn unser Alltag in der Werbung von Kontoschlachten, Sonderangeboten und Vorzugszinsen der staatlich geretteten Banken überbordend geprägt wird, ist doch nur menschlich allzu menschlich. Zumal junge Ehefrauen schon größere Bedürfnisse anmelden als die altgedienten Eherösser, die einen noch durch den politischen Aufstieg getragen haben. Auch der Altkanzler Gerhard Schröder muss ja diesbezüglich noch sein karges Ruhestandsgeld  durch Gazprom-Rubel aufbessern, damit er sich  wie sein niedersächsischer Präsidial-Epigone an den maschmeyerisierten Geldadel  zwecks Gratisurlaub ranwanzen kann

Gut, dass eine Facette meines Berufslebens gebot, der Hälfte unserer zehn Präsidenten bei diversen Anlässen aus nächster Nähe zu begegnen. Deshalb konnte ich vom Phänotypus her schon vor seiner zähen Wahl erkennen, was Christian Wulff bereits in seiner Zeit als Ministerpräsident nicht war und was ihm deshalb für dieses Amt umso mehr fehlte: Charisma!

Walter Scheel war im Amt ein politisch kenntnisreicher Grandseigneur und unprätentiöser Lebemann mit Stil - auch wenn er dann hoch vom "gelben Wagen" trällerte.
Carl Castens, der Wanderpräsident, war trotz seiner streng preußischen Offiziersaura volksnäher als er im Fernsehen oder als Redner wirkte.
Richard von Weizsäcker war die absolute Idealverkörperung eines Bundespräsidenten. Ein Herr, ein Weltmann, ein Philosoph wie sein Bruder und als humanistische Instanz ein ruhender Pol in einer sehr sehr unruhigen Zeit.
Roman Herzog,  aus dessen Hand ich (ein bißchen Angeben sei mir bitte nachgesehen) eine Ehrung entgegennehmen durfte, hätte als Rechtswissenschaflter und Juraprofessor zu dem aktuellen Präsidial-Theater ganz sicher einen seiner präzis geschliffenen Kommentare mit verdecktem Killerhumor beizutragen. Auch er ein echter Landesvater.
Johannes Rau wäre mit der Fitness, mit  der ich ihn noch als Ministerpräsident erlebt hatte, im höchsten Amt des Staates mit Weizsäcker vergleichbar gewesen. Er hat auch erstmals unter Beweis gestellt, dass sich sozialdemokratisches Urgestein - zumal in seiner gelebten Religiosität - und präsidiale Grandezza  nicht ausschließen müssen.

In dem gestrigen Rechtfertigungsinterview mit dem staatstragenden, von uns - dem Souverän - bezahlten Fernsehen hat Wulff zweierlei unter Beweis gestellt:
Dass er einerseits nicht einen Bruchteil der Eigenschaften hat, die seine Vorgänger so unverwechselbar machten und dass er andererseits zwar ein typischer Vertreter Deutscher Untugenden ist, aber ganz sicher kein Volksvetreter, sondern eher ein Volksverdrehter.

Mir wird übel, wenn ich daran denke, dass dieser Mann womöglich noch Jahre als unser oberster Repräsentant auftritt. Aber vermutlich bin ich darin schon bald wieder einer Minderheit zugehörig.

So ist sie eben - die Demokratie!

Montag, 2. Januar 2012

Zum zehnten Todestag der Deutschen Mark


An Weihnachten 2001 habe ich meinen Kindern, meiner Frau und mir je so eine mit dem Vornamen gravierte Uhr und der Deutschen Mark als Zifferblatt zum Andenken geschenkt. Bezeichnender Weise war das Design damals die Idee einer Schweizer Manufaktur gewesen...

Als in der Währungsreform 1949 Geborener hielt ich meiner Familie beim üppigen Festmahl einen kleinen Vortrag und schloss mit dem Wunsch, wir möchten uns doch  alle gesund und munter nach einem Jahrzehnt Euro wieder um einen Weihnachtstisch versammeln, auf diese Uhren schauen und resümieren, wie es uns denn  im vergangenen ersten Jahrzehnt mit dem Euro so ergangen sei.

Erstmals hat heuer meine Tochter mit ihrem Freund bei sich zuhause das uns immer noch so wichtige Familien-Weihnachten ausgerichtet. Es war eines der schönsten und harmonischsten seit Jahren.
Keiner von uns trug allerdings diese Uhr, und es wurde auch nicht wehmütig zurück geblickt, obwohl es manchen zu rekapitulierenden Anlass gegeben hätte. Es gab uns ja noch alle, und trotz mancher Schicksalsschläge sind wir im Vergleich zur Welt noch recht gut davon gekommen.

Es stellte sich heraus, dass meine Kinder und auch meine bessere Hälfte die Uhren nicht ein einziges Mal getragen hatten, während ich meine - mit einem Sportarmband versehen - wenigstens während der Sommermonate in Italien trage, weil ich auf sie im Alltag nicht sonderlich aufpassen muss. Sie hat ja überwiegend nur einen sentimentalen und noch nicht eimal einen ideellen Wert. Die Uhr-Mark hat dennoch allen Beanspruchungen mit der ihr eigenen Stabilität widerstanden.

Als ich sie dann ein paar Tage vor Weihnachten hervorholte, musst ich feststellen, dass die Batterie alle war. Dass die Mark-Uhr ausgerechnet um fünf vor Zwölf  stehen geblieben ist, war mir da noch gar nicht aufgefallen. Ich habe es dann auch einfach nicht mehr geschafft, die Batterie auszutauschen und so kam es eben nicht zu dem "historischen Zeitvergleich". - Vielleicht war's ja ganz gut so.

Unabhängig von der derzeitigen Euro-Diskussion unter Dänemarks Ratspräsidentschaft werde ich die Mark aber in den nächsten Tagen wieder zum Laufen bringen.

Man kann ja schließlich nie wissen...