Die Vorstellung, sich eine Heimat auswählen zu können - wenn auch nur im Kopf - hat mich lange Zeit umgetrieben. Auf meinen Reisen habe ich vieles gesehen, das so schön gewesen ist, dass ich mir vorstellen konnte, dort "beheimatet" zu sein. Im Ruhestand, weiß ich nun längst, dass das Illusionen waren. Mit dem Aufkommen der Flüchtlings-Probleme und der Integration des Fremden, wird mir als Einwohner zweier Länder mehr als bewusst, wie schwer das schon ohne eigentliche Notwendigkeit ist.
In Ligurien fühlt sich meine Familie daheim, aber es ist eben nicht ihre Heimat. Wir sind mit mehr oder weniger Empathie geduldet, wie gehören zum Dorfleben - vermutlich mehr als der ein oder andere ausländische Nachbar. Integriert werden wir niemals sein. Und nun kommt auch noch der Stimmungs-Umschwung in Bezug auf die Deutsche Europa-Politik und die populistischen Einflüsse in der Italienischen Regierung dazu.
Nun wird auf einmal der Begriff Heimat auf der ganzen Welt empor gehoben. Das hat aber nichts mit dem Gefühl zu tun, "daheim zu sein". Daheim ist nämlich dort, wo sich einer sicher und geborgen fühlt. Daheim ist dort, wo Traditionen, Trachten und Toleranz einen erfreuen. Daheim ist dort, wo die Familie sicher leben kann - und Arbeit findet...
Auf der Straße, die am Glashaus vorbei führt, hängt jetzt an jedem Baum ein Wahlplakat. Wie zu Weimarer Zeiten gibt es zu viele Parteien mit undurchsichtigen Zielen. Wenn ich dort entlang gehe, und die mehr oder weniger geglückten Porträts der Kandidaten sehe, frage ich mich, mit welchen persönlichen Zielen sich die haben aufstellen lassen. Was treibt sie in die Politik?
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Hindenburg in einer Karikatur. Aber hätte er
das "Dritte Reich" verhindern können? |
Macht und Prominenz versprechen doch nur die immer gleichen Konstellationen in Koalitionen.
Aber es ist eben meine "Wahl-Heimat", und ich muss mitmachen, obwohl mich keiner von diesen
"Heimat-Musikern" im Trachten-Look anspricht. Nicht zur Wahl zu gehen, darf aber keine Option sein. Solange wir noch die tatsächliche Entscheidungs-Freiheit in einer Demokratie haben.
Das Weimarer Gespenst gruselt wieder durch die Republik. Eine Generation, die das Dritte Reich nur aus Geschichtsbüchern oder Filmen erlebt hat, hält die Rückkehr zum Faschismus für erstrebenswert.
Als hätte der "Nazional"-Sozialismus allen eine Heimat geboten:
Anders Denkenden, den der Deutschen Heimat verbundenen, seit Generationen ansässigen Juden, Lesben und Schwulen, den Künstlern, die sich frei auslebten und zuletzt dann jenen ehemaligen Oppositions-Politikern; Allen war Deutschland zuvor eine Heimat.
Wer lesen mag und lesen kann, dem sei die Lektüre von "Jeder stirbt für sich allen" empfohlen. Hans Fallada schrieb sie 1947 in Anlehnung an eine wahre Begebenheit.
Erst verbrennen die Fahnen, dann die Bücher und letztlich brennt die Heimat wieder in einem Feuersturm...