Tut mir leid - liebe Leser! Aber die apokalyptische Situation in großen Teilen unserer Erde lähmt mich. Ich wollte eigentlich kleine, persönliche Beobachtungen und Eindrücke als Erbauung zum Besten geben. Nun schreibe ich schon seit Wochen über politische Vorgänge, die sich immer wieder in Zyklen zu wiederholen scheinen. Die Triebfeder dabei ist nichts geringeres als blanke Habgier. Gesteuert von mächtigen Lobbys, die unsere Volksvertreter wie Marionetten tanzen lassen. Wäre unsere Kanzlerin ein echter Kerl, dann hätte sie gestern abend zurücktreten müssen, nachdem sie die Laufzeitverlängerung der AKW vor kurzem noch als "alternativlos" bezeichnet hatte...
Damit Ihr mit aktuellem Bezug doch etwas zum Lesen bekommt, bringe ich hier ein Kapitel, das ich vor etwa fünf Jahren über mein Roman-Alterego Johannes Goerz geschrieben habe. Ihr seht, alles war schon mal da und doch wird es immer schlimmer:
Als Wilbur Dove und Johannes an diesem lauwarmen Frühlingsabend des 29. April 1986 vor das kleine Programm-Kino in der Münchner Hans-Sachs-Straße traten, hatte es sanft zu regnen begonnen. Der Art-Director und er waren noch ganz erhitzt von dem gewaltigen, ja monumentalen Geschehen in Akira Kurosawas Film-Epen "Kagemusha" und "Ran", das sie gerade in einem "Latenight Doublefeature" gesehen hatten. Wilbur hielt sein Gesicht in den sprayartigen Niederschlag und meinte in seinem lustig britisch eingefärbten, aber perfekten Deutsch:
"Weißt Du - in solchen Momenten spürt man die Größe und Winzigkeit des Menschen gleichermaßen. Einerseits weil da einer in der Lage ist, stundenlang eine 'Doppelseite' nach der anderen in einer Qualität zu inszenieren, wie ich sie mir nur einmal pro Heft wünschte. Andererseits macht er aber in diesen Filmen auch deutlich, dass es immer wieder einzelne mit wenigen sind, die selbstherrlich glauben, für ihren Größenwahn tausende von für sie unbedeutenden Menschen auf dem Altar der Macht und Eitelkeit opfern zu dürfen."
Johannes sang als Antwort leise die Titelzeile aus dem James-Bond-Film "To Live Or Let Die", um dann sarkastisch hinzuzufügen:
"Alles eine Frage des historischen Ablaufes und des Standpunktes. Napoleon liegt im 'Dome Des Invalides" und ist für die Franzosen in den Pantheon der Geschichte eingegangen, obwohl wegen ihm Millionen unschuldiger Europäer sterben mussten. Wenn Hitlers Naziherrschaft reüssiert hätte, würde heute manches glorifiziert, was wir glücklicherweise verdammen dürfen."
Es ist anzunehmen, dass die Freunde in jenem Moment eine tüchtige Portion vom radioaktiven Caesium 137 mit Bequerelle-Werten im gesundheitsschädigenden Bereich abbekommen haben; auch Martha und Cornelius, die von Esther am nächsten Tag zum Spielen auf die noch feuchte Wiese geschickt wurden... Am 6. Mai - als die radioaktive Emission aus dem geborstenen Reaktorblock 4 nahe dem ukrainischen Tschornobyl (Tschernobyl in der damaligen Amtssprache Russisch) scheinbar gestoppt war, ergaben Messungen verschiedener bayerischer Umweltämter bereits eine Bodenbelastung von mehr als 20.000 Bequerelle. Vor dem Verzehr von Pilzen und Wild wurde in Folge des Fallouts dringend gewarnt. Das Langzeitwirken des schleichenden, lautlosen Strahlentodes wurde drastisch geschildert, machte aber zu Beginn der Badesaison bereits wieder heitereren, optimistischeren Schlagzeilen platz. Vom 26. April am frühen Nachmittag bis zum 29. April abends dauerte es, bis die russischen Behörden überhaupt einen Reaktorunfall mit zwei Todesopfern meldeten. Dass es sich um einen Super-GAU handelte, erfuhren die Sowjetbürger wie der Rest der Welt symbolträchtig erst am "Tag der Arbeit".
