Montag, 24. Januar 2011

Scharia und Demokratie - eine explosive Mischung

Takfiri sind jene Islamisten, die sämtliche Staatsformen ablehnen, die nicht die Scharia als alleingültiges Rechtsprinzip zwischen Gott und den Gläubigen gelten lassen. Ganz besonders sind ihnen Demokratien ein Dorn im Auge, weil sie ja  Allahs direktes Einwirken auf den Menschen durch die geteilten Mächte Legislative, Exekutive und Administrative in Frage stellen.
Es gibt nicht wenige, die in der Angst vor den Takfiri den eigentlichen Grund für die beständigen arabischen Diktaturen oder totalitären Scheindemokratien sehen. Wenn der alte Westen, und hier insbesondere das "Neue Europa" jetzt mit gespannter Erwartung auf die sich erhebenden Volksmassen in Tunesien, Algerien, Sudan und möglicher Weise auch im Libanon blicken, dann sollte dabei auch eine gute Portion wachsamer Argwohn sein.

Vier Jahre vor Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" hat der US-Thrillerautor Daniel Silva seinen Roman "Gotteskrieger" (The Secret Servant) geschrieben, der jetzt als Paperback erschienen ist. Obwohl in den ersten Kapiteln dieses Millionen-Sellers soviel mehr antiislamistissche Argumente zusammengetragen wurden, wir im gesamten Sarrazin-Erguss, sind Inhalte in den betroffenen Ländern (USA, Großbritannien, Israel, Ägypten und die Niederlande) nicht einmal ansatzweise derart diskutiert worden. Die Quintessenz von Silvas Szenario geht weit über Sarrazins These hinaus. Auf den Punkt gebracht ist sie gar ein erweiterter Umkehrschluss: "Europa wird abgeschafft" - und zwar durch die Netzwerke der militanten Takfiri. In der Tat möchte jeder, der in den letzten Wochen Nachrichten gesehen hat, am liebsten zustimmen, ohne länger nachzudenken. Wie Schuppen scheint es einem da von den Augen zu fallen:
Der Anschlag auf die Kopten in Ägypten, der Selbstmörder-Terror im Irak und in Pakistan. Erdogans leiser Abschied vom türkischen Laizismus des Atatürk, die verhinderten Anschläge in den USA, die permanent erhöhten Terrorwarnstufen... Die Reihe lässt sich im Katastrophejahr 2010 ergiebig zurück verfolgen. Und je mehr man sie sich vergegenwärtigt, desto leichter landet auch der Liberalste auf dem "Zero-Tolerance-Level".

Weil Moscheen als Treibhäuser für das Saatgut der Takfiri-Ideologie verdächtigt werden, wird vielerorts ein Baustop gefordert oder gar eine Auflage, für jede Moschee hier müsse eine christliche Kirche dort gebaut werden.
"Warum lassen wir sie überhaupt noch rein?" fragen die Ultrarechten.
"Wieso schmeißen wir sie nicht raus?"ergänzen die Neo-Nazis.
Aber auch von der Zwangsforderung, sich sprachlich und verhaltensmäßig anzupassen, ist es nur noch ein kleiner Schritt, rechtsstaatliche Prinzipien für diesen Teil der bei uns legal lebenden Menschen zu schwächen oder ganz abzuschaffen.

In dem Moment, in dem das geschieht, hat der Terrorismus eines seiner wichtigsten Ziele erreicht - nämlich die Destabilisierung unseres eigenen, mühsam errungenen Wertegefüges. Das wiederum würde die Spanne zwischen Unrecht und Recht so schrumpfen lassen, das beide Seiten bei Reaktionen die Legitimation zur noch härteren Gangart - zur Eskalation -  ableiten.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Mehrheit der Zuwanderer mohamedanischen Glaubens - wie jüngste Studien das auch bestätigen - in Europa nichts als ihr kleines privates Glück anstreben, dann ist vermutlich die verlässlichste Antiterrormaßnahme eine permanente Verbesserung integrativer Lebensumstände. Diese Voraussetzungen müssten natürlich auch in den Köpfen von uns allen stattfinden.

Als Gegenlektüre zu Silvas "Gotteskrieger", aber auch als Integrationsfallstudie für unsere vorschnellen Politiker empfehle ich gerne Rafik Shamis "Die dunkle Seite der Liebe". Der gebürtige Syrer schreibt Deutsch, und zwar so ergreifend, dass ich mich tief vor ihm  und seiner nicht ermüdenden Energie im Dienste der Verständigung verbeuge.

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