Montag, 27. Dezember 2021

Gans anders

An Heiligabend gab es in unserer überschaubaren Familie eine Premiere. Noch nie hatte es im Leben meiner Frau und mir eine Gans zu diesem Datum gegeben. Das lag vor allem an meiner Tochter, die ja immer doppelt gefeiert wurde, weil sie am Morgen dieses Tages auch Geburtstag hat. Sohn und Schwiegersohn zeichneten verantwortlich. Ersterer mit seiner bewährten Methode 6 Stunden bei 90 Grad und danach Übergrillen bis die Haut knusprig braun wird. Koch-Schwiegersohn hatte sie durch Beziehung von einem verlässlichen Bio-Züchter frisch erworben.

Das Ergebnis war auch für die beiden Köche ernüchternd. Zwar war die Haut fast wie beim Chinesen, und das Fleisch beim Tranchieren scheinbar rosée, aber der köstliche Anblick täuschte alle. Wir vermissten - wie heuer schon einmal bei Kirchweih -  den alten Geschmack und die Geflügel-Konsistenz. Wir mümmelten konsterniert und ohne Gaumen-Flashback auf den dekorativen Stücken herum. An unserem Alter lag das jedenfalls nicht, weil auch die beiden Köche ihren Unmut nicht verbergen konnte.

Ich gab zu Bedenken, dass man eben in kein Tier hineinschauen könne, und dass es auch unter Menschen manch zähes Exemplare gäbe. Die Frau an meiner Seite brachte es allerdings auf den Punkt, als sie an frühere "Mastgänse" erinnerte. Tatsächlich bedeutet Bio, dass sie vorm Ende eben nicht zum Überfüttern eine Zeit lang in den Käfigen landeten. Wer gewissermaßen die ganze Zeit im Freien herumhüpfen dürfe baue Muskeln auf und verbrenne viel mehr Fett. Da redete die Richtige!

Quelle: debeste.de
Oje, ich alter, gegen das Tierwohl angefressen habende Gourmand  muss jetzt wohl für all die Foie gras, Confits d'Oie und Festtagsgänse meines Lebens in die Schlemmer-Vorhölle, wo mir der Schlund mit Gewalt gestopft wird. Dass ich auf einen Schlag zum militanten Veganer mutierte, brächte mich wohl auch nicht weiter. Immerhin, Gans ist für die Zukunft von meinem Speisezettel gestrichen. Alles Banane! Wehret den Anfängen!



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