Eigentlich sollte dieser Post ein Burgbrief und eine Glosse zu den180 Tagen postfaschistischer, italienischer Regierung werden. Nun werfe ich ihn als Stein aus dem Glashaus hinterher.
Mal ehrlich, fand ich das erste halbe Jahr unter dem Regime der kleinen, blonden Mussolini-Verehrerin als einziger viel weniger erschreckend als es ihr Wahlkampfbefürchten ließ? Tatsache war: Die ersten 100 Tage verliefen gespenstisch ruhig. Und dann hörten Europa und die restliche Welt in erster Linie Staatsfrauliches von der pfiffigen Giorgia. Biden schwor sie transatlantische Bündnistreue, und Kanzler Scholz versicherte sie, im Gleichklang der europäischen Wirtschaft mitzutanzen, obwohl das Bruttosozialprodukt auf dem Stiefel am Schrumpfen ist; wenn auch nur leicht.
Selbst überwiegend allein gelassen mit der überbordenden Migrationsfrage ruderte sie lediglich ein wenig zurück, indem sie den Schiffen der Retter möglichst entfernte italienische Häfen zuweisen ließ. Und dann noch die rückhaltlose Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Das dürfte Matteo Salvini und den anderen zuvor Russland affinen Koalitionären gar nicht geschmeckt haben...
Seit ihr einstiger Mentor Silvio Berlusconi jedoch sein Ende erreicht hat, in dem auch kein Facelifting mehr half, verrät Melonis ins Innere des Landes gerichtete Körpersprache, dass "ihr Volk" noch einiges von ihr zu erwarten hat: Am 6. Juni schuf sie ratzfatz das Bürgergeld per SMS an die Betroffenen ab. Als ob jeder von denen sich ein Telefonino hat leisten können. Mehr als 1,6 Millionen von den Ärmsten der Armen müssen nun schauen, wie sie mit den völlig überlasteten Behörden zurecht kommen. Dass überwiegend der Mezzogiorno betroffen ist, erklärt vielleicht, wieso Salvini im Vergleich zu früher nahezu lautlos agiert. Er hat den Süden immer für einen mafiös infizierten Wurmfortsatz gehalten, dem eine Ablation gut täte.
Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, Meloni moderiert ihr Regieren: Hier ein Samtpfötchen dort ein radikales Harken und Jäten. Sollte sich da niemand täuschen lassen. Was als "Merkeln" missverstanden werden könnte, ist in Wirklichkeit noch eine Gratwanderung, bei der sie immer sicherer wird, um ihre wahren Ziele zu erreichen.
Ein Insider bei der RAI wies mich schon darauf hin, wie viele prominente Köpfe dort im letzten halben Jahr rollten, und wer sie welcher Gesinnung klammheimlich ersetzte. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Berlusconi-Medien die Kronprinzessin beim Aufbau eines Meinungsmonopols nicht nach Kräften unterstützen werden.
Dieses Stillleben stand am Morgen meines Dinners anlässlich des Nationalfeiertages auf meinem Esstisch. Hoffentlich kein böses Omen |