Mittwoch, 28. Oktober 2020

Navigator gesucht

 Die, die denken sie könnten etwas ändern oder besser machen, bedienen selten die Instrumenten des Wandels. Das äußert sich dann in so hilflosen Sprüchen wie:

Die besten Kapitäne, sind die, die im Hafen bleiben.
Oder:
Millionen von Bundestrainern sitzen vor der Glotze.

Journalisten dürfen sich bei so einer Stilisierung nicht ausnehmen, obwohl es ja in funktionierenden Gesellschaften durchaus zu ihren Pflichten gehörte, ihre Ansichten mitzuteilen oder die der Mächtigen zu kommentieren. Nun aber gibt es durch die elektronischen, die angeblich sozialen Medien, das Problem, dass es zu viele selbst ernannte Meinungs-Botschafter gibt.  Meist sind die dann auch noch schneller als die, deren Arbeit erst gedruckt oder für eine Sendung vorbereitet werden muss. Das hinterher Dackeln bei "Nachrichten-Machern", denen das Wort Recherche ein völliges Fremdwort ist, wird in diesen Tagen zu einer ernsten Bedrohung.

So las ich ungläubig, dass die obskure Weltbewegung "QAnon" wesentliche Impulse von einem den hiesigen Ermittlern bekannten deutschen Hacker aus der Bundeshauptstadt bekommt. Der vermittelt den Unsinn der "Anonists" in Sekundenschnelle einem Millionen-Publikum, das dann glaubt, dass der heute 65 Jahre alt gewordene Bill Gates und seine elitären Spießgesellen entführte Kleinkinder in Laboren halten, um aus ihnen einen exklusiven Extrakt für ewiges Leben zu gewinnen... Dabei müssten die sich nur das zerfurchte, faltenreich blasse und zu früh gealterte Gesicht des Tycoons anschauen, um zu erkennen, dass das unterstellte Unterfangen gerade bei ihm wohl nicht gewirkt hat.

Aber - und um die Metapher von oben für mein eigentliches Thema wieder aufzugreifen:
Macht macht einsam und isoliert zunehmend von dem Umfeld von dem man sich einst berufen gefühlt hat. Während hingegen Schwarm-Blödheit bei ihrem Wachstum davon profitiert, dass es für sie keine "Geburten-Kontrolle" gibt. Sowohl zu lange an der Macht zu bleiben als auch den größten Unsinn ohne Hinterfragen in sein Hirn zu lassen, gefährden nun zuzüglich zur Klima-Krise die gesamte Menschheit. 

Gegen Machthunger hilft nach wie vor keine Diät. Gegen das zu lange "Ausleben der Macht" könnten zwar in Demokratien noch besser funktionierende Beschränkungen helfen. Aber würde die Politik per se die denn aktiv überhaupt anstreben? Jüngstes Beispiel, wie das "funktioniert", ist ja die gerade auf den Weg gebrachte Reform, die unseren Bundestag eigentlich schrumpfen sollte. - Ihn aber auch vergrößern könnte - wie findige Rechner das für die anstehende Wahl im "Worst-Case-Szenario" schon kalkuliert haben.

Corona macht allein die "Vorwahl" schon zur Farce, weil regulierende Parteitage mit Kandidaten-Kür verschoben oder gleich abgesagt werden. So böte sich immerhin den "Bundeskanzlern vor der Glotze" reichlich Gelegenheit, darüber nachzudenken, wieso die lange, meist umsichtige Regentschaft von Angela Merkel nicht nur in ihrer, sondern in allen Parteien zu einem Nachwuchsproblem geführt hat. Was sich in jüngster Zeit  im übrigen bereits allein durch die Fluktuation von Parteivorsitzenden jeglicher Couleur manifestiert hat.

Wenn ich an die politischen Wellenberge und immer neue, plötzlich auftauchende Klippen und Riffs im derzeitigen Weltgefüge denke, sehe ich in Deutschland keine parteilich profilierte Persönlichkeit mehr, die uns und Europa zwischen Machtmenschen wie Trump, Erdogan, Johnson, Putin und Xi Jinping achtsam navigierend aber bestimmt auf Kurs halten könnte.

Da fällt mir die Jahrtausend-Karikatur "Dropping The Pilot" (Der Lotse geht von Bord) ein, die John Tenniel für den "Punch" vom 29. März 1889 über den Abgang von Reichskanzler Otto Von Bismarck gezeichnet hat. Der SPIEGEL hat dieses offenbar zeitlos gültige Meisterwerk - durch dessen Konterfei ergänzt - dann auch beim Abgang von Helmut Schmidt 1982  sogar auf dem Cover.

Mal sehen, ob es auch noch eine Merkel-Variante geben wird...





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