Mein Kölner Großvater hatte mehr als ein Dutzend Hüte, und selbst mein Vater, der ansonsten nicht viel Wert auf noble Kleidung legte, hatte einige. Zwischen den Jahre waren heuer die Highlights im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geprägt von alten Film-Klassikern, in denen die oft noch schwarzweiß agierenden Protagonisten beiderlei Geschlechts Hut trugen. Heutzutage ist der Hut im wahrsten Sinne des Wortes aus der Mode gekommen.
Ob als Philip Marlowe oder Gangster Bogie macht den Borsalino zum Weltstar Quelle: Google |
Wer Hut trägt, und nicht etwa ein Basecap wie Trump, der will heute ein persönliches Statement abgeben oder mit ihm eine Art Markenzeichen manifestieren. Aber gerade diese höchst individuelle Art "seinen Hut zu nehmen", trug dazu bei, dass der weltberühmte Hutmacher Borsalino aus Alessandria im Piemont 2017 Insolvenz anmelden musste. Am Autobahn-Dreieck Alessandria zweigen wir immer ab, wenn wir in Eile sind, um unsere Wohnorte zu wechseln. In all den Jahren habe ich es daher in dieser merkwürdigen Rastlosigkeit leider nie geschafft den Borsalino-Outlet zu besuchen, Es blieb beim Traum, so einen weichen, Wasser abstoßenden Klassiker aus Nutria-Haaren zu kaufen, wie ihn mein Großvater an seinen lässigen Tagen trug. Ansonsten bevorzugte dieser den "Homburg" wie ihn sein Vorbild Konrad Adenauer auch noch als Bundeskanzler auf hatte...
Wie komme ich nur auf so eine verschwiemelte Einleitung zu einem ganz anderen Thema, das mir seit einiger Zeit durch den Kopf geht? Grund ist, dass ich nach langer Zeit wieder einmal den Song des weit unter Wert verkauften Sängers Paul Young gehört habe:
"Wherever I Lay My Hat" (- That's My Home) https://www.youtube.com/watch?v=muVzci6jn88.
Der wurde 1983 die weltweite "Numbe One" In einer Zeit also, in der ich von Kontinent zu Kontinent hetzte und in der ich dann nicht schnell genug wieder bei meiner Familie sein konnte. um "daheim" zu sein. Ist Heimat also da, wo die Familie ist? Eigentlich bin ich - sind wir - so oft umgezogen, dass sich gar kein romantisches Heimatgefühl hätte einstellen können. Und einen Hut trüge ich zwar gerne, aber ich mag ihn nicht in gebotener Ehrfurcht vor anderen lüften müssen. Ich nenne das mein Wilhelm-Tell-Syndrom.
Offiziell trug er nur den Homburg: Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer Quelle: Bundesarchiv |
"Mit dem Hut in der Hand kommt man durch das ganze Land", pflegte mein als Kaufmann so erfolgreicher Großvater mütterlicherseits zu sagen, wenn wir gemeinsam in seiner Heimatstadt unterwegs waren, und all die Bekannten, die uns begegneten, durch das Lüften seines Hutes (ohne den er niemals aus dem Haus ging) zu grüßen. Allein mein streitbarer Charakter verhinderte später, dass ich Hut trug. Mein Vater setzte noch einen drauf, indem er den Fahrern, die am Steuer ihres Autos den Hut aufbehielten, jegliche Kompetenz im Verkehr absprach. "Hutfahrer!", pflegte er sie zu schimpfen.
Mein Großvater war ein leidenschaftlicher Verfechter seiner These, das Köln die schönste Stadt der Welt und Reisen eine Art Sport sei. Nur dann trug er nämlich Schiebermützen. Seine Frau - dat Marieschen - brachte von den Trips, auf denen sie meine Mutter stets begleiten musste, ihre Ansicht von der Welt durch klassische Sprüche auf den Punkt. Diese machten die Oma, die ihrerseits vor allem im Ausland wildere Hutmodelle trug als die Queen, bis heute durch ihre Urenkeln, die sie immer noch zitieren quasi unsterblich:
"Neapel war doch da, wo das Beefsteak so zäh war"
oder sie rief beim prachtvollen Blick von der Festung Hohensalzburg auf die Mozart-Stadt - "guck mal - wie Bielefeld!"...
Was Hut und Heimat miteinander zu tun haben, erkennt der Interessierte am besten in den wenigen noch nicht zu Pizzerien umgewandelten, echten Dorf-Wirtschaften Bayerns. Ein "g'standenes Mannsbild" behält den mit möglichst mächtigem Gamsbart geschmückten Trachtenhut in der Wirtsstube nämlich mannhaft auf.
Wer den größten und dicksten hat, wird Sieger bei der Gamsbart-Olympiade Foto: Münchner Merkur |
Und woran erkennt man, dass der Blogger ein alter Depp geworden ist? In München trägt der "ewige Saupreiß " nämlich an den immer weniger werdenden, wirklich kalten Tagen zum Trachten-Mantel einen "Jagahuat" .Während er außerhalb des Burg-Schattens der in Ligurien den Strohhut-Klassiker gegen die Sonne trägt. O tempora, o mores...
Ein Selfie vom "niederträchtigen" Blogger wie er in diesen Tagen dreist vom Weihnachtsmann in die Rolle des "wuidn" Wilderers geschlüpft ist |