Historiker und Politiker mögen das anders sehen: Aber diese Menschen verachtende Fahrlässigkeit bei der unzureichend abgesicherten Durchführung eines Experimentes und dann das Hineinschicken tausender zwangsrekrutierter und natürlich todgeweihter Freiwilliger (Liquidatoren) besiegelte aus der Sicht von Johannes die Existenz der Sowjetunion. Ohne Tschornobyl kein Gorbatschow, ohne Gorbatschow kein Glasnost und Perestroika, aber vor allem kein russisches Volk, das seine revolutionäre Stärke wieder entdecken konnte und später Jelzin aber auch Putin zumindest halbwegs daran hinderte, das alte Oben gegen eine neues Unten zu stärken.
Johannes machte zur Stärkung seiner Paranoia folgende Beobachtungen:
Dass zwanzig Jahre nach der Reaktor-Explosion in der Ukraine im Zeitraum 2004 bis 2006 in Zentraleuropa die Zahl der neuen Krebserkrankungen auf einmal außergewöhnlich stark - nämlich um rund zehn Prozent - anstieg, wurde nur als Fußnote und ohne ursächlichen Zusammenhang vermeldet. Vorsorge, Früherkennung und therapeutische Erfolge hatten ja andererseits dafür gesorgt, dass jeder dritte Krebspatient überlebte. Hatte nicht der britische Staatsmann Sir Winston Churchill bekannt, er glaube nur Statistiken, die er selbst habe fälschen lassen? Also nahm man weiterhin zur Kenntnis, weil ja eine im Internet lancierte Statistik immer wieder kopiert wurde, dass Krebs nach wie vor eine Krankheit vor allem älterer Menschen ab sechzig sei. Die Trends zur Unterschreitung dieser Altersmarke, die die zentrale Forschungsstelle in Lyon bereits 2004 erkannt hat, beunruhigen offenbar keinen. - Weil sie nicht ins Programm passen?
Dass zwanzig Jahre nach dem Super-GAU Interessengruppen aus der internationalen Staatengemeinschaft weitgehend unbeachtet daran gingen, den kurz vor dem Zerfall befindlichen "Sarkophag" um Block 4 mit einem neuerlichen Beton-Panzer zu überziehen, lässt vermuten, das der Reaktorkern immer noch vor sich hinschmort. Gut, dass das ukrainische Volk durch permanente von außen hineingetragene innenpolitische Streitigkeiten, von der Tatsache abgelenkt ist, dass es im Vorhof zur Hölle lebt.
Dass zwanzig Jahre nach der permanenten Angst vor dem nicht beherrschbaren Risiko der Atomenergie, die damals alle Menschen weltweit befallen hatte, der Ausstieg aus ihr wieder in Frage gestellt wird, erscheint unbegreiflich. Er war ja sogar im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung manifestiert worden. Dass dies nun ohne Regierungskrise diskutiert werden durfte, war für Johannes Beleg genug dafür, dass in Energiefragen längst oligarchische Netzwerke anstelle von Regierungen schalten und walten durften, wie sie wollten.
Die Plutokraten, die sich ihrer bedienten, verschanzten sich hinter den globalen Bedürfnissen, die ihre Lobbyisten nicht müde wurden zu predigen. Shareholder Value geben ist seliger denn direkt nehmen. Und wenn der offenbar leicht debil seinen Worten ebenso selig lauschende George Dabbelju die Notwendigkeit eines Abwehrschildes gegen atomare Bedrohung für Europa sah, dann gab es - allen voran auch ein deutscher Verteidigungsminister - gleich wieder genügend (Waffen-) Lobbyisten, die ihm zustimmten.
Die Fugger, die Thurn und Taxis, und wie die Netzwerker der Vergangenheit noch geheißen haben, waren noch persönlich auszumachen, und dass sie manchen Herrscher mit ihren da bereits erprobten Strategien in die Schuldenfalle trieben, gehörte zum offenen Spiel der Macht in absoluter Herrschaft. Die heimlichen Herrscher in den Demokratien der Gegenwart hüpften von Beteiligung zu Beteiligung und mehrten dank unverständlicher Steuergeschenke weitgehend anonym Reichtum, Macht und Einfluss. Weil ja global mitgespielt werden musste, wurden Auslandsinvestitionen so lange mit dem Steuergeld der kleinen Leute gefördert, bis die neuen Standorte stark genug waren, komplette Produktionsverlagerungen aufzunehmen und den heimischen Abbau von viel zu teuren Arbeitskräften zu beschleunigen...
Wie viele seiner Mitmenschen lebte Johannes jedoch weiter an der Oberfläche und genoss die friedvolle Perspektive des neuen Weltbildes, das sich da Ende der 1980er Jahre anscheinend bot. Klar gab es immer wieder dokumentarische und fiktive Hinweise auf eine Schattenwelt, aber wollte die jemand zu diesem Zeitpunkt wirklich ernst nehmen?
Das Jahrzehnt der Habgier war schon zur Hälfte vorbei, da begann er zu ahnen, dass im Untergrund regelrechte Armeen von "Kagemushas" - von Schattenkriegern - unterwegs waren. Aber selbstanalytisch hielt er die Gedanken für Ausgeburten seines kranken, vom Verfolgungswahn geplagten Gemütes. Rückbetrachtet wäre das, was er sich da zusammenreimt hatte, ja aber eigentlich logisch gewesen. Wo waren denn Tausende von vernetzten Spezialisten aus KGB, Stasi, DSP, Securitate und ähnlichen Organisationen von einem auf den anderen Tag hin verschwunden? Der Prozess wurde ja nur den wenigsten gemacht. Und wenn sie sich auch camouflierend dem Alltagsleben oder neuen Machtverhältnissen angepasst haben sollten, so litten die meisten von ihnen doch wohl allenthalben unter dem Verlust ihres Dunkelmännertums in Denk- und Handlungsweise. Sie bedurften also nur den kleinsten Anstosses, um in ihren Wirkungsmustern reaktiviert zu werden. Und der kam ausgerechnet aus den Netzwerken, die vormals traditionell die größte innere Gefahr des real existierenden Kommunismus dargestellt hatten: dem finanzstarken organisierten Verbrechen des Ostens.
Gorbatschows Ideen hatten sich nur gerade einmal ansatzweise im Denken seiner Landsleute festgesetzt, da waren die Unterwelt-Kohorten der Clans aus Tchetchenien, Kasachstan, Kirgisien, und Albanien aber vor allem Russland unterstützt von KGB-geschulten Brüdern durch die lockeren Maschen des eisernen Vorhangs geschlüpft und unterwegs in ganz Europa. Sie errichteten Brückenköpfe für eine Schattenwirtschaft, deren heutiger Einfluss in seinem Ausmass nicht mehr einzuschätzen ist, weil sie in vielen Bereichen bereits legal verfilzt ist.
Der Zerfall der GUS und die Neuordnung dieses Chaos unter bizarren scheinbar freien marktwirtschaftlichen Vorzeichen rief Jahrzehnte im eigenen Land unterdrückte oder im Ausland ausgebildete Wirtschaftsgenies auf den Plan. Privatisierte Produktionszweige, Förder- und Schürfrechte ließen - aus dem Nichts finanziert - nicht etwa den Rubel rollen, sondern in weiser Voraussicht - bevor der Euro vielleicht nicht funktionierte - gleich Dollar, Mark, Schweizer Franken und Pfund. Die Oligarchen der ersten Stunden russischer Marktwirtschaft schickten sich an, aus dem Londoner (?) Exil zum Hauptgegner der immer absolutistischer auftretenden Putin-Administration zu werden. Oh wie sich die Geschichte doch immer wiederholt!
Während in Frankreich, Italien und sogar in Skandinavien schon bald bisweilen blutige Verteilungskriege stattfanden, blieb das wiedervereinigte Deutschland oberflächlich betrachtet verschont. Weder die Kriminalstatistik noch die innere Sicherheit wurden sondermaßen tangiert. Die jeweiligen Innenminister klopften sich derartig nachhaltig auf die eigene Schulter, dass es ihnen schon richtig wehtun musste.
Dabei war die Strategie der Schattenmänner doch so simpel. Waren die beiden Deutschlands zuvor die ideale Pufferzone zwischen Ost und West, bot die neu manifestierte Rechtsstaatlichkeit der vereinigten Bundesrepublik den Schutzschild über einer Aufmarschzone für "Kagemushas" jeglicher Couleur. Die Angst, als fremdenfeindlich zu gelten, keine federführende Rolle beim Zusammenschluss Europas zu spielen und letztlich im globalen Ausverkauf als Standort nicht attraktiv genug zu sein, zeitigte eine Freizügigkeit, die die neuen Gäste nutzten, ohne im statistischen Sinne straffällig zu werden. Von Deutschland aus wurde geplant, verwaltet und strategisch gedacht, aber nur selten operiert; eine Transitzone des organisierten Verbrechens.
Hätte ein durchgeknallter gesamtdeutscher Minister der ersten Stunden nicht versucht, seine Eheprobleme ausgerechnet mittels Trittbrett fahrender Amateur-Killer aus dem Osten zu lösen, keiner hätte geahnt, dass solche Dienstleistungen neuerdings auch zwischen Oder und Rhein im Angebot waren. Die großen Strategen des trüben Geldflusses waren den gierigen slawischen Mädchenhändlern und den vietnamesischen Zigarettenschmugglern für ihre blutigen Fehden mitunter geradezu dankbar. Wenn sie aufflogen, war das ein Beleg für die intakte innere Sicherheit, lenkte und schreckte gleichzeitig ab.
Das World Wide Webb war dabei von Anfang an ein Reaktionsbeschleuniger für kriminelle Energien. Blitzschnelle Geldtransfers, angezapfte Datenbanken, verschlüsselte Quellen mit wechselnden Absendern - der illegale Welthandel nahm unfassbare Dimensionen an. Er funktionierte aber wieder nur, weil es genügend williges Fußvolk gab, dass an der Oberfläche in Bewegung gesetzt werden konnte.
In dem kleinen Spektrum, das Johannes ganz persönlich betraf, waren die Ausmaße zunächst noch nicht so ersichtlich. Es begann damit, dass Bank und die Steuerkanzlei ihm dringend anrieten, aus steuerlichen Gründen in Mietwohnungen zu investieren. Zufälliger Weise war ein von der Bank finanziertes Objekt gerade fertiggestellt. Dass es für die Lage viel zu teuer war? Wen kümmerte es. Abschreibungen und die Mietgarantie der ersten Jahre bei einer boomenden Nachfrage machten aus dieser Investition eine todsichere Sache. Dass kein normaler Mieter, sich die Miete leisten können wollte, war dem Vermieter-Novizen Johannes nicht bewusst. Er musste sich ja nicht darum kümmern. Hauptsache die hohe Miete wurde pünktlich bezahlt. Die Mieter: ein türkischer Groundmanager einer nahöstlichen Fluggesellschaft und ein italienischer Außendienstmann eines großen paneuropäischen Gewerbeküchen-Herstellers hatten ja auch perfekte Referenzen. Das ging so lange gut, wie die Mieteinnahmen garantiert waren... Dann kündigten diese Scouts oder zogen das deutsche Mietrecht heran.
Zur gleichen Zeit etwa muss wohl in der Hamburger Bürgerschaft die Idee gereift sein, nach dem Vorbild der Docklands in London aus dem Potenzial der alten Speicherstadt und diverser anderer Liegenschaften des Freihafens ein Schickimicki-Zentrum mit teuren Lofts und einer pompösen Kulturszene zu schaffen; ein Milliardengeschäft, bei dem die Hansestadt einerseits die sozialen Fehler der Londoner Docklands nicht wiederholen, die einheimischen Investoren anderseits sich aber mindestens auch eine genauso goldene Nase verdienen wollten. Unter den potenziellen Investoren waren vermutlich nicht wenige, die sich ihre Grundlagen im Rotlichtmillieu zwischen St. Pauli und St.Georg geschaffen hatten und nun vor der neuen Brutalität albanischer und österreichisch-jugoslawischer Syndikate in die seriöse Geschäftswelt hinüber wechseln wollten. Wenn in den "romantischen" Tagen der Reeperbahn mal ein "Schrittwechsel" vorgenommen wurde, wie ein Auftragsmord im Luden-Deutsch hieß, dann war das eine große Sache, die die "Geschäfte" für eine gewisse Zeit weitgehend lahm legte. Das freie Schaffen kosovarischer und albanischer Auftragskiller hingegen fiel gar nicht weiter auf, denn es betraf ja meist illegal im Land weilende, nicht aktenkundig erfasste Opfer, die genau wie ihre Mörder (dies unmittelbar nach dem Hit im Chaos der Balkanstaaten) zudem auch so spurlos wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht waren. Da das Killergeschick der Herrschaften aber bisweilen auch in eine Grauzone zu den alten Kiez-Größen hineinreichte, waren diese nachhaltig vor einer Eskalation gewarnt, in der sie nur verlieren konnten.
Während die Oberfläche des sich langsam einigenden Europas noch einmal in Bewegung geriet, wies der "Unterweltatlas" bereits erstaunlichere Verwerfungen auf. Durch Golf- und Balkankriege abgelenkt, passierte folgendes weitgehend unbemerkt von den Sicherheitskräften:
An der französischen Riviera setzten sich die Russen fest und dehnten sich westlich gegen die traditionellen nordafrikanischen und altfranzösischen Kräfte Richtung Marseille aus. Unvorbereitet hatten die weder Geld, noch Logistik in den benötigten Ausmaßen und schon gar nicht genügend Gewaltbereitschaft entgegen zu setzen. Gen Osten marschierten die Russen in Richtung Genua unverdrossen auf traditionelles Terrain der Mafia zu, die wiederum nach dem Mord an Giovanni Falcone am 23. Mai 1992 alle Hände voll zu tun hatte, um ihre geschwächten Strukturen im heimatlichen Sizilien vor dem Verfall zu retten.
Toto Riina, der vermutlich überschätzteste Pate der Cosa Nostra (die legal operierenden Familien mit Verbindungen zu Silvio Berlusconi waren ja für staatliche Strukturen viel gefährlicher) hatte einen Teil seiner exekutiven Spitzenkräfte vor dem Generalverrat ins schöne Allgäu ausgelagert, wo sie als Pizzabäcker, Servierkräfte und Feinkosthändler ein derart bürgerliches Leben führten, dass einer es gar in den Gemeinderat und ein anderer in den Vorstand eines Fußballvereins schaffte.
Im Jahrzehnt der Habgier hatte sich der Staat aus nahezu allen Bereichen, die ihm historisch aus volksfürsorglichen Gründen zugewachsen waren, zurückgezogen und sie kapitalisiert: Energieversorgung, Post- und Fernmeldewesen wurden wie Bahn und Schiene zunehmend profitorientierten unübersichtlichen Netzwerken überlassen. Der Kartellschutz wurde auf dem Altar Europas nahezu vollständig einem größeren Wettbewerb geopfert, der angeblich dem Bürger dienen sollte, ihn in Wirklichkeit aber zunehmend arbeitsloser machte. Manager und Aufsichtsräte (darunter auch Gewerkschaftsführer), die Fusionen einleiteten oder absegneten und sich dabei im erwiesenen Tatbestand der Untreue mit Abermillionen die Taschen füllten, erhielten verhältnismäßig kleine Geldstrafen, wo der kleine Mann bei verhältnismäßig kleineren Vermögensschäden für verhältnismäßig lange Jahre in den Knast wanderte.
Aber das reichte den Plutokraten noch nicht. Diese neu verteilte Wirtschaftsmacht setzte ja Mittel für Korruption, Kartellabsprachen und politische Ränkespiele frei, die den Arbeitsmarkt zu einer willkürlichen Experimentier-Plattform machten. Ein Schachbrett der Macht, auf dem Gewerkschaftlern und Politikern nur noch die Rollen als Bauernopfer zugewiesen wurden. Da werden ganze Betriebszweige an Pleitiers verkauft, nur damit man sich nicht noch selbst die Hände beim Stellenabbau schmutzig machen muss. Da werden bei einem ehemaligen Staatsbetrieb 50 000 Jobs zu längeren Arbeitszeiten und weniger Lohn an eine Betreibergesellschaft ausgelagert, und die Gewerkschaften, denen die Mitglieder in Scharen davon laufen, bieten nur noch ein Bild des Jammers. Warum? - Weil sie sich viel zu lange auf den vermeintlichen Konjunkturschutz eingelassen hatten. Händchen falten, Köpfchen senken und nur an den Aufschwung denken! Gab es das nicht alles schon mal? Kaum zu glauben, dass auf deutschem Grund und Boden schon mal Betriebsräte historisch politischen Einfluss hatten. Wo waren die denn in diesem Treiben? Ja richtig, sie tanzten von VW mit reichlich Spesen ausgestattet Samba an der Copa Cabana.
'Der Terrorismus hat dann sein Ziel erreicht, wenn ein Gemeinwesen zu dessen Bekämpfung seine rechtsstaatlichen Prinzipien in Frage stellt', hatte Johannes in den Publikationen eines ehemaligen RAF-Anwaltes gelesen. Der Bundesbürger musste drei Jahrzehnte später lernen, dass das auch unter vermeintlich rechtsstaatlich Politgrößen wie Schröder, Schily, Fischer und Steinmeier passieren konnte, also waren dann zunehmende Angriffe des in jener Zeit aktuellen Innenministers Schäuble auf die geschützten Daten seiner Bürger nicht die logischen Folgeerscheinungen?
Musste nicht die Frage erlaubt sein, wieso ein US-Präsident um die Rechtsstaatlichkeit seines Landes innenpolitisch zu erhalten, das Unrecht als Export-Gut via CIA nicht nur nach Guantanomo Bay auslagerte, sondern Bündnispartner damit infizierte? Das alles im Namen eines Kampfes gegen ein Terror-Netzwerk, das in erster Linie und vor allem eines deutlich macht: Die Milliarden verschlingende Unfähigkeit der ja auch erheblich miteinander vernetzten Dienste.