Im Gegensatz zum Scrooge aus Oscar Wildes Weihnachtsgeschichte kann ich über den Rückblick auf vergangene Weihnachten nur wunderbare Gefühle abrufen. Ich habe eher ein Problem mit den aktuellen und den Festtagen der Zukunft. Denn irgendwann muss ja auch die beste Serie einmal abreißen.
Obwohl die Zweitbeste bevor ich, der Agnostiker, sie nach langem gegenseitigen Prüfen heiratete, eine Trutzburg des Katholischen Glaubens war, gab es wegen Weihnachten nie Dissonanzen. Wir sind eben beide auch rettungslose Romantiker. So lange wir kinderlos zusammen waren, hinderte uns selbst nicht die alljährliche Rallye durch die heilige Nacht an euphorischer Weihnachtsstimmung:
erst Bescherung in der eigenen Wohnung, dann Bescherung bei den Schwieger-Eltern in Spe und zum Abschluss die Fahrt in die Berge zur Bescherung bei meinen Eltern.
"Weihnachten hoch drei" fand erst ein Ende, als unsere Tochter ausgerechnet an Weihnachten geboren wurde.Fortan drehte sich alles um unsere Weihnachten. Ganz besonders als auch unser Sohn in der immer früher beginnenden Weihnachtszeit das Licht der Welt erblickte.
Weihnachten mit Kindern brachte eine Seite in mir hervor, die ich gar nicht kannte. Mit den kürzer werdenden Tagen verschwand ausgerechnet ich, der handwerklich über zwei linke Hände verfügt, die nur aus Daumen bestehen, zum Basteln in den Hobbykeller. Zu meinem Erstaunen entstanden in der Folge eine Krippe, deren Ausstattung in punkto Personal, Tierbestand und technischer Einrichtungen (Stalllaternen, die batteriebetrieben den Stall und den Weihnachtsengel beleuchteten) am Ende eher einer Ranch glich. Auf die Krippe folgte ein sturmresistentes Kasperle-Theater mit Kulissen und selbst geschnitzten Figuren, die allerdings nie fertig wurden, weil der Intendant beim Schnitzen merkte, dass sie für Kinderhände viel zu schwer gewesen wären...
Diese Problem, dass ich in jener Zeit immer eine Nummer zu groß dachte, wurde dann bei meinem letzten bastlerischen Aufbäumen offenbar: Ich nahm eine Puppenstube in Angriff, die sich unter meinen architektonischen Vorstellungen zu einem wuchtigen Puppenhaus entwickelte. Auf einem Fundament aus Vollholz entstand eine Villa mit Hochparterre, erstem Stock sowie einem Dachboden, in dem man - wie in echt - Dinge unterbringen konnte, die weiter unten ausrangiert wurden.
Quasi stellte ich nur die Räumlichkeiten zur Verfügung. Im Laufe von über einem Jahrzehnt wurde während der Weihnachtszeit spielerisch an Einrichtung und Ausstattung weiter gemacht. So entstanden Kaminzimmer, Wohnküche, Bad, Schlaf- und Kinderzimmer. Ja auf der Empore wurde im Erker sogar ein Konzertflügel aufgestellt. Das Ding wurde immer schwerer, die Kinder immer größer, doch selbst als sie dann junge Erwachsene waren, durfte das komplett von innen beleuchtete Puppenhaus im Weihnachtszimmer nicht fehlen.
Dann zogen die Kinder aus und wir verlegten unseren Lebensschwerpunkt nach Italien. Das Puppenhaus wurde eingelagert, geriet aber nicht in Vergessenheit. Kaum war Töchterchen mit einem Mann in eine ausreichend große Wohnung gezogen, kam es wieder an Weihnachten zum Einsatz.
Jetzt ist diese Beziehung in die Brüche gegangen. Mitten im Umzug wurde das Puppenhaus von den Geschwistern als Reminiszenz für unsere Familien-Weihnacht bei uns abgeladen. Nicht, dass wir uns im Glashaus-Appartement bislang eingeengt gefühlt hätten. Nun aber stellt sich heraus, dass ich vielleicht in früheren Zeiten besser kleiner gedacht hätte...
